VW-Tarifabschluss: Arbeitsplatzverluste und wackelige Zukunft

WV-Werk Mosel-Zwickau (Bild: André Karwath aka Aka, CC BY-SA 2.5, via Wikimedia Commons)

Im Tarifkonflikt bei VW haben sich Vertreter von Vorstand, IG Metall und Betriebsrat auf einen so genannten Kompromiss mit dem Titel „Zukunft Volkswagen“ geeinigt. Danach verzichtet VW auf Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen. Allerdings soll das Produktionsvolumen um 700.000 Fahrzeuge reduziert und bundesweit 35.000 Arbeitsplätze abgebaut werden. Das sind fast 30 Prozent aller Beschäftigten der VW-Kernmarke in Deutschland. Zwar soll der Abbau über natürliche Fluktuation und Sozialpläne ohne betriebsbedingte Kündigungen erfolgen. Auf den ersten Blick mag das vielleicht gut aussehen. Betrachtet man jedoch die Details des geplanten Umbaus in den Werken, erweisen sich die Einschnitte als äußerst kritisch.

Das Werk Osnabrück am Rande des Abgrunds

Besonders hart trifft es das Werk Osnabrück. Es beschäftigt derzeit 2.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und gilt als Spezialist für Kleinserien sowie als Kompetenzzentrum für „emotionale Fahrzeuge“ wie Cabriolets und Roadster. Bis 2027 wird das Werk noch das VW-Cabriolet T-Roc produzieren. Danach soll ein „Investor“ gesucht werden. Das bedeutet im Klartext die Schließung des Werks. Man erinnere sich nur an die Investorensuche von Opel Bochum 2014, Audi Brüssel 2024 oder Ford Saarlouis 2024. Jedes Mal wurde angeblich ein Investor gesucht – und in keinem Fall gefunden. Werksschließungen waren oder sind dann immer die Folge. Ähnlich dürfte es den Beschäftigten in Osnabrück ergehen, es sei denn, sie wehren sich massiv und es gelingt ihnen, die Politik so unter Druck zu setzen, dass eine sichere Produktionsalternative in Osnabrück greifbar wird.

Gläserne Manufaktur Dresden – wenig Hoffnung

Wenig Hoffnung gibt es auch für die sog. „Gläserne Manufaktur“ in Dresden, die bereits Ende 2025 geschlossen werden soll. Davon sind 340 Beschäftigte betroffen. Die Manufaktur sollte ein Werbeprojekt sein und „als Leuchtturm der Marke Volkswagen in Deutschland Kunden, Besuchern und Gästen ein ganzheitliches Erlebnis der ID. Familie“ bieten. Jetzt steht für die VW-Bosse die Profitrate im Mittelpunkt und für freundliche Familienwerbung ist offensichtlich kein Platz mehr.

Werk Zwickau – Auf der Abschussliste

Auch das VW-Werk in Zwickau mit derzeit rund 9.200 Beschäftigten geht schweren Zeiten entgegen. Bisher wurden in dem Werk nur vollelektrische Fahrzeuge wie der VW ID.3, ID.4 & ID.5, der Audi Q4 e-tron sowie Sportback e-tron und der Seat Cupra Born produziert. Der in Zwickau bisher gefertigte ID.3 und der Cupra Born müssen nun an VW Wolfsburg abgegeben werden. Und der ID.4 geht von Zwickau nach Emden. Damit bleibt ab 2027 im Werk Zwickau nur noch der Kompakt-SUV Q4-etron der VW-Tochter Audi. Ein Absturz, wenn man bedenkt, dass im Jahr 2023 in Zwickau noch 247.000 Fahrzeuge und 12.000 Luxuskarosserien produziert wurden. Die Produktion des Audi Q4 e-tron wird den Beschäftigungseffekt der verlagerten ID-Serie und des Cupra Born nicht einmal ansatzweise kompensieren können. So wurden im Jahr 2024 von Januar bis November gerade einmal 63.323 Audi Q4 e-tron in Europa neu zugelassen. Das sind auf das Jahr bezogen deutlich unter 70.000 Einheiten. Wie damit über 9.000 Beschäftigte in Zwickau ausreichend Arbeit finden sollen, steht in den Sternen. Das ginge nur, wenn die Elektromobilität ganz schnell hochfährt. Ein derartiges Wunder darf man aber zumindest bis 2027 getrost ausschließen. Auch eine angeblich geplante Batterierecyclinganlage in Zwickau dürfte kein Game Changer werden. Dazu ist die Technologie des Batterierecyclings viel zu wenig ausgereift. All dies deutet darauf hin, dass die VW-Bosse das VW-Werk Zwickau de facto auf der Abschussliste haben, allen wohlklingenden Vereinbarungen zum Trotz.

Wolfsburg: Wackelige Zukunft

Auch in Wolfsburg sollen zwei der vier Montagelinien geschlossen werden. Die Zahl der Beschäftigten wird um 4000 reduziert. Und die Produktion des Verbrenner-Golf soll ab 2027 nach Mexiko verlagert werden. Immerhin bekommt das Werk den ID.3 und den Cupra Born aus Zwickau. In 2024 wurden vom ID.3 rund 54.000 in Europa neu zugelassen. Vom Cupra Born wurden in 2023 in Europa 45.000 Fahrzeuge in Zwickau produziert. Dazu soll ab 2029 der neue Elektro-Golf (Arbeitstitel ID.Golf) in Wolfsburg produziert werden. Ob dies aber den Verlust des alten Golf, von dem 2024 rund 100.000 Fahrzeuge in Deutschland neu zugelassen wurden, kompensieren kann, ist unklar. Es hängt davon ab, wie sich die Elektromobilität in den nächsten drei Jahren entwickelt. Es könnte kritisch werden, da VW bisher vornehmlich überdimensionierte und teure Karossen im Programm hat. Der Wettbewerbsdruck ist gewachsen und im Vergleich dazu gibt es zahlreiche Konkurrenten, die im Bereich Elektromobilität die Nase vorn haben.

Sieg nach Punkten für Oliver Blume

Bewertet man das Ergebnis des sogenannten Tarifkompromisses bei VW realistisch, so handelt es sich um einen Punktsieg für die VW-Bosse um Oliver Blume. Ziel war es, die Gewinnmarge auf 6,5 Prozent zu erhöhen. Im Interesse der Aktionäre aus der Porsche-Piech-Familie und der Ölmagnaten aus Katar. Der so genannte Tarifkompromiss geht genau diesen Weg. Die Beschäftigten sollen dafür mit Lohn- und Arbeitsplatzverlusten bezahlen. Zudem dürften die VW-Beschäftigten in den kommenden Jahren von den VW-Abteilungsleitern bedrängt werden, die Werke „freiwillig“ gegen eine Abfindung zu verlassen. Das ist eine Situation, die die KollegInnen bei Opel Rüsselsheim nach der Übernahme durch Stellantis drastisch erfahren haben. Das Ergebnis war ein Gefühl überflüssig zu sein, Zukunftsangst, Frustration und Wut. Bei VW dürfte es bei einer 30-prozentigen Belegschaftsreduktion nicht viel anders verlaufen. Wenn die Gewerkschaftsfeinde der AfD davon nicht profitieren sollen, müssen gewerkschaftliche und linke Kräfte dagegen greifbare Alternativen setzen.

Dazu kommt, dass der Tarifvertrag im Interesse der Bosse so zurecht geschneidert wurde, dass die verbleibenden Arbeitsplätze nur bei einem Hochlauf der Elektromobilität gesichert sind. Ob dies in diesem Ausmaß eintritt ist aber nicht sicher. Insbesondere Zwickau dürfte betroffen sein. Daher ist der Konflikt nur vertagt und könnte in spätestens drei Jahren wieder aufbrechen. Zwar gibt es eine Beschäftigungsgarantie bis 2030 – aber die kann auch wieder gekündigt werden. Das Ziel der VW-Bosse ist jedenfalls klar und sie dürften sich darauf vorbereiten und bereits Einsatzpläne schmieden. Aber auf welche Strategie sollen sich die Beschäftigten und die IG Metall einstellen? Was tun, wenn es in drei Jahren nicht mehr genug Arbeit in den VW-Werken gibt?

Jobs sichern durch Produktionsumstellung

Eine Antwort ist sicherlich eine deutliche Verkürzung der Arbeitszeit in den VW-Betrieben. Das wird die Jobs der Beschäftigten sichern. Aber das allein kann es in den besonders hart betroffenen Werken nicht sein. Es muss auch eine alternative Produktion entsprechend dem gesellschaftlichen Bedarf aufgebaut werden. Es ist besonders fatal, dass die IG Metall verpasst hat, eine derartige Alternative in das Abkommen zu schreiben. Tatsächlich gibt es aber bereits Vorschläge für eine Produktion von Eisen- und Straßenbahnen sowie von Elektrobussen in Teilen der VW-Werke. Die Zeit des 9-Euro-Tickets hat gezeigt, dass ein hoher gesellschaftlicher Bedarf existiert. Und ökologisch sinnvoll ist es allemal. Die deutsche Bahnindustrie ist aber so klein, dass sie bereits Schwierigkeiten hat, allein die Ersatzinvestitionen für die heutige Bahnstruktur zu stemmen. So liefert der Alstom-Konzern Züge teilweise mit jahrelanger Verspätung aus. Noch schlimmer sieht es bei der Straßenbahn aus, wo fast jede Bestellung deutlich zu spät kommt. Aus ökologischen Gründen ist es erforderlich, das deutschlandweite Eisenbahn- und Straßenbahnsystem mindestens wieder auf ein Niveau anzuheben, das es früher einmal gehabt hat. Dafür reichen aber die Produktionskapazitäten der Eisenbahnindustrie nicht nicht einmal ansatzweise aus. Um dies auszugleichen, könnten besonders betroffene Autowerke, wie Osnabrück und Zwickau, anfangen, Produktionslinien für die Herstellung von Eisenbahnen und Elektrobussen aufzubauen. Aber ist dies technisch und vom Know-How überhaupt möglich? Tatsächlich sind die Aufgaben sehr ähnlich, egal ob man Züge oder Autos baut. In beiden Fällen braucht man Kompetenzen in der Blechbearbeitung, in der Schweiß- und Montagetechnik sowie in der elektrischen Antriebs- und Steuerungstechnik. Autofabriken beherrschen all dies und können also auch Züge bauen. Nötig wäre allerdings eine gesellschaftliche Übernahme der Werke und eine Anschubfinanzierung. Ein Sonderfonds von 100 bis 200 Mrd. Euro könnte einen Beitrag zur Sicherung von Arbeitsplätzen und zum ökologischen Umbau des Mobilitätssystems leisten. Es gilt, diese Vorschläge in die VW-Belegschaft, die IG Metall und die Gesellschaft zu tragen und dafür zu kämpfen. Das ist der Weg, um Tausende Jobs insbesondere bei VW in Zwickau und Osnabrück aber auch bei Ford in Köln zu retten.

Ein Beitrag von Klaus Meier (Netzwerk-Ökosozialismus)

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Eine Antwort

  1. Mega schlecht recherchiert. Beschäftigungssicherung ist die 12/30 unkündbar.Was soll da in 3 Jahren gekündigt werden. Zwickau recycelt alle Karossen aus dem Konzern, auch Verbrenner. Das wird doch kein Batterie Recycling. Mitarbeiter sind es 2027 höchstens noch 7000 und die Bentley Karosserien sind unterschrieben bis 2033 incl Nachfolgemodelle.Der Artikel ist ehrlich nicht die Welt.

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