Waffenstillstand statt Waffenlieferungen – Glaubwürdig für Menschenrechte und Völkerrecht eintreten

Gaza - Bild Hosny Salah

Vor wenigen Wochen beendete der israelische Premierminister Netanjahu den ohnehin schon brüchigen Waffenstillstand im Gazastreifen. Bereits während der Waffenruhe wurden 150 Palästinenser durch israelische Angriffe getötet; seit dem Ende des Waffenstillstands sind Tausende weitere Todesopfer hinzugekommen.

Die israelischen Angriffe gefährden nicht nur das Leben aller Palästinenser in Gaza, sondern auch das Leben der 59 israelischen Geiseln, die im Zuge des Waffenstillstandsplans nun schon in Freiheit gewesen wären. Die Hoffnung auf ihre Freilassung sowie auf ein Ende der israelischen Bombardierungen schwindet mit jedem Tag der Angriffe und der Verhinderung eines Waffenstillstandsabkommens durch Netanjahu. Noch länger als die Bombardierungen dauert die israelische Blockade Gazas an: Seit dem 2. März blockiert Israels Armee jegliche Lebensmittellieferungen nach Gaza. Ihre Folgen sind noch gravierender und bedrohen unzählige weitere Leben.

Die neuesten Zahlen verdeutlichen das Ausmaß der humanitären Katastrophe: Nach Angaben des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) werden derzeit 3.600 Kinder aufgrund schwerer Unterernährung behandelt – eine Steigerung um 80 Prozent gegenüber dem Vormonat. Noch gravierender ist die Warnung von UNICEF, dass alle 335.000 Kinder unter fünf Jahren in Gaza vom Tod durch akute Unterernährung bedroht sind. Insgesamt leben 96 Prozent der Bevölkerung inzwischen in akuter Ernährungsunsicherheit. Durch die seit dem 2. März andauernde Blockade Israels für jegliche humanitäre Hilfslieferungen sah sich das UN-Welternährungsprogramm (WFP) nun gezwungen zu verkünden, dass seine Vorräte endgültig aufgebraucht sind und die Suppenküchen in Gaza geschlossen werden müssen.

Die Entscheidung Netanjahus, den Waffenstillstand aufzukündigen und Gaza auszuhungern, fällt nicht zufällig mit dem Regierungswechsel in den USA zusammen. Die neue Trump-Regierung steht bedingungslos hinter Netanjahus ultrarechter Koalition. Anstatt Friedensgespräche zu fördern, liefert Washington nun hochmoderne Waffensysteme, darunter 2.000-Pfund-Bomben, die ganze Häuserblocks in Schutt und Asche legen.

Deutschland und die Europäische Union stehen vor einer entscheidenden Frage: Wollen sie weiterhin lediglich Appelle für einen Waffenstillstand formulieren oder ihre Verpflichtung gegenüber dem Völkerrecht mit Taten untermauern? Ein sofortiges Ende der militärischen und politischen Unterstützung für Netanjahus Regierung ist dringend geboten.

Dieser Schritt wäre nicht nur ein Akt der Solidarität mit der palästinensischen Zivilbevölkerung, sondern könnte auch den Druck auf die israelische Regierung erhöhen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Er wäre darüber hinaus ein klares Signal gegen Donald Trumps Fantasien einer ethnischen Säuberung Gazas und für die Einhaltung des Völkerrechts. Auch in Israel wächst der Widerstand gegen den Kurs der Regierung und die menschenverachtenden Vorstellungen Donald Trumps. Das „Hostage Families Forum“, ein Zusammenschluss der Angehörigen israelischer Geiseln, äußerte sich entsetzt:

Die größte Befürchtung der Familien, der Geiseln und der Bürger Israels ist wahr geworden. Die israelische Regierung hat beschlossen, die Geiseln aufzugeben. Wir sind schockiert, wütend und verängstigt über die absichtliche Unterbrechung des Prozesses zur Rückführung unserer Angehörigen.

Die Gewalt der Hamas am 7. Oktober 2023 stellt für die israelische Bevölkerung ein kollektives Trauma dar. Ebenso stellt die israelische Zerstörung Gazas, die mit mehr als 60.000 getöteten Palästinensern einherging, ein Trauma für die palästinensische Bevölkerung dar. Eine Fortsetzung der Gewalt wird diesen Konflikt nicht befrieden und die Traumata nicht lindern.

Angesichts dieser dramatischen Eskalation muss sich auch die kommende Bundesregierung klar positionieren: Steht sie an der Seite dieser israelischen Regierung, die auf Krieg, Besatzung und Landnahme setzt – oder auf der Seite der Menschenrechte, der palästinensischen Zivilbevölkerung und der Hunderttausenden Israelis, die seit Monaten für einen dauerhaften Frieden demonstrieren? Die Antwort ist aus unserer Sicht eindeutig: der konsequente Einsatz für Menschenrechte.

Wer Frieden und Sicherheit für Israelis und Palästinenser wirklich will, muss jetzt handeln. Das bedeutet nicht nur, Netanjahu rhetorisch unter Druck zu setzen, sondern konkrete Schritte zu ergreifen: Der erste Schritt wäre das sofortige Ende aller Waffenlieferungen an Israel, um die eskalierende Gewalt nicht auch noch zu unterstützen. Der zweite wäre die Übernahme einer aktiven Rolle bei den Waffenstillstandsverhandlungen und die Forderung nach der Freilassung der Geiseln sowie einem Ende der israelischen Gewalt in Gaza und im Westjordanland. Der dritte Schritt wäre, in Abstimmung mit Frankreich, die Anerkennung Palästinas als Staat voranzutreiben und damit effektiven Schutz vor dem immer massiveren Siedlungsbau und der Besatzung, die von israelischen Siedlern mithilfe der rechtsradikalen Kräfte in der Regierung vorangetrieben wird, zu gewährleisten. Selbstverständlich ist, dass die neue Bundesregierung das Grundgesetz achtet und die Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs umsetzt.

Nur wenn diese Maßnahmen konsequent umgesetzt werden, kann Deutschland dazu beitragen, dass es eine echte Perspektive für Frieden im Nahen Osten gibt.

Nicole Gohlke, Bundestagsabgeordnete, Die Linke
Kassem Taher Saleh, Bundestagsabgeordneter, Bündnis 90/Die Grünen
Isabel Cademartori, Bundestagsabgeordnete, SPD
Jules El-Khatib, Deutsch-Palästinenser und Hochschuldozent
Nimrod Flaschenberg, Mitglied der Israelis für Frieden in Berlin

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3 Antworten

  1. danke für eure Aktion! Wir wissen , dass der Druck auf die israelische Völkermordregierung vor allem von uns, von der Straße, aus den Unis, den Gewerkschaften und den Berufsvertretungen kommen muss .
    Weltweit! Wo bleiben die deutschen ÄrztInnen, SchriftstellerInnen, MedizinstudentInnen, ArbeiterInnen… Es ist noch ein langer Weg gegen die Komplizenschaft der deutschen Bundesregierung, die unbeeindruckt von den fast 60 000 Ermordeten zu sein scheint. Staatsräson muss für uns heißen , diesen Völkermord jede Minute anzuklagen, deutsche Komplizenschaft bloßzustellen – wir sind dafür in ständiger Aktion! Danke für eure Initiative und für GAZA, für Palästina HERAUS AUF DIE DEUTSCHEN STRAßEN ZUM 1. MAI!

  2. so lange, wie sich Wirtschaftsnationen einzig und alleine auf ihre Rüstungsproduktion konzentrieren, so lange wird es auf dieser Erde keinen Frieden geben.

    „Schwerter zu Pflugscharen“ sollte die Devise lauten.

    ( und für Diejenigen, die sich daran nicht erinnern mögen )

    auf Neudeutsch:
    „Panzerstahl zu Meerwasser-Entsalzungsanlagen“ , „Marschflugkörper zu Versorgungspipelines“ !

    Hierzu sollten sich die Macht-hungrigen Politiker, aber auch Profit-gierige Investoren und Aktionäre dieser Welt mal Gedanken machen. Noch bliebe Zeit es zu ändern.

    Wir ALLE könnten es so schön haben!

  3. Moin,
    ist das ein reiner Aufruf an die neue Koalition oder kann man das auch mit Unterschriften oder sonst irgendwie unterstützen?
    💪🍉❤️

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