Die Trump-Administration hatte es bereits angekündigt, vergangene Woche hat Washington es dann auch umgesetzt: das US-Finanzministerium verhängte Sanktionen gegen den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Karim Khan. Alle seine Vermögenswerte in den USA werden eingefroren, man untersagt ihm zudem die Einreise.
Khan steht jetzt auf der Liste der „Specially Designated Nationals and Blocked Persons“. Die Erklärung: er habe „unbegründete Haftbefehle gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und den ehemaligen Verteidigungsminister Joav Gallant“ erlassen. Der IStGH, so das Statement weiter, habe keine Gerichtsbarkeit über die USA oder Israel, da beide dem Römischen Statut nicht beigetreten und keine Mitglieder des IStGH seien. Bereits eine Woche zuvor hatte Trump eine Executive Order unterzeichnet, mit der er Sanktionen gegen den IStGH verhängte.
Am 21. November 2024 hat der IStGH Haftbefehle gegen Hamas-Kommandeur Mohammed Diab Ibrahim al-Masri (Mohammed Deif), dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen werden, sowie gegen Netanjahu und Gallant erlassen. Den beiden hochrangigen israelischen Politikern werden das Kriegsverbrechen des Einsatzes von Hunger als Kriegsmethode sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Es gebe hinreichende Gründe anzunehmen, dass Netanjahu und Gallant absichtlich und wissentlich der Zivilbevölkerung im Gazastreifen Güter vorenthalten haben, die für ihr Überleben unverzichtbar sind – darunter Nahrungsmittel, Wasser, Medikamente und medizinisches Material sowie Treibstoff und Strom. Die dadurch geschaffenen Lebensbedingungen seien geeignet gewesen, die Vernichtung eines Teils der Zivilbevölkerung in Gaza herbeizuführen. Israel sei seiner Verantwortung als Besatzungsmacht nicht nachgekommen, indem es der Bevölkerung die Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern vorenthalten habe. Es habe für die Zugangsbeschränkungen für humanitäre Hilfseinsätze weder einen eindeutigen militärischen Bedarf gegeben, noch sei eine andere Rechtfertigung nach dem humanitären Völkerrecht erkennbar. Appelle u.a. des UN-Sicherheitsrats seien ungehört geblieben
Die von Khan ebenfalls beantragten Anträge auf Haftbefehl gegen den getöteten Chef des Politbüros der Hamas, Ismail Haniyah, und seinen Nachfolger Yahya Sinwar hatte Khans Büro zurückgezogen, nachdem ausreichend Beweise für beider Tod vorlagen. Ebenfalls am 21. November wies die Vorverfahrenskammer, ungeachtet der Behauptung Netanjahus, das Gericht sei „antisemitisch“, die Einwände des Staates Israel gegen seine Zuständigkeit zurück. Israel hatte in zwei Anträgen u.a. in Frage gestellt, dass der IStGH für die Situation im Staat Palästina und für die Strafverfolgung israelischer Staatsangehöriger zuständig ist. Die Kammer stellte fest, eine Anerkennung des Gerichtshofs durch Israel sei nicht erforderlich, da dieser aufgrund der territorialen Zuständigkeit (für Palästina) aktiv werden könne.
Merz will Haftbefehl nicht umsetzen
„Unter meiner Führung wird der israelische Ministerpräsident unbehelligt nach Deutschland reisen können“, erklärte der wahrscheinliche nächste Bundeskanzler Friedrich Merz Mitte Februar gegenüber der Zeitung „Jüdische Allgemeine“. Er werde Mittel und Wege finden, dies zu ermöglichen. Israel sei „die einzige Demokratie im Nahen und Mittleren Osten“. Es sei „unvorstellbar, dass ein Repräsentant dieses Staates nun ausgerechnet wegen einer Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs nicht mehr in die Staaten der Europäischen Union einreisen können soll.“ Im November, als die Haftbefehle ausgestellt wurden, wand sich bereits die amtierende Bundesregierung unter Olaf Scholz um eine klare Position. Man unterstütze den IStGH, habe aber auch „einzigartige Beziehungen“ zu Israel. Erst wenn ein Aufenthalt von Netanjahu und Gallant „absehbar“ sei, werde man eine „gewissenhafte“ Prüfung vornehmen. Am 11. Februar haben alle im Bundestag vertretenen Parteien von der AfD bis zur LINKEN eine vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) beantragte Gedenkminute für die Opfer des Gazakriegs abgelehnt. Auch die Abstimmung über einen Antrag des BSW, die Waffenlieferungen nach Israel zu stoppen, wurde von allen anderen verhindert. Und die Trump-Administration? Sie will den Gazastreifen ethnisch säubern und dort eine „Riviera des Nahen Ostens“ errichten. Kritik an Israels Kriegsverbrechen? Fehlanzeige!
Bundesregierung hat mit Waffenexporten Kriegsverbrechen befeuert
62.000 Palästinenserinnen und Palästinenser haben im Gazakrieg bereits ihr Leben verloren, 80 Prozent davon wurden in Wohnhäusern getötet. Bezieht man die Verhungerten und wegen der fehlenden medizinischen Versorgung Gestorbenen mit ein, liegt die Zahl noch deutlich höher. 70 Prozent der nachgewiesenen Opfer sind nach Angaben der Vereinten Nationen Frauen und Kinder, die meisten Toten waren zwischen fünf und neun Jahre alt. Weitere 110.000 Menschen wurden verletzt. Über ein Viertel davon hat lebensverändernde Verletzungen wie Amputationen, schwere Verbrennungen und Kopfverletzungen davongetragen. Weite Teile des Gazastreifens wurden von israelischen Bomben dem Erdboden gleichgemacht, ganze Stadtviertel sind unbewohnbar. Neun von zehn Häusern wurden zerstört, 40 Millionen Tonnen Schutt müssten vor einem Wiederaufbau geräumt werden. Die Sprengfallen und nicht explodierten Bomben zu räumen, könnte laut einem hochrangigen UN-Minenräumbeamten über ein Jahrzehnt dauern. 660.000 Kinder haben seit mehr als einem Jahr keinen Zugang zu Schulbildung, mit 534 von 564 sind fast alle Schulgebäude beschädigt oder zerstört.
Die Bundesregierung hat diesen Krieg, in dem die israelische Armee schwerste Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen begangen hat, durch ihre Rüstungsexporte mit befeuert. Gleiches gilt – in noch weit größerem Ausmaß – für die USA unter Biden.
Die Bundesregierung müsste nicht nur unzweideutig erklären, die Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant umzusetzen, sie gehört zweifellos selbst auf die Anklagebank, was dank der Klage Nicaraguas vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) auch bereits der Fall ist.