„Pressure from without“ – Soziale und politische Proteste und Bewegungen 2008-2018

Foto: Jimmy Bulanik

Es fehlt nicht an sozialen und politischen Bewegungen in der Bundesrepublik. Über betriebliche Auseinandersetzungen und Streiks – einen Kernbereich sozialer Konflikte und Klassenauseinandersetzungen – wird in der Bundesrepublik jährlich von gewerkschaftlicher Seite (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut, WSI) und in „Z“ durch den an der Uni Jena erarbeiteten „Streikmonitor“ berichtet.1

Auch die Unternehmerseite hält sich durch ihr „Institut der deutschen Wirtschaft“ auf dem Laufenden. Die Übersichten zeigen seit 2012 eine deutliche Belebung der Arbeitskämpfe. Zwischen 2012 und 2016 lag die Zahl der an Streiks Beteiligten in jedem Jahr (Ausnahme: 2014) bei über einer Million. Erzieherinnen, Postbeschäftigte, Lokführer, Krankenschwestern, Piloten und Flugbegleiter, Bauarbeiter u.v.a.m. – Beschäftigte im Dienstleistungs- und Carebereich wie im Verarbeitenden Gewerbe – kämpften nicht nur um höheren Lohn und bessere Arbeitsbedingungen, sondern reagierten auf die Folgen von Privatisierungen (Post, Gesundheitswesen), von Deregulierungsmaßnahmen und Anstachelung der inner- und zwischenbetrieblichen Konkurrenz (Aufhebung des Beamtenstatus, Betriebsverlagerungen), gegen die Tarifflucht der Unternehmer oder die Verweigerung des Rechts auf Bildung von Betriebs- und Personalräten. Im letzten Jahr gingen allein in der Metall- und Elektroindustrie ca. 1,5 Millionen im Kampf um höhere Löhne und einen Einstieg in die Arbeitszeitverkürzung auf die Straße, und in einer großen Zahl kleinerer, unspektakulärer betrieblicher Auseinandersetzungen in fast allen Branchen fanden öffentliche Demonstrationen und Kundgebungen von Beschäftigten statt. In die betrieblich-gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen sind also Jahr für Jahr Hunderttausende einbezogen. Wenn in der Linken jetzt wieder mehr über „neue Klassenpolitik“ nachgedacht wird, so ist das auch eine Reaktion auf diese Wirklichkeit der sozialen Konflikte und Klassenauseinandersetzungen.

Offenkundig zugenommen haben auch die außerbetrieblichen und außerparlamentarischen Bewegungen, bei denen es nicht um Lohn und Arbeitszeit, sondern um Mieten, Umweltverhältnisse und Klimafolgen, Schutz von Flüchtlingen, für allgemeindemokratische Rechte und gegen Globalisierungsfolgen geht. Und deutlich zugenommen haben rechte Mobilisierungen insbesondere gegen Migrantinnen und Migranten im Kontext der großen Flüchtlingsbewegung seit 2015. Diese gegenläufigen und widersprüchlichen Bewegungen sind insgesamt Ausdruck wachsender sozialer, kultureller und politischer Spannungen im Kapitalismus der Bundesrepublik, die sich auch in den wahlpolitischen Veränderungen (Rechtsverschiebung, Aufstieg der AfD, Erosion der Parteienlandschaft) zeigen und gegen sie richten.2 Und es ist an der Zeit, dass die Linke insgesamt stärker über die Zusammenführung von sozialen Ausein-andersetzungen im Produktions- und Reproduktionsbereich einerseits und politisch-sozialen Protestbewegungen gegen Rechts, für demokratische, ökologische und soziale Rechte und Verbesserungen in der außerbetrieblichen Lebenswelt nachdenkt, statt sich wechselseitig nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Methodisches

Was wissen wir über Ausmaß und Dynamik außerbetrieblicher sozialer und politischer Proteste und Bewegungen? Hierzu gibt es, neben der tagesaktuellen Berichterstattung, zwar eine wachsende Zahl von verallgemeinernden Untersuchungen zu einzelnen Bereichen und Regionen3, aber kaum zusammenfassende Bestandsaufnahmen. Dies gilt auch für ihre quantitative Dimension. Die Bestandsaufnahmen der Versammlungsbehörden4, bei denen Kundgebungen und Demonstrationen angemeldet werden müssen, sind nicht unmittelbar öffentlich zugänglich. Bestehende Einrichtungen der Linken sind offenbar nicht in der Lage, die notwendigen Informationen zusammenzutragen.5

Eine entsprechende Übersicht wäre aber nicht nur nützlich, um sich über das Ausmaß öffentlicher Proteste und außerparlamentarischer Bewegungen insgesamt – über die Erfahrungen der „teilnehmenden Beobachtung“ politischer Aktivisten hinaus – klar zu werden, sondern auch, um die darin zum Ausdruck kommenden politischen Haltungen unabhängig von den Filtern der öffentlichen Medien kommunizieren und zugleich nüchtern bewerten zu können.

Simon Teune vom Berliner Institut für Protest- und Bewegungsforschung weist darauf hin, dass „die Wahrnehmung sehr stark von der Medienberichterstattung verzerrt ist, die nur einen kleinen Teil des Protestgeschehens abbildet“.6 Er führt als Beleg eine Recherche des Senders Radio Berlin-Brandenburg (rbb) an, in der bei den zehn größten Städten der Bundesrepublik nach Daten zu Protestereignissen in den letzten Jahren gefragt wurde.7 Sie zeigt, dass 2018 z.B. in Berlin nach amtlichen Angaben von Januar bis November dieses Jahres 4.500 angemeldete Kundgebungen und Demonstrationen stattfanden, über die nur zu einem geringen Bruchteil in den öffentlichen Medien berichtet wurde. Pro Tag fanden im letzten Jahr in Berlin also etwa zwölf zumeist kleinere, lokal gebundene Protestkundgebungen statt. Sie reichten von „halbnackten Radfahrern auf der Oberbaumbrücke, die auf ihre Verletzlichkeit im Straßenverkehr aufmerksam machen“ und „kälteresistenten Umweltaktivisten, die mit aufgeblasener Wasserball-Erdkugel in der Spree schwimmend für mehr Klimaschutz protestieren“ oder „Scharen motorisierter Rocker, die kuttenbekleidet gegen das Kuttenverbot anfahren“ bis zu bundesweit registrierten Massenkundgebungen wie der Großdemonstration #unteilbar mit einer Viertelmillion Teilnehmenden.

Proteste in bundesdeutschen Großstädten 2008-2018

In den Großstädten hat sich zwischen 2008 und 2018 die Zahl der angemeldeten Demonstrationen und Versammlungen unter freiem Himmel im Schnitt etwa verdoppelt (vgl. Tab. 1).

Dass die meisten angemeldeten Versammlungen unter freiem Himmel in Berlin stattfanden, ist nicht überraschend. Berlin als mit Abstand größte deutsche Stadt (3,6 Mio. Einwohner) und mit Regierungssitz ist politisches Zentrum. Zugleich findet sich in Berlin auch genügend „kritische Masse“ für politische Bewegungen, z.B. fast 200.000 Studierende8, eine relativ hohe und lokal konzentrierte Zahl politisch und gewerkschaftlich aktiver Linker mit entsprechender publizistischer, kommunikativer und Bildungsinfrastruktur.9 Gemessen an der Einwohnerzahl war die Demonstrationshäufigkeit 2018 in Stuttgart, Frankfurt und Dresden noch etwas größer. Hier spielen auch regionale Spezifika eine Rolle, so z.B. für Dresden die seit Jahren anhaltende regelmäßige rechte Pegida-Demonstration.

Tab. 1: Angemeldete Versammlungen unter freiem Himmel in neun
Städten, 2008-2018
Stadt Einwohner
(2016, Tsd.)
2008 2013 2018 2018/2008
(in %)
Berlin 3.574 2.345 4.487 4.446 190
München 1.464 864 1.345 1.273 147
Köln 1.076 389 627 933 240
Frankfurt 737 686 1.225 1.608 234
Stuttgart 628 468 1.603 1.439 308
Düsseldorf 613 443 466 600 135
Leipzig 571 264 395 547 207
Dresden 547 478 429 840 176
Nürnberg 512 205 343 422 206

Quellen: Allhoff 2018, Angaben von Polizei/Ordnungsämtern. Angaben jeweils für elf Monate, ohne Dezember; https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1353/umfrage/einwohnerzahlen-der-grossstaedte-deutschlands/

Bei näherer Betrachtung im Zeitverlauf zeigt sich, dass in den meisten Städten die Häufigkeit von Demonstrationen und Kundgebungen seit 2008 bis etwa 2015 kontinuierlich zugenommen hat und seitdem auf diesem hohen Niveau verblieben ist (vgl. Tab. 2; Angaben zur Entwicklung der Zahl der Beteiligten an den Aktionen werden in der rbb-Recherche nicht genannt).

Tab. 2: Angemeldete Versammlungen unter freiem Himmel in neun
Städten, 2008-2018
(absolut und in Prozent, 2008 = 100)
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018
5699 6550 6492 8667 9063 10461 11211 12189 11939 11432 11508
100 115 114 152 159 184 197 214 209 201 202

Quelle: sh. Tab. 1

Außerbetriebliche soziale und politische Bewegungen konzentrieren sich in erster Linie auf die (größeren) Städte; sie sind die Räume mit entsprechender Infrastruktur (z.B. besetzbaren Plätze und Straßen, Verkehrsanbindung), in denen große, mobilisierbare Bevölkerungsgruppen ansässig und berufstätig sind, die zusammenkommen und ihren Dissens öffentlich zeigen können. In den großen Städten befinden sich politische Institutionen (die z.T. vor Demonstrationen geschützt sind – „Bannmeilen“) und häufig Versammlungsorte der politischen Eliten wie z.B. die Münchner „Sicherheitskonferenz“ als regelmäßiger Anziehungspunkt für Friedensproteste. Die großen Städte sind auch Orte, deren Zentren und Infrastruktur u.U. durch Massenversammlungen „lahmgelegt“ werden können.

Für einen anderen Typ von Demonstrationen, der in den o.a. Daten nicht erfasst wird, sind die großen Städte nicht Ort des Geschehens, sondern eher Rekrutierungsbasis: Demonstrationen, die sich z.B. gegen ökologischen Kahlschlag (Braunkohletagebaue, Hambacher Forst) oder gegen militärische Infrastruktureinrichtungen im ländlichen Raum richten.

Rechte Mobilisierung

Ebenfalls regional weitgestreut sind rechte Mobilisierungen gegen Geflüchtete und deren Unterkünfte in kleineren und „abgehängten“ Städten. Rechte und rechtsextremistische Proteste und Demonstrationen haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen.10 Neu ist nicht nur ihre geradezu explosionsartige Verbreitung, sondern auch ihre Verzahnung mit der AfD.11 Anders als frühere ähnliche Parteien wie die Republikaner oder die DVU kann sich die AfD auf diese rechte Mobilisierung stützen.

Foto © Aufstehen gegen Rassismus

Vor allem seit 2015 (dem kurzen „Sommer der Migration“) haben wir es mit einer verstärkten rechten Straßenmobilisierung zu tun. Pegida in Dresden erlebte parallel zur AfD einen Aufstieg, der republikweit zahlreiche regionale Ableger fand. Mit Pegida gelang es der politischen Rechten, eine neue Form des Protests zu etablieren. Über zwei Jahre hinweg (!) gingen Woche für Woche mehrere tausend Menschen in Dresden auf die Straße, in den Hochzeiten zu Beginn des Jahres 2015 lagen die Zahlen im niedrigen fünfstelligen Bereich.12

Tab. 3: Naziaufmärsche und Teilnehmerzahlen (Behörden-Angaben)
Jahr 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
Naziaufmärsche 142 132 185 177 590 507 190
Teilnehmer 21.900 19.075 23.000 19.200 101.200 52.300 14.300

Pegida und seine Ableger erreichen Menschen über den engen Kreis des neonazistischen Spektrums hinaus. Proteste „besorgter Bürger“ finden sich vor allem in Klein- und Mittelstädten, teils auch im ländlichen Bereich. Die Mobilisierung gegen Geflüchtete spielt dabei eine entscheidende Rolle („Nein zum Heim!“).13 Beträchtliche Teile der bürgerlichen Mitte scheuen sich nicht mehr, gemeinsam mit militanten Nazis zu demonstrieren.

Die Bundestagsfraktion DIE LINKE erfragt seit 2010 bei den Behörden vierteljährlich die Zahl der Naziaufmärsche (vgl. Tab. 3). Berücksichtigt werden allerdings nur Demonstrationen, die von den Behörden als „rechtsextrem“ bzw. von der extremen Rechten beeinflusst eingestuft werden. Auch diese Daten zeigen einen massiven Anstieg der Teilnehmerzahlen. Im Jahr 2015 gelang es der extremen Rechten, mehr als 100.000 Menschen auf die Straße zu bringen. Danach gingen die Zahlen wieder zurück. Das hat mit zwei Faktoren zu tun, erstens dem massiven Rückgang der Flüchtlingszahlen und zweitens dem Aufstieg der AfD, die die Themen der Rechten stellvertretend artikuliert und in die Parlamente trägt. Die rechten Aufmärsche in Chemnitz 2018, aber auch eine große Zahl von „Bürgerprotesten“, die von der AfD organisiert, von den Sicherheitsorganen aber nicht erfasst werden, zeigen, dass es ein beträchtliches Potenzial der politischen Rechten gibt.

2015 bis 2018: Aufschwung der antirassistischen Bewegungen

Auch für die demokratischen sozialen Bewegungen bedeutete der „Sommer der Migration“ eine Zäsur. Aktionen, die Solidarität mit den Geflüchteten betonten, erlebten einen Aufschwung – von der unmittelbaren Flüchtlingshilfe bis zu politischen Manifestationen. Dieser setzte sich 2018 – vor allem in der zweiten Jahreshälfte – noch fort, als Reaktion auf die zunehmend rassistische Aufladung des innenpolitischen Klimas (Hetze gegen Flüchtlinge und gegen die Seenotrettung, Seehofers Diktum über die „Migration als Mutter aller Probleme“ usw.). Zugleich politisierte sich der humanitäre Protest weiter, indem er sich z. B. auch gegen einen kulturellen, ethnopluralistisch geprägten Rassismus richtete und die diesem zugrunde liegenden Rückwirkungen der kapitalistischen Globalisierung thematisierte.14 Es wandten sich mehrere Initiativen mit Aufrufen an die Öffentlichkeit, in denen dem strukturellen Rassismus in Gesellschaft und Politik eine Absage erteilt wurde. Über 2100 „Künstlerinnen und Künstler gegen Rechts“ haben seit 2009 den bundesweiten Aufruf „Unruhe stiften“ (www.unruhestiften.de) unterzeichnet. Im Juni 2018 wurde die „Berliner Erklärung zum Flüchtlingsschutz“15 veröffentlicht. Das Spektrum der Initiatoren wird nach und nach breiter und reicht über die „klassischen“ Antirassismus-Initiativen hinaus. Eine wichtige Rolle spielt (erstmals zu diesem Thema) der Paritätische Gesamtverband. Der Aufruf verbindet scharfe Kritik an der inhumanen Abschottungspraxis der Bundesregierung mit dem Engagement für Demokratie und Menschenrechte. Die Erklärung wird von fast 20 Initiativen aus der Zivilgesellschaft getragen: pro asyl, terre des hommes, Paritätischer Gesamtverband, Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Sea-Watch.org u.a.m.

Weitere Aufrufe und Bündnisse bezogen öffentlich Stellung gegen Rassismus und gegen die Rechtsentwicklung und initiierten teils große Demonstrationen und andere Aktionen (Übersicht).

Übersicht: Größere Demonstrationen gegen Rechts 2018 (Auswahl)
Datum/Ort Thema Teilnehmende
27.5. Berlin Demo gegen die AfD 70.000
30.6. Augsburg Demo gegen den Bundesparteitag der AfD 5.000
22.8.Darmstadt Demonstration #NoAfDDA 5.000
31.8. Freiburg Demo gegen Rechts 1.000
3.9. Chemnitz #wirsindmehr – Rockkonzert gegen Rechts 65.000
6.9. Hamburg „Laut gegen Nazis“ 35.000
7.9. Marburg Demo „Marburg gegen Rechtsextremismus“ 7.500
16.9. Köln Demo und Soli-Konzert für menschliche Asylpolitik 12.000
29.9 Hamburg Antirassistische Parade „We’ll come united” 30.000
3.10. München #ausgehetzt. Demo gegen Rassismus und gegen Rechts 40.000
13.10. Frankfurt/Main Demo #lautstark gegen rechts 5.000
13.10. Berlin #unteilbar – Demo gegen Rechts und für eine offene und freie Gesellschaft 240.000
15.10. Ravensburg Demo gegen Rassismus und rechte Hetze 2.500
27.11. Magdeburg Demo gegen den Europa-Parteitag der AfD 1.000
12.12. Rostock Demo gegen die AfD 3.200

2018 gab es in praktisch allen größeren Städten der Bundesrepublik Demons-trationen und Kundgebungen gegen Rassismus und gegen die Rechtsentwicklung, in Großstädten auch mehrmals, so in Berlin, Hamburg, München, Köln, Stuttgart, Frankfurt am Main. In vielen Fällen war der Protest gegen die AfD der kleinste gemeinsame Nenner, nicht selten wurde aber auch gegen die Rechtsentwicklung und die sie treibenden Kräfte Stellung bezogen. Darüber hinaus kam es auch in zahlreichen kleineren Städten zu ähnlichen Aktionen, darunter zahlreiche Kundgebungen gegen Zusammenrottungen der AfD. Aktionen gab es u.a. in Bottrop, Bremen, Münster, Hannover, Ostritz (Sachsen), Essen, Hagen, Karlsruhe, Krefeld, Salzgitter, Gera, Wiesbaden, Gießen, Erfurt, Wilhelmshaven, Oldenburg, noch einmal in Chemnitz und an sehr vielen anderen Orten, ferner viele Volksfeste und Rock-Konzerte.

Das Institut für Protest- und Bewegungsforschung untertreibt also eher noch, wenn es feststellt: „Allein im sogenannten ‚Herbst der Solidarität‘ 2018 gingen in einer Reihe von Großdemonstrationen insgesamt mehrere 100.000 Menschen für eine offene, diverse Gesellschaft auf die Straße.“16

Verbreiterung der politischen Basis

Nicht nur die Zahl der Aktionen und der Teilnehmenden ging 2018 deutlich nach oben, auch die politische Basis der Initiativen wurde breiter und präziser, indem die politischen Verhältnisse, die den Rassismus forcieren, deutlicher in den Blick genommen wurden.

Eher dem „klassischen“ Ansatz der Solidarität mit Geflüchteten und des Antirassismus verpflichtet ist das seit 2016 aktive und in zahlreiche lokalen Initiativen gegliederte Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“17. Es initiierte Aktionen gegen die AfD, darunter gegen den AfD-Parteitag im Juni 2018 in Augsburg und gegen den AfD-Europa-Parteitag am 27.11. in Magdeburg. Für den Internationalen Tag gegen Rassismus am 16. März 2019 mobilisiert das Bündnis für dezentrale Demonstrationen in vielen Städten der Bundesrepublik. Der Aufruf hatte im Januar 2019 rund 31.000 Unterzeichnenden (Organisationen und Persönlichkeiten), darunter Linke, viele Sozialdemokraten, Grüne, Gewerkschafter, der Zentralrat der Muslime, die Alevitische Gemeinde u.a.

Foto: Jimmy Bulanik

Der Hamburger Aufruf „Welcome United“18 bzw. „We’ll Come United“ argumentiert aus der Perspektive von hier lebenden Geflüchteten, die sich gegen Diskriminierungen und Schikanen wenden. Die Initiatoren engagieren sich für eine migrantische, feministische, queere und mehrsprachige Gesellschaft. Den Aufruf unterstützten zuletzt rund 450 Gruppen. Nach Angaben der Veranstalter nahmen am 29. September 2018 in Hamburg 30.000 Menschen an einer großen antirassistischen Parade teil. Obwohl der Aufruf sich auf das Thema Antirassismus konzentrierte, wurden auf der Demonstration auch Forderungen nach bezahlbaren Mieten, zum Klimaschutz und gegen staatliche Überwachung erhoben.

Die Initiative #wirsindmehr war eine Antwort auf die rechtsextremistischen Ausschreitungen in Chemnitz, bei denen Hitlergrüße gezeigt, Menschen gejagt und Journalisten tätlich angegriffen worden waren und die von zahlreichen konservativen Politikern und vom Verfassungsschutz heruntergespielt wurden. #wirsindmehr war eine unmittelbar darauf entstandene Initiative von mehreren Rockbands wie Feine Sahne Fischfilet, Tote Hosen, Kraftklub. Zu einem Gratis-Rockkonzert am 3. September kamen 65.000 Menschen.

Eine neue politische Qualität kam in dem Münchener Aufruf #ausgehetzt „Gemeinsam gegen die Politik der Spaltung“19 zum Ausdruck. Auf ihn folgte eine große Demonstration am 3. Oktober 2018, kurz vor der bayerischen Landtagswahl. An der Demonstration nahmen rund 40.000 Menschen teil. Den Aufruf hatten zahlreiche Organisationen und Persönlichkeiten unterzeichnet, darunter attac, der bayerische Flüchtlingsrat, die Grünen, die Linke Bayern, ver.di, die GEW, SPD München, VVN und viele andere mehr. Die CSU, deren Politik als „verantwortungslos“ kritisiert wurde, reagierte mit heftigen Gegenangriffen. Der Aufruf richtete sich politisch nicht nur gegen die AfD, sondern darüber hinaus „gegen den massiven Rechtsruck in der Gesellschaft, den Überwachungsstaat, die Einschränkung unserer Freiheit und Angriffe auf die Menschenrechte.“ Er forderte auch die Überwindung sozialer Missstände wie Pflegenotstand, Altersarmut und Mietsteigerungen.

Die bedeutsamste Demonstration 2018 fand am 13. Oktober unter dem Motto #unteilbar mit 240.000 Teilnehmenden in Berlin statt.20 Auch diese Demons-tration war mehr als eine Ein-Punkt-Initiative gegen Rassismus. Der Aufruf enthielt ein umfassendes und politisch ausgereiftes Statement gegen die Rechtsentwicklung und entsprach damit offenbar einem weit verbreiteten Bedürfnis. Zahlreiche Reden auf der Demonstration behandelten den Sachverhalt, dass Rassismus, Sozialstaatsdemontage und autoritäre Deformation der Demokratie verschiedene Stränge derselben gefährlichen Entwicklung sind.

Andere soziale und politische Bewegungen

Neben den Konflikten um Fragen von Migration und Rassismus gab es im gleichen Zeitraum zahlreiche soziale Bewegungen zu weiteren Themen.

  • Zu den ökologischen Bewegungen zählen u. a. die Aktionen zum Klimaschutz und zur Abkehr von der Braunkohleförderung am Hambacher Forst in Nordrhein-Westfalen mit bis zu 50.000 Teilnehmenden (u.a. getragen vom Bündnis „Ende Gelände“21), bundesweite Schülerinnenstreiks und Proteste für Klimaschutz seit Dezember („Fridays for Future“22) sowie Demonstrationen in Köln und Berlin und die Demonstration für eine nachhaltige Agrarpolitik am 6.10. in München mit 18.000 Teilnehmenden.
  • 2018 gab es mehrere Demonstrationen gegen den Überwachungsstaat und gegen neue Polizeigesetze in Niedersachsen (regelmäßig in Hannover mit bis zu 8.300 Teilnehmenden), Sachsen (Dresden 1.500), Bayern (München 40.000), Brandenburg (Potsdam), NRW (Düsseldorf), oftmals getragen von breiten Bündnissen, die von Gewerkschaften und Jugendorganisationen bis hin zu Fußballfans reichten.
  • Bewegungen für bezahlbaren Wohnraum: Hier sind insbesondere die Berliner Bewegung für eine emanzipatorische Stadtpolitik, Hausbesetzungen und Initiativen zur Enteignung großer Wohnungsgesellschaften wie „Deutsche Wohnen“ oder auch der „Mietentscheid“ in Frankfurt/Main mit 25.000 Unterstützenden zu nennen.
  • Zur Friedensbewegung zählen der Protest gegen die so genannte Münchener Sicherheitskonferenz und die Ostermärsche mit bundesweit zehntausenden Teilnehmenden.
  • Einflussreich waren Bewegungen für Feminismus, sexuelle Selbstbestimmung und Akzeptanz unterschiedlicher Lebensentwürfe. Exemplarisch können hier die Berliner Bündnisse „What the fuck“ und „Für sexuelle Selbstbestimmung“ gegen klerikal-fundamentalistische Abtreibungsgegner genannt werden.23

Politisch-soziale Proteste im öffentlichen Raum und betrieblich-gewerkschaftliche Bewegungen

Bei den Protesten im öffentlichen Raum handelt es sich i.d.R. um Willensbekundungen, die sich meist an die relativ abgeschotteten Institutionen des politischen Systems – Parteien, Parlamente, Regierungen, Verwaltungen – richten. Auf diese Institutionen können Bewegungen nur Eindruck machen, wenn sie nachhaltigen Massenrückhalt gewinnen, den zu berücksichtigen sich die politischen Parteien auch unter wahltaktischen Gesichtspunkten gezwungen sehen. Hierfür ist die mediale Vermittlung ein entscheidender Faktor. In Zeiten der Neustrukturierung und Segmentierung der Öffentlichkeit durch soziale Medien wandelt sich dieser Mechanismus. Trotzdem bleibt die Kontrolle der „großen Medien“ (Rundfunk, Fernsehen, Massenpresse) ein entscheidender Filter. Gerade die Auseinandersetzung um die Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg 2017 zeigt, dass die öffentliche Wahrnehmung von Protestereignissen und die öffentliche Meinung nach wie vor in hohem Maße von diesen großen Medien beeinflusst werden.24

Bei den betrieblich-gewerkschaftlichen Bewegungen handelt es sich dagegen um Auseinandersetzungen in einem Kernbereich der Gesellschaft. Dieser umfasst die gesamte Breite von der materiellen Produktion im industriell-gewerblichen Sektor über die Infrastruktureinrichtungen (Transport, Verkehr, Bahn und Post), die Distributionssphäre (Handel – z.B. Amazon – und Banken) bis zu den stark wachsenden und lohnarbeitsintensiven Bereichen der gesellschaftlichen Reproduktion, darunter der „Care“-Sektor (Krankenhäuser, Kitas, Altenbetreuung). Dies ist der Sektor des privaten Kapitals, aber auch der Lohnarbeit anwendenden öffentlich finanzierten Institutionen. In diesen Sektoren verfügen die Beschäftigten über die Möglichkeit, ihre Arbeitskraft zu verweigern und damit unmittelbaren Druck auf ihre privaten und öffentlichen Kontrahenten auszuüben. Die Interessenkonflikte in diesem Bereich (Tarifauseinandersetzungen) sind hochgradig institutionalisiert und verrechtlicht – auch, weil die Möglichkeiten der Kraftentfaltung durch Arbeitsniederlegungen hier viel größer sind als bei Protestbekundungen im öffentlich-politischen Raum.

Für die Bundesrepublik ist charakteristisch, dass zwischen den außerparlamentarischen Protestbewegungen und den betrieblich-gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen wenig Resonanz besteht. Die Aktivisten der Protestbewegungen im öffentlich-politischen Raum nehmen die Arbeitskämpfe selbst dort, wo sie in ihrer Lebenswelt mit ihnen unmittelbar konfrontiert werden (Kita-Streiks, Bahn- und Poststreiks, Streiks bei Amazon usw.) kaum zur Kenntnis. Solidaritätsbekundungen für Streikende kommen ihnen kaum in den Sinn. Gelegentlich kommt es sogar zu konfrontativen Konstellationen wie bei den Auseinandersetzungen um Klimakrise und Kohleausstieg, bei denen es auch um elementare Existenzinteressen von Lohnabhängigen geht. Umgekehrt ist die Beteiligung von Gewerkschaften an politischen Bewegungen für allgemeindemokratische und ökologische Ziele, für Minderheitsrechte usw., wenn auch regional sehr unterschiedlich, so doch insgesamt nicht besonders intensiv; allgemein wird auch innerhalb der Gewerkschaften deren zunehmende Entpolitisierung in den letzten Jahrzehnten beklagt. Gerade deswegen ist es für beide Seiten nicht nur wichtig, die wachsende Intensität von politischen und sozialen Auseinandersetzungen im Lande zur Kenntnis zu nehmen, sondern auch nach den Ursachen dafür sowie nach Interessengemeinsamkeiten und gemeinsamen Handlungsmöglichkeiten zu suchen. Hier hat sich jedoch, wie die obige Darstellung zeigt, insbesondere im Bereich der Bewegungen gegen Rechts und für Schutz von MigrantInnen in den letzten Jahren einiges getan.

Pressure from without“ – Druck auf die Politik

In einschlägigen Debatten ist häufig die Auffassung anzutreffen, die Konflikte um das Thema Migration seien „kulturell-identitäre Konflikte“, während die „Konfliktstrukturen der kapitalistischen Industriegesellschaft (Kapital vs. Arbeit) weiter an Bedeutung“ verlören.25 Die Fakten sprechen jedoch gegen diese Auffassung. Die sich um das Thema Migration gruppierenden Konflikte haben zwar auch eine kulturelle Seite, sie richten sich aber zunehmend auch gegen kapitalistische Strukturen, die z. B. Rassismus begünstigen. Gerade die große Demonstration in Berlin mit ihrer Verknüpfung von antirassistischen und sozialen Forderungen hat das eindrucksvoll belegt. Gleichzeitig haben die von den Gewerkschaften ausgetragenen Konflikte um Arbeitszeitforderungen gezeigt, dass von einem Bedeutungsverlust der Konflikte zwischen Kapital und Arbeit keine Rede sein kann. Der eingangs erwähnte „Streikmonitor“ bestätigt das.

Konflikte um Diskriminierung sind nicht unmittelbar, aber über verschiedene Vermittlungsglieder mit den kapitalistischen Klassenstrukturen verbunden. Die Verwerfungen des neoliberalen globalen Kapitalismus schaffen Unsicherheiten und extreme Ungleichheiten, die die substanzielle Gleichheit und Gleichwertigkeit aller Menschen untergraben. Das fördert Diskriminierungen und simplifizierende Scheinlösungen, die umso wirkmächtiger sind, je mehr die kapitalistischen Gesellschaften zu demobilisierten Klassengesellschaften werden, deren Zumutungen aber auch zunehmend Widerstand auslösen.

„Unter pressure from without versteht der Engländer große, außerparlamentarische Volksdemonstrationen, die natürlich ohne lebhafte Mitwirkung der Arbeiterklasse nicht in Szene gesetzt werden können“, schrieb Karl Marx 1862. „Keine bedeutende Neuerung, keine entscheidende Maßregel ist hierzulande je durchgeführt worden ohne pressure from without.“26 In der Tat, wenn die Linke heute wirklichen Einfluss auf die Entwicklung der Bundesrepublik nehmen will, muss sie es verstehen, einen koordinierten „pressure from without“ zu entfalten, der Rückhalt unter den, wie Marx schreibt, „verschiedenen Bestandteilen“ der Lohnabhängigen – übersetzt in die heutigen Klassenverhältnisse – unter den verschiedenen und von den sozialen Verwerfungen ganz unterschiedlich betroffenen sozialen Gruppen und Schichten (Arbeiterklasse, lohnabhängige Mittelschichten, Intelligenz, Prekäre) findet. Nur dann wird sie und werden diese Bewegungen auch die Chance haben, die von den Herrschenden kontrollierten Medien-Filter und medialen Inszenierungen zu durchbrechen.27


Der Beitrag von André Leisewitz, Jürgen Reusch, Gerd Wiegel und Michael Zander erschien in gedruckter Form der „Z. Zeitschrift marxistische Erneuerung“. Diese kann hier abonniert werden.

1Vgl. Heiner Dribbusch, Das Einfache, das so schwer zu zählen ist: Probleme der Streikstatistik in der Bundesrepublik Deutschland, in: Industrielle Beziehungen 3/2018, S. 301-319; Halbjahresberichte des „Streikmonitor“ erschienen bisher in Z 106, Z 108, Z 110, Z 112, Z 114, und Z116. Dank an Dirk Müller für Vorab-Daten zu Streiks und betrieblichen Bewegungen im 2. Halbjahr 2018, die in Z 118 veröffentlicht werden sollen.

2Diesem Problem hatten wir uns in verschiedenen Beiträgen in „Z“ zu den Wahlergebnissen der letzten Jahre gewidmet. Vgl. u.a. Z 115, S. 206ff; Z 114, S. 140ff., Z. 112, S. 118ff.

3Um nur ein Beispiel zu nennen: Sebastian Schipper und Lisa Vollmer (und die humangeographische Arbeitsgruppe um Bernd Belina in Frankfurt/M.) haben instruktive Untersuchungen zu Mieterprotesten vorgelegt, in denen die Entwicklung lokaler Netzwerke und wohnungspolitischer Protestbewegungen erforscht wird. Vgl. Sebastian Schipper Wohnraum dem Markt entziehen? Wohnungspolitik und städtische soziale Bewegungen in Frankfurt und Tel Aviv, Wiesbaden 2018; Lisa Vollmer, Strategien gegen Gentrifizierung, Stuttgart 2018; über Mieterproteste in einzelnen Städten kann man sich auf zahlreichen Webseiten im Netz informieren (zu Frankfurt/M.: http://www.stadt-fuer-alle.net/; https://mietentscheid-frankfurt.de/; zu Berlin: https://wirbleibenalle.org/). Gesamtübersichten gibt es nicht.

4Nach Art. 8 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) haben alle Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht nach Art. 8 Abs. 2 GG durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden. Die maßgeblichen Regelungen hierzu finden sich im Gesetz über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz). Es dekretiert in § 14 (1): „Wer die Absicht hat, eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug zu veranstalten, hat dies spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe der zuständigen Behörde unter Angabe des Gegenstandes der Versammlung oder des Aufzuges anzumelden.“..

5 Wir versuchen – mit allen Unzulänglichkeiten – nachstehend eine kleine Übersicht zum Trend solcher Bewegungen und einigen größeren Ereignissen 2018. Wir danken Simon Teune (Berlin) für sachdienliche Hinweise sowie Niko Henes und Steffen Merte für Hilfe bei der Datenrecherche.

6Pers. Mitt. v. 30.01.2019.

7Mark Allhoff: Berlin geht zwölf Mal am Tag auf die Straße. https://www.rbb24. de/politik/beitrag/2018/12/versammlungen-demos-berlin-protest.html.

8https://de.statista.com/statistik/daten/studie/255882/umfrage/studierende-an-hochschulen-in-berlin/.

9Die Linke hat in Berlin rd. 7.800, die Grünen haben ca. 6.000 Mitglieder. Beide Parteien erreichten 2016 bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus etwas über 15 Prozent; gegenwärtig erreichen sie Umfragewerte um die 18 Prozent (Linke) bzw. 23 Prozent (Grüne). http://www.wahlrecht. de/umfragen/landtage/berlin.htm.

10https://interaktiv.waz.de/rechte-demos/.

11S. dazu: Simon Teune: Rechtsradikale Zivilgesellschaft – contradictio in adiecto? In: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, 4/2008, S. 17-22.

12Vgl. https://durchgezaehlt.org/pegida-dresden-statistik/.

13Vgl. für eine auch geografische Übersicht der Verteilung: https://www.rechtesland.de/.

14S. dazu Klaus Dörre: In der Warteschlange. Rassismus, völkischer Populismus und die Arbeiterfrage. In: Karina Becker/Klaus Dörre/Peter Reif-Spirek (Hrsg.), Arbeiterbewegung von rechts? Ungleichheit, Verteilungskämpfe, populistische Revolte, Frankfurt/New York 2018, S. 70.

15https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/…/180627_erklaerung.pdf.

16ttps://protestinstitut.eu/protestbefragungen-in-diversen-gesellschaften.

17https://www.aufstehen-gegen-rassismus.de/kampagne/aufruf/.

18www.welcome-united.org.

19http://gemeinsam-fuer-menschenrechte-und-demokratie.de/wp-content/uploads/Aufruf-jetzt-gilts.pdf.

20www.unteilbar.org; vgl. die Beiträge in diesem Heft zum „Dossier #unteilbar“.

21https://www.ende-gelaende.org/de/

22https://fridaysforfuture.de/.

23https://www.sexuelle-selbstbestimmung.de/.

24Vgl. attac (Hrsg.), Die Gipfelproteste in Hamburg. Global gerecht statt G20! Frankfurt/M. 2017. S. a. Ulrich Baron, „Riot“? Publikationen zum Protest gegen den Hamburger G20-Gipfel, in: Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, H. 9/2018, S.71ff.; Peter Ullrich u.a., Eskalation: Dynamiken der Gewalt im Kontext der G20-Proteste in Hamburg 2017, Berlin/Hamburg 2018.

25So z.B. Edgar Grande, Zivilgesellschaft, politischer Konflikt und soziale Bewegungen. In: Forschungsjournal Soziale Bewegungen, 1-2/2018, S. 52-60, hier S. 53 und 54.

26Karl Marx, Ein Londoner Arbeitermeeting, in: MEW 15, S. 454. Hier schreibt Marx zum ersten Mal über „außerparlamentarische Bewegungen“. Etwa eine Million Arbeiter und ihre Familien waren 1862 in England durch den ausfallenden Import von Baumwolle aus den Südstaaten der USA infolge des Bürgerkriegs betroffen – den sog. „Cotton Famine“. Die englische Bourgeoisie wollte zugunsten der sklavenhaltenden Südstaaten intervenieren und versuchte – vergeblich –, die englischen Arbeiter dazu mittels der Presse aufzustacheln. Marx berichtet über ein Londoner „Arbeitermeeting“, in dem Solidarität mit der Sklavenemanzipation ausgedrückt und jede Intervention zurückgewiesen wird. Vgl. A. L. Morton, A People’s History of England, London 1945, S. 402ff., sowie: Sven Beckert, King Cotton, München 2014, S. 234ff.

27Denn „die Massen … zu gebrauchen, … ihren Zorn zu entflammen“ gehört zu deren klassischer Strategie, wie aktuell die Demagogie in der Auseinandersetzung um Dieselabgase, Umweltgrenzwerte etc. zeigt. Siehe Verkehrsminister Scheuer und seine 100 Lungenfachärzte, die sich in der „Bild“-Zeitung austoben dürfen. „Die Regierung“, heißt es bei Marx, „lauert auf den Interventionsschrei von unten.“


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