Melanie Schweizer bezeichnet den Krieg gegen die Zivilbevölkerung in Gaza als Genozid und Israels Vorgehen in den besetzten palästinensischen Gebieten als Apartheid. Nach einer Hetzkampagne aus dem Hause Springer wurde sie dafür aus ihrem Job im Arbeitsministerium entlassen. Im Interview spricht sie über ihre Entlassung, den Einfluss rechter Medien, den autoritären Staatsumbau und warum wir uns gegen diese staatlichen Angriffe auf grundlegendste Freiheiten jetzt wehren müssen.
etos.media: Nach scharfer Kritik an der israelischen Regierung wurdest du kürzlich aus deiner Position als Referentin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) entlassen. Kannst du uns zunächst bitte einen Überblick über die Affäre geben?
Melanie Schweizer: Am 12. Dezember veröffentlichte die BILD-Zeitung einen Artikel über mich mit schwerwiegenden Vorwürfen. Ich wurde als „antisemitisch“ und „Israel-Hasserin“ diffamiert, weil ich mich in sozialen Medien kritisch zur israelischen Politik und dem Völkermord in Palästina geäußert hatte. Ich habe zudem die Einhaltung des internationalen Rechts gefordert und geäußert, dass Deutschland Beihilfe zum Völkermord leistet.
Diese Äußerungen erfolgten nicht nur im Rahmen meiner persönlichen Meinungsfreiheit, sondern auch in meiner politischen Tätigkeit für die Partei MERA25, für die ich die Spitzenkandidatin für Berlin-Mitte für die Bundestagswahl war und die sich ebenfalls klar gegen den Völkermord und die Apartheid Israels in Palästina positioniert.
Kurz nach dem BILD-Artikel ging dann alles sehr schnell: Ich wurde zu einem Personalgespräch eingeladen, Anfang Januar suspendiert und schließlich am 28. Februar, kurz nach den Wahlen, entlassen.
etos.media: Auf welcher rechtlichen Grundlage wurde deine Entlassung vollzogen, und wie hat das BMAS diese Entscheidung kommuniziert?
Melanie Schweizer: Das Ministerium führte im Wesentlichen die folgenden Gründe für meine Entlassung an: Die Verletzung des Mäßigungsgebots durch meine öffentlichen Äußerungen, ein Verstoß gegen die Neutralitäts- und Loyalitätspflicht gegenüber dem Arbeitgeber, sowie einer Wohlverhaltenspflicht, und das Tragen politischer Symbole – konkret wurde das Tragen von Wassermelonen-Ohrringen auf einer Dienstreise kritisiert. Ein weiterer Vorwurf bezog sich auf eine E-Mail, die ich im Oktober 2024 geschrieben hatte. Es handelte sich dabei um ein Missverständnis meinerseits, das schnell aufgeklärt wurde und keinerlei dienstrechtliche Konsequenzen hatte. Trotzdem wird dieser Vorfall in meiner Entlassungsbegründung aufgeführt.
Meine Äußerungen zu Israel sind meiner Auffassung nach durch mein Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Ich bin mir des Mäßigungsgebots bewusst und habe mich vorab umfassend darüber informiert, was im Rahmen dieses Gebots zulässig ist. Das Mäßigungsgebot muss immer in Bezug zur Realität betrachtet werden. Dass die Realität so radikal und grausam ist, ist ja nicht mein Verschulden. Wenn Israel vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Völkermords angeklagt ist, ist das eine Tatsache. Und wenn ich der Meinung bin, dass dieser Vorwurf zutrifft, dann ist das eine durch die Meinungsfreiheit geschützte Äußerung.
etos.media: Du nanntest die „Verletzung der Loyalitätspflicht“. Was genau wurde dir hier vorgeworfen?
Melanie Schweizer: Das BMAS behauptet, ich hätte in einem Interview mit Democracy Now! fälschlicherweise behauptet, ich wüsste nicht, warum ich suspendiert wurde. Sie argumentieren, dass mir die Gründe bekannt gewesen seien und ich den Dienstherrn absichtlich in schlechtem Licht dargestellt hätte. Doch die Gründe, die mir zunächst im Ankündigungsschreiben genannt wurden – darunter die besagte E-Mail, das Tragen nicht spezifizierter politischer Symbole sowie die Unterzeichnung eines offenen Briefes und das Nichtabstreiten meiner BMAS-Zugehörigkeit, nachdem eine Privatperson dies nach gezielter Recherche herausgefunden und auf X verbreitet hatte – konnten für mich auf keinen Fall eine sofortige Suspendierung rechtfertigen. Es gab bis dahin keinerlei disziplinarische Konsequenzen oder Ermahnungen. Daher war mir tatsächlich unklar, warum ich suspendiert wurde.
Ich vermute, dass die Kampagne der BILD-Zeitung ausschlaggebend war. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich die deutsche Politik gegenüber Israels Völkermord als völkerrechtswidrig ansehe und das war bis zu dem BILD-Artikel kein Problem. Dass die BILD in dieser Weise eine Hetzkampagne führt und dass das Ministerium daraufhin einfach ihre Vorwürfe übernimmt, ohne mich auch nur anzuhören, deutet für mich auf eine Verletzung der Fürsorgepflicht meines ehemaligen Dienstherrn hin. Denn auch er hat die Pflicht, mich in Schutz zu nehmen und darf mich nicht den Hunden zum Fraß vorwerfen.
etos.media: Auch der Arbeitgeber hat eine Schutz- und Fürsorgepflicht dir gegenüber.
Melanie Schweizer: Genau, und die hat er verletzt, indem er die verleumderischen Aussagen einfach übernommen hat und in diese Diffamierung mit eingestiegen ist. Man dulde keinen Antisemitismus in unserem Haus, hieß es, was natürlich insinuiert, dass ich antisemitisch bin.
etos.media: Die Berichterstattung der BILD-Zeitung war also der Auslöser für deine Entlassung. Welche politische und mediale Macht hat dieses rechte Blatt in Deutschland?
Melanie Schweizer: Wir sehen es aktuell sehr eindrücklich, welche erhebliche Macht dieses Blatt hat. Mit ihren regelmäßig erfolgreichen Hetzkampagnen hat die Bild einen enormen Einfluss auf unser aller Leben. Nach der Kampagne gegen die Hochschullehrer*innen wurde im Bildungsministerium geprüft, ob man sie strafrechtlich verfolgen und ob ihnen die Finanzierung gekürzt oder sogar gestrichen werden kann. Dem linken, migrantischen Kulturhaus Oyoun in Berlin-Neukölln wurde nach einer dieser Kampagnen der Stecker gezogen. Auch wurde der Palästina-Kongress durch Bild-Hetze verhindert – und das auf rechtswidrige Weise.
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Das passiert ständig, und ich kann nicht verstehen, wie sich Politiker, die auch nur einen Funken Anstand haben, von solchen Demagogen vor den Karren spannen lassen. Gerade jetzt, in Zeiten des Rechtsrucks in Europa und der zunehmenden Rechtsradikalisierung der Gesellschaft, muss man sagen: Straftaten von Rechten nehmen stetig zu. Die AfD verzeichnet über alle Breiten hinweg Gewinne – und es ist ja nicht so, als würde die Strategie aufgehen, dass man mit solchen Anbiederungen Wähler zurück in die „demokratische Mitte“ holen könnte. Im Gegenteil: Die Leute wählen das rechtsextreme Original.
etos.media: Deine beanstandeten Äußerungen decken sich mit den Einschätzungen zahlreicher internationaler NGOs, Menschenrechtsorganisationen und auch internationaler Gerichte. Gleichzeitig äußerte sich jüngst Felix Klein, der als Antisemitismus-Beauftragter der Bundesregierung innerhalb der Ministerialstrukturen denselben Status hat wie du bis vor Kurzem – wenn ich das richtig sehe.
Melanie Schweizer: Ja, genau.
etos.media: Und kürzlich hat der sich positiv zu den zweifellos völkerrechtswidrigen Plänen des US-Präsidenten geäußert, den Gazastreifen vollständig ethnisch zu säubern. Kannst du bitte Kleins Fall mit deinem ins Verhältnis setzen?
Melanie Schweizer: Das zeigt, dass dieser Staat Komplize eines Völkermords ist. Offensichtlicher könnte das doch kaum sein. Meine Äußerungen, wie du gesagt hast, sind durch zahlreiche renommierte Organisationen gedeckt – nicht nur durch NGOs und Gerichte, sondern auch durch Genozid- und Holocaustforscher, darunter Amos Goldberg aus Israel. Trotzdem wird so getan, als seien meine Äußerungen etwas Unsagbares, etwas Verbotenes. Gleichzeitig ist es vollkommen in Ordnung, sich öffentlich für Völkerrechtsverbrechen auszusprechen. Das zeigt, in welchem maroden Zustand sich dieser Staat befindet. Und bei mir reagieren sie mit drakonischen Strafen, obwohl es ja andere Möglichkeiten gegeben hätte. Man hätte meine Probezeit verlängern oder ein Disziplinarverfahren einleiten können. Doch stattdessen wurde sofort und völlig unverhältnismäßig mein Beamtenverhältnis beendet.
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Man sieht das auch an anderen Beispielen: In dem Zeitraum, in dem ich suspendiert wurde, wurde ein Beamter in Bayern, der selbst zugegeben hat, eine Bekannte vergewaltigt zu haben, zu elf Monaten auf Bewährung verurteilt. Nicht zu einem Jahr – denn das hätte dazu geführt, dass er seinen Beamtenstatus verliert. Klar, das war eine Gerichtsentscheidung, aber auch hier zeigt sich die Prioritätensetzung: Ich verliere meinen Beamtenstatus, weil ich mich für unsere Verfassung und für internationales Recht einsetze – und dafür werde ich bestraft. Währenddessen begehen andere Verbrechen, und diese werden sowohl moralisch als auch rechtlich anders bewertet. Das ist erschreckend für uns als Gesellschaft.
etos.media: Ende März findet in Israel die „International Conference on Combating Antisemitism“ statt, die einfach ein großes Treffen weltweiter Rechtsextremer wie Netanyahu, Milei, Molan, Bolsonaro ist. Hast du das mitbekommen?
Melanie Schweizer: Ja, das habe ich auch gelesen.
etos.media: Felix Klein sollte als Speaker auftreten, hat seine Teilnahme dann aber zurückgezogen, als ihm klar wurde, dass er sich dort mit offenen Faschisten die Bühne teilen würde.
Melanie Schweizer: Ja, aber Armin Laschet ist, glaube ich, noch dabei?
etos.media: Soweit ich weiß, ist er noch am Start. Glaubst du, dass Klein irgendwann seinen Beamtenstatus verlieren wird, wenn man sich anschaut, was für extremistische Positionen er teilweise vertritt?
Melanie Schweizer: Nein, das glaube ich nicht. Die Entwicklung wird eher noch schlimmer und autoritärer. Wir befinden uns in einem autoritären Wandel, und das passt natürlich ins Bild. Es ist auch naiv zu denken, dass uns das, was sie den Palästinensern antun, nichts angeht. Dort herrscht seit Jahrzehnten ein Unrechtsstaat – und mit der aktuellen Eskalation und der offenen Gewaltorgie hat das natürlich auch Auswirkungen auf unser eigenes System. Man kann nicht im Ausland ein faschistisches, rechtsradikales Regime unterstützen und glauben, dass das keine Konsequenzen für die eigene Gesellschaft hat. Denn diese Dehumanisierung kennt keine Ländergrenzen. Wir sehen doch, dass Muslime in Deutschland immer stärker zur Zielscheibe werden. Sie wurden es vorher schon, aber jetzt umso mehr. Rechte regen sich darüber auf, dass Ramadan gefeiert wird oder dass in Köln oder Frankfurt dafür eine Beleuchtung aufgestellt wurde.
Ich frage mich: Was ist eigentlich das Rational dahinter? Es macht keinen Sinn – auch volkswirtschaftlich nicht. Deutschland braucht jährlich rund 400.000 Fachkräfte, damit die Wirtschaft nicht stagniert und die Sozialsysteme stabil bleiben. Aber anstatt das zu verstehen, fährt die Politik eine völlig absurde Linie á la FDP: „die Guten ins Töpfchen und die Schlechten ins Kröpfchen.“ Die Partei plakatiert dann Slogans wie „Auch guter Wille muss Grenzen setzen“ – als wäre es ein Akt der Gnade, Migranten aufzunehmen. Dabei wird aktiv im Ausland dafür geworben, dass Fachkräfte nach Deutschland kommen. Hier schließen Restaurants, weil sie keine Mitarbeiter mehr finden, und gleichzeitig werden Migranten verteufelt.
etos.media: Deine Entlassung könnte als Präzedenzfall für den Umgang mit Palästina-solidarischen Stimmen in Deutschland betrachtet werden. Wie steht es in der BRD um die politische Meinungsfreiheit?
Melanie Schweizer: Wir erleben eine autoritäre Entwicklung, die sich nicht „nur“ in Sachen Migration, sondern besonders auch im Umgang des Staates mit grundlegenden Freiheiten wie eben der Meinungsfreiheit manifestiert. All diese verschiedenen Repressionen müssen zusammengedacht werden. Ein weiteres Beispiel: In Berlin wurde gerade die Beauftragte für Tierschutz von Oberbürgermeister Kai Wegner freigestellt, weil sie seine Verwaltung für deren massive Budgetkürzungen kritisiert hatte. Meinungen dürfen nicht mehr abweichen: Wer im politischen Apparat arbeitet, muss auf Linie sein. Abweichende Meinungen werden nicht mehr toleriert.
Dabei betont das Bundesverfassungsgericht immer wieder, dass Meinungsfreiheit ein konstituierendes Merkmal der Demokratie ist. Wenn wir es nicht einmal mehr schaffen, unterschiedliche Meinungen zu tolerieren, dann ist das eine echte Bedrohung für unsere Demokratie.
etos.media: Lass uns auf den von dir angesprochenen autoritären Staatsumbau kurz die Vogelperspektive einnehmen. Im Februar war die UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese für ein paar Tage in Berlin – und wurde auf Schritt und Tritt von der Polizei verfolgt. Ein hochkarätiges Event mit ihr, organisiert von MERA25, wurde gecancelt und kurzfristig in die Maigalerie der Zeitung junge Welt verlegt. Wie hängt dieser Skandal in Hinsicht auf den Charakter des Staatsräson-Deutschlands mit Deinem Fall zusammen?
Melanie Schweizer: Das gehört natürlich alles zusammen. Bei Francesca Albanese zeigen sich mehrere Dinge. Zum einen die klare Einschränkung der Meinungsfreiheit und die massive Überwachung – dass die Veranstaltung überhaupt stattfinden konnte, war ein reiner Kraftakt. Möglich war das nur, weil man von Anfang an mehrere Alternativen eingeplant hatte und weil junge Welt als eine der letzten Bastionen für demokratische Freiheitsrechte, Pressefreiheit und Meinungsfreiheit eingesprungen ist. Und trotz aller Gegenwehr mussten wir es dennoch erdulden, dass das gesamte Event über fünf Polizeibeamte anwesend waren und alles mitverfolgten. Diese Polizeistaat-Allüren, diese ständige Überwachung – da kann man eigentlich nicht mehr von einer Demokratie sprechen. Und dann kommt noch hinzu: Francesca Albanese ist Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen. Dass sie in Deutschland so behandelt wird, zeigt, wie wenig Respekt die deutsche Politik vor internationalem Recht hat und wie sehr das Völkerrecht hierzulande bedroht wird.
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Das Ganze steht in direktem Zusammenhang mit der „Staatsräson“ – einem Begriff, der juristisch gar nicht existiert. Staatsräson taucht in keinem Gesetz und im Grundgesetz schon gar nicht auf. Es ist alarmierend, dass dieser Begriff immer wieder mantraartig wiederholt wird. Er wird als autoritäres Werkzeug benutzt, um internationales Recht und das Grundgesetz zu unterlaufen, um Menschen einzuschüchtern und sie auf Linie zu bringen. Und was besonders perfide ist: „Staatsräson“ ist ein Begriff, den wir eigentlich mit Monarchien und feudalen Herrschaftssystemen in Verbindung bringen, in denen keine Rechenschaftsplicht der Herrschenden existiert. Er hat in einer Demokratie nichts verloren. Denn in einer Demokratie gibt es ein zentrales Prinzip: den Rechtsstaat. Aber genau den untergräbt Deutschland zunehmend. Im Bundestag werden Resolutionen verabschiedet, die zwar rechtlich unverbindlich sind, aber trotzdem reale Auswirkungen haben. Sie sind Quasi-Gesetze durch die Hintertür.
etos.media: Es gab 2020 ein juristisches Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags zur BDS-Resolution 2019. Dort wurde klargestellt: Wäre diese Resolution ein Gesetz, wäre sie verfassungswidrig.
Melanie Schweizer: Genau! Und das ist das Perfide daran. Man macht es bewusst nicht als Gesetz, weil man genau weiß, dass es dann vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern würde. Aber so wird der Rechtsstaat ausgehöhlt – und zwar durch staatliche Akteure selbst. Unser Grundgesetz definiert Deutschland als wehrhafte Demokratie. Aber „wehrhaft“ bedeutet nicht nur, alle paar Jahre wählen zu gehen. Wehrhaft bedeutet, dass man sich aktiv wehrt, wenn Grundrechte verletzt werden.
etos.media: „Wehrhafte Demokratie“ wird heute nur noch auf Panzer und Kampfdrohnen bezogen …
Melanie Schweizer: Genau! Aber das hat nichts mit Demokratie zu tun – das ist dann eher eine Militärdiktatur. Ein weiterer Kern der Demokratie ist der Schutz von Minderheiten. Und das ist besonders schmerzhaft in den letzten zwei Jahren zu beobachten: Minderheiten werden in Deutschland nicht mehr geschützt, sondern zunehmend zur Zielscheibe.
etos.media: Jetzt wird im März Friedrich Merz zum neuen Kanzler der BRD. Er hat bereits den vom Internationalen Strafgerichtshof per Haftbefehl gesuchten Netanjahu eingeladen – Völkerrechtsbruch mit Ansage. Damit wird das Völkerrecht endgültig beerdigt.
Melanie Schweizer: Ja, genau, damit wird das internationale Recht zu Grabe getragen.
etos.media: Schau mal bitte in deine Glaskugel: Wie siehst du die politische Entwicklung unter Kanzler Merz? Was bedeutet diese offen rechte Kanzlerschaft für den autoritären Staatsumbau?
Melanie Schweizer: Ja, wir bewegen uns in Richtung einer autokratischen Staatsform – und sind in vielerlei Hinsicht bereits dort. Mir macht Angst, was unter Merz möglich sein wird. Wenn all das schon unter Scholz und den „Sozial“-Demokraten und Grünen machbar war – Parteien, die sich zumindest theoretisch noch auf demokratische Werte berufen –, dann kann man sich ausmalen, was unter einem CDU-Kanzler passiert. Das macht nicht sehr viel Hoffnung auf das, was kommt. Die CDU hat schon immer eine autoritäre Grundhaltung gehabt, und die AfD ist ja letztlich auch aus der CDU heraus entstanden. Und auch die Fremdenfeindlichkeit ist tief in der CDU und CSU verwurzelt.
Für Deutschland und Europa bedeutet das nichts Gutes. Die Regierungen setzen inzwischen fast ausschließlich auf Krieg, weil die Wirtschaft durch jahrelanges Missmanagement in die Krise geraten ist. Und wir wissen aus der Geschichte, dass wirtschaftliche Krisen Menschen empfänglicher für das Autoritäre und für diesen Führerkult machen. Die 1920er und 1930er Jahre sind das beste Beispiel. Jetzt ist die Zeit, in der sich die breite Masse wirklich bewegen muss. Es reicht nicht, alibimäßig zu einer Anti-AfD-Demo zu gehen. Wer wirklich gegen Rechts ist, muss für den Schutz von Minderheiten eintreten und für Muslime und Palästinenser*innen einstehen. Es kann nicht sein, dass Menschen hier nicht einmal Raum zum Trauern bekommen. Wir werden wohl sehen, was Merz anrichtet, wenn er erstmal der „König von Deutschland“ ist.
Es ist mir aber sehr wichtig, dass mein Fall nicht als Abschreckungsbeispiel dient, sondern als Motivation. Wer sich bisher nicht geäußert oder engagiert hat, sollte vielleicht genau jetzt den Moment nutzen. Denn ich bin nicht die Erste, der so etwas passiert – es gibt viele Menschen, die aus politischen oder weltanschaulichen Gründen aus ihren Jobs entfernt und dadurch wirtschaftlich massiv bedroht werden. Jetzt ist die Zeit, sich einzusetzen, sich zu wehren und klarzumachen: Das lassen wir uns nicht bieten.
Niemand muss meine Meinung teilen. Aber wenn wir in einer Demokratie leben wollen, bedeutet das, dass wir die Meinungsfreiheit schützen – jetzt ist der Moment, sich zu engagieren und für unsere Rechte zu kämpfen.
etos.media: Vielen Dank für das Gespräch.