Defunding Friedens-NGOs: Steht Deutschland an der Seite der Israelis oder der israelischen Regierung?

By Leonhard Lenz - Own work, CC0, Link

Die Bundesregierung muss klarstellen, ob ihre Solidarität den israelischen Bürger*innen gilt oder der Regierung. Die jüngste Entscheidung, die Finanzierung für zwei israelische friedensorientierte NGOs einzustellen, deutet leider auf Letzteres hin.

Am 5. Januar berichtete die Deutsche Welle über die Entscheidung der Bundesregierung, die finanzielle Unterstützung für die israelischen NGOs New Profile und Zochrot einzustellen. Dies geschieht im Kontext der bereits eingestellten Finanzierung von sechs palästinensischen NGOs, die von Israel als terroristische Organisationen eingestuft wurden, obwohl die deutsche Regierung selbst die israelische Entscheidung für unbegründet hielt.

Sowohl New Profile als auch Zochrot sind ein fester Bestandteil der israelischen Zivilgesellschaft. Zochrot setzt sich für die Aufarbeitung der Nakba – die Vertreibung von mehr als 700.000 Palästinenser*innen im Zuge der israelischen Staatsgründung 1948 – und ihre Verankerung im kollektiven Gedächtnis ein. New Profile hingegen bietet Unterstützung für Israelis, die aus persönlichen, gesundheitlichen, psychischen sowie politischen und Gewissensgründen den obligatorischen Wehrdienst verweigern. Zudem macht die Organisation Bildungs- und Forschungsarbeit zum Thema Militarismus in der israelischen Gesellschaft.

Die Themen der Nakba sowie Militarismus gelten als höchst empfindlich in der israelischen Gesellschaft und werden daher kaum zur öffentlichen Diskussion gestellt. Darüber hinaus ist New Profile eine von nur drei Organisationen in Israel, bei der Wehrdienstverweiger*innen Unterstützung finden können, und sie ist die einzige, die alle Verweiger*innen unterstützt, unabhängig von deren Motiv. Das Arbeiten der beiden Organisation ist damit in Israel einzigartig und dementsprechend könnte die Einstellung der Finanzierung für das Weiterarbeiten schwere Folgen haben.

Angesichts des anhaltenden Kriegs und der zunehmenden Einschränkungen des öffentlichen Raums in Israel ist ihre Arbeit heute jedoch wichtiger denn je. Das bereits gespannte politische Klima hat sich seit dem 7. Oktober 2023 weiter verschärft. Die rechte Netanyahu-Regierung erschwert kritische Diskussionen massiv, und die Zivilgesellschaft gerät zunehmend unter Druck. Für Israelis, die heute im Krieg, in dessen Rahmen laut mehreren Berichten etwa der einschlägigen Menschenrechtsorganisationen schwere Kriegsverbrechen begangen werden, nicht teilnehmen wollen, gibt es keine andere Stelle für Unterstützung zur Dienstverweigerung.

In Deutschland wird häufig von der besonderen deutschen Verantwortung gegenüber Israel gesprochen. Angesichts der deutschen Geschichte ist das freilich unbestritten. Es stellt sich jedoch die Frage: Bezieht sich diese Verantwortung auf israelische Menschen oder auf die israelische Regierung? Denn wer Israelis unterstützt, muss auch die Israelis, die sich für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen und die angesichts der extrem rechten Regierung Zivilcourage zeigen, unterstützen. Wer hingegen die Finanzierung friedensorientierter NGOs einstellt, während sie dringliche Unterstützung benötigen, spielt den Vorhaben der israelischen Rechte zu, die Zivilgesellschaft zum Schweigen zu bringen.

Aus der Vergangenheit Deutschlands ergibt sich allerdings nicht nur eine besondere Verantwortung für jüdische Menschen, sondern auch für die Beachtung von Menschenrechten. Das im deutschen Grundgesetz verankerte Recht, nicht gegen sein Gewissen zum Wehrdienst gezwungen zu werden, gehört dazu. Indem Deutschland die Finanzierung einer Organisation wie New Profile einstellt, die sich genau für dieses Recht einsetzt, versagt Deutschland, seine Obligation zu erfüllen.

Will Deutschland sich für eine demokratische Zukunft einsetzen, in der Israelis und Palästinenser*innen auf dem Land in Frieden und Gerechtigkeit existieren, in der die Menschenrechte aller Menschen gewährleistet sind, so hat Deutschland Akteure wie die israelische Zivilgesellschaft zu stärken. Leider scheint es, dass sich Deutschland stattdessen fast bedingungslos hinter die israelische Regierung und deren Politik stellt – und damit gegen die Möglichkeit einer besseren, friedlicheren Zukunft. Es ist noch nicht zu spät für einen Kurswechsel.

Von Uri Binnun.

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