Wehrpflicht gegen Russland

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Um die NATO-Vorgaben für ein größeres Heer zu erfüllen und die Militarisierung Deutschlands voranzutreiben, soll es zu einem Revival der Wehrpflicht kommen. Militärs wie Breuer, Wüstner und Masala trommeln für eine Aufrüstung, die auf einer fragwürdigen Bedrohungserzählung basiert, laut der Russland in wenigen Jahren NATO-Staaten angreifen würde. Die Bundesregierung folgt willig und die Medien verbreiten das Narrativ vom angeblich „wehrlosen Westen“, während es tatsächlich um geopolitische Machtspiele geht – mit der deutschen Bevölkerung als Manövriermasse.

Die nächste Bundesregierung wird die 2011 ausgesetzte Wehrpflicht wieder einsetzen beziehungsweise einen Wehrdienst in abgeänderter Form einführen, um die Forderungen der NATO nach einem deutlich größeren Personalkörper der Bundeswehr zu erfüllen. Abgesehen von rechtskonservativen Kreisen und denen der faschistoiden AfD war die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht über Jahre in Berlin kein ernsthaft diskutiertes Thema. Doch der Einfluss von Militärs, die medial hofiert werden und geopolitische Fragen ausschließlich militärisch denken und beantworten können, ist seit der Ausrufung der Zeitenwende deutlich angewachsen, sodass auch die Debatte um die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht wieder eine Option geworden ist.

Der medial omnipräsente Militarismus wird durch Militärs wie André Wüstner (Deutscher Bundeswehr Verband), Carlo Masala (Universität der Bundeswehr München) oder Carsten Breuer (Generalinspekteur der Bundeswehr) verkörpert, als sogenannte Experten werden diese regelmäßig in Talkshows zu geopolitischen Themen eingeladen und können so Einfluss im vorpolitischen Raum ausüben und den Diskurs entscheidend prägen. Das falsche Narrativ, die Bundeswehr und die NATO insgesamt seien gegenüber Russland ins Hintertreffen geraten, gehört zu deren einschlägigem Repertoire der Militärpropaganda, um im Inland Unterstützung für die Politik der Zeitenwende zu gewinnen. Auch die Erkenntnis, dass sich in Deutschland nach wie vor nur wenige für den Dienst an der Waffe begeistern lassen, ruft die genannten Bellizisten auf den Plan, die Kriegstrommel zu rühren und die deutsche Bevölkerung wieder auf die vielbeschworene Kriegstüchtigkeit zu trimmen.

Als kriegsvorbereitende Maßnahme erhofft sich der ranghöchste deutsche Soldat, Generalinspekteur Breuer, von der Wehrpflicht einen Aufwuchs, der die Bundeswehr „befähigt, mit mindestens 460.000 Soldatinnen und Soldaten zu kämpfen“. Damit geht der Generalinspekteur deutlich über die im Zwei-plus-Vier-Vertrag formulierte Obergrenze von 370.000 Soldatinnen und Soldaten hinaus, wobei diese Grenze der Personalstärke strittig bleibt. So haben die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags in einem Gutachten vom 6. Februar darauf verwiesen, dass sich diese Zahl nur auf aktive Soldaten beziehe.

Gemäß seiner Funktion obliegt dem Generalinspekteur die Verantwortung für die Planung, Vorbereitung und Führung von Einsätzen der Bundeswehr. Zur Vorbereitung muss jedoch der Glaube an die Bedrohung her. Und daher wird permanent die Behauptung aufstellt, dass ein russischer Angriff auf einen NATO-Staat spätestens im Jahr 2029 bevorstehe. Erstmals wurde diese Behauptung im März 2023 gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe mit einer vagen Aussage, Breuer sehe Russland in einem Zeitfenster von fünf bis acht Jahren befähigt, einen Krieg gegen Nato-Staaten führen zu können“, gezielt lanciert. Seither äußerte der Generalinspekteur diese Erzählung wiederholt in verschiedenen Medien.

Inzwischen kam es jedoch zu einer Veränderung des Wordings: Ausgehend von Analysen des Bundesnachrichtendienstes (BND) haben sich Carlo Masala, André Wüstner und Carsten Breuer wohl nicht zufällig auf das Jahr der kommenden Bundestagswahl – 2029 – geeinigt, in dem Russland vermeintlich angreifen soll. Carlo Masala ließ sich sogar zu der Aussage hinreißen, Russland bereite sich auf einen „großen Krieg“ vor. Der Generalinspekteur bleibt hingegen noch im Konjunktiv.

Die Beweislage für eine solche Annahme ist allerdings äußerst dünn. Eine Bedrohung durch einen angeblich bevorstehenden Angriff Russlands auf einen NATO-Staat leitet Breuer aus der gestiegenen russischen Kampfpanzerproduktion ab. Diese soll demnach auf 1.500 Stück pro Jahr angestiegen sein. Dem hält Breuer entgegen, dass die fünf größten NATO-Staaten nur über eine jährliche Produktion von 750 Kampfpanzern verfügen. Stand jetzt gibt es jedoch eine erdrückende militärische Überlegenheit der NATO-Staaten mit derzeit 11.495 Kampfpanzern gegenüber 5.750 auf russischer Seite. Diesen Fakt ignorieren Breuer & Co. geflissentlich. Auch die Forderung nach einem personellen Aufwuchs der Bundeswehr ist angesichts von derzeit 3,33 Millionen NATO-Soldaten, die 1,32 Millionen russischen Soldaten gegenüberstehen würden, unberechtigt – auch ohne eine Unterstützung der USA bleiben die europäischen NATO-Staaten personell klar überlegen. Noch deutlicher wird die Dominanz gegenüber Russland im Vergleich der Luftwaffenstreitkräfte mit einem Verhältnis von 22.377 zu 4.957.

Auch eine im November 2024 veröffentlichte Greenpeace-Studie über den Vergleich der militärischen Potenziale der NATO und Russlands kommt zu dem Ergebnis, dass es „keinen Zweifel an der allgemeinen militärischen Überlegenheit der Nato“ gibt. Weiter führen die Autorinnen und Autoren der Studie zu diesem Hintergrund aus: „Diese Überlegenheit ist kein Ergebnis von Maßnahmen, die infolge des völkerrechtswidrigen russischen Angriffs auf die Ukraine seitens der Nato-Staaten ergriffen wurden. Sie ist das Ergebnis einer mehrere Jahrzehnte langen Ausweitung und Modernisierung sowie der Ausrichtung der Nato auf Auslandseinsätze. Russland dagegen hat erst seit 2008 die Streitkräfte systematisch reformiert, wird aber diesen Vorsprung der NATO in absehbarer Zeit auch nicht aufholen können.“

Dass hierzulande dennoch das Bild gezeichnet wird, die Bundeswehr und die NATO stünden faktisch mit leeren Händen da und könnten Russland nichts entgegensetzen, ist eine Irreführung, um die Aufrüstung in Deutschland zu legitimieren. Dass dies zu einem neuen Wettrüsten mit Russland führt, ist ein Nebeneffekt. Die Intention der deutschen Aufrüstungspolitik ist die weitere ökonomische und politische Ausdehnung nach Osteuropa: 80 Jahre nach der Befreiung Deutschlands vom Faschismus ist die Feindbestimmung der Deutschen wieder nach Osten ausgerichtet. Dass Deutschland „nach 80 Jahren Zurückhaltung den Anspruch einer Führungsmacht“ haben soll, hat der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil bereits 2022 formuliert. Dieses Schreckensszenario scheint unter der kommenden schwarz-roten Regierung bis zum Jahr 2029 Realität zu werden.

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