Während in Gaza tausende Menschen unter Trümmern begraben werden, während Krankenhäuser bombardiert, Schulen zerstört, Familien ausgelöscht werden fällt die sogenannte „Linke“ in Deutschland weitgehend aus. Schweigen, Relativierung, feige Distanzierungen. Auch unsere eigene Partei – Die Linke hat sich zu lange weggeduckt. Während weltweit Millionen für Palästina auf die Straße gehen, ringt man in unseren Reihen oft noch um die grundlegendste Form der Solidarität.
Aber so deutlich die Fehlentwicklungen in unserer Partei wie in der gesamtdeutschen Politik auch sind – genauso klar ist: Es gibt sie längst, die antiimperialistischen, internationalistischen und konsequent palästinasolidarischen Genoss*innen in der Partei. Vor allem im linken Flügel haben sich in den letzten Jahren Strukturen gebildet, die sich dem politischen Druck nicht beugen und die Solidarität mit Palästina kompromisslos hochhalten. Wir überlassen diese Partei weder den Reformern, noch dem antideutschen Flügel. Wir brauchen eine sozialistische Massenpartei – deswegen sind wir in die Partei eingetreten und bleiben.
Wer sich antiimperialistisch nennt, kann zu Palästina nicht neutral bleiben. Wer die Befreiung vom Kapitalismus fordert, muss auch die Befreiung Palästinas mitdenken. Und wer linke Politik machen will, muss endlich aufhören, sich dem Druck der deutschen Staatsräson – und um es deutlich zu sagen, damit auch der deutschen Presse[landschaft] – unterzuordnen.
Palästina als Prüfstein für antiimperialistische Glaubwürdigkeit
Der palästinensische Befreiungskampf ist kein Sonderfall. Er ist Teil eines globalen Kampfes gegen Kolonialismus, Rassismus und Besatzung. Die israelische Staatsdoktrin basiert auf ethnischer Säuberung (Nakba 1948), fortgesetzter Vertreibung, militärischer Apartheid und einer tiefen Verstrickung in imperiale Interessen – insbesondere die der USA, Großbritanniens und auch Deutschlands. All das sind Fakten. Wer diese ignoriert, blendet bewusst Geschichte und deren Folgen aus.
Israel ist kein neutrales Land – es rüstet Diktaturen auf, exportiert Überwachungstechnologie und profitiert von der Zerschlagung arabischer Gesellschaften. Wer das nicht benennt, macht sich zum Komplizen.
Die Verweigerungshaltung in unserer Partei
Die Linke hätte ein Ort sein können, in dem bedingungslose Solidarität mit unterdrückten Völkern Ausdruck findet. Stattdessen erleben wir, wie innerparteiliche Debatten um Palästina regelmäßig von zwei Lagern sabotiert werden:
Der reformerisch-realpolitische Flügel hat den Fokus auf Regierungsbeteiligung – und meint damit: möglichst unauffällig, möglichst staatsnah, möglichst neutral, möglichst angepasst zu sein. Aus Angst vor der Staatsräson und faktisch verzerrten Antisemitismusvorwürfen wird sich geduckt, werden die eigenen Genossinnen diffamiert und sogar ausgeschlossen, während Bomben auf Geflüchtetenlager fallen, während Menschen ausgehungert werden, während fast täglich Journalistinnen ihr Leben verlieren, während sie vor Ort berichten.
Die antideutsche Strömung in Teilen der Partei verkehrt Solidarität ins Gegenteil: Sie glorifiziert den israelischen Staat als „Schutzmacht gegen den Antisemitismus“, blendet dabei dessen reale, ultrarechte Politik völlig aus und verteufelt palästinensischen Widerstand pauschal als Terror.
Beide Positionen verraten den internationalistischen Anspruch der Partei – sie kneifen, wo klare Haltung nötig wäre. Das wollen wir anders machen.
Palästinasolidarität in der Partei
Es gibt palästinasolidarische Genossinnen in der Partei: Ein Beispiel dafür ist die Arbeit der LAG Palästinasolidarität DIE LINKE Berlin. Wir vernetzen uns, schreiben Positionspapiere, bringen Anträge ein, knüpfen Allianzen mit Bewegungen auf der Straße und bauen Räume für politische Bildung und Austausch. Unsere Solidarität ist nicht neu – aber sie wird heute sichtbarer und stärker als je zuvor. Wir gehen mit den Fahnen und Transparenten der Partei auf die Straße, um gegen die deutsche Beteiligung am Völkermord in Gaza zu protestieren. Wir sagen, was ist: Für Palästinenserinnen bedeutet der israelische Staat seit seiner Entstehung Massaker, ethnische Säuberung, militärische Besatzung und Entrechtung. Die Auflehnung gegen diesen Zustand, der Kampf von Palästinenser*innen und ihren fortschrittlichen Verbündeten in Palästina selbst, in Israel und den Nachbarländern für vollständige individuelle und nationale Gleichberechtigung und Demokratie ist gerechtfertigt – und verdient unsere uneingeschränkte Solidarität.
Unsere Veranstaltungen, Aktionen, Netzwerkarbeit und politische Bildungsarbeit sind Ausdruck dieser Haltung: Frieden und Gerechtigkeit müssen Hand in Hand gehen. Wir begreifen Palästinasolidarität nicht als isoliertes Anliegen. Als Linke erkennen wir, dass die Unterdrückung des palästinensischen Volkes zusammenhängt mit den autoritären Verhältnissen in der Region, den imperialistischen Allianzen und dem globalen kapitalistischen System, das hungrig nach den Ressourcen in der Region giert. Unser Kampf richtet sich gegen alle Formen von Unterdrückung – ob in Palästina, in Deutschland oder weltweit.
Dabei lassen wir uns nicht spalten: weder durch antimuslimischen, antiarabischen oder antipalästinensischen Rassismus, noch durch Antisemitismus. Deshalb widersetzen wir uns entschieden der Gleichsetzung von Jüd*innen mit der Politik des israelischen Staates – egal ob sie aus rechter, liberaler oder linker Richtung kommt. Die historischen Verbrechen Deutschlands rechtfertigen keine neuen Verbrechen. Im Gegenteil: Sie verpflichten uns dazu, jede Form von Entmenschlichung kompromisslos zu bekämpfen – in Gaza wie in Berlin.
Unsere Solidarität ist internationalistisch – und wehrhaft gegen Spaltungsversuche und Repression. Denn vor allem in Deutschland erleben wir eine zunehmend autoritäre Einschränkung von Palästinasolidarität: Veranstaltungsverbote, Polizeigewalt,
Berufsverbote, Diffamierungen. Diese Maßnahmen sind Teil eines gefährlichen Abbaus unserer Rechte.
Unsere Solidarität kennt keine Kompromisse
Wenn wir als Linke eine glaubhafte Stimme für einen gerechten Frieden sein wollen, müssen wir für einen neuen Kurs in unserer Partei eintreten. Statt uns mit symbolischem Protest und vagen Forderungen zufrieden zu geben, während die Politik der Legitimation und Repression letztlich weiter gebilligt oder sogar mitgetragen wird, müssen wir selbstkritisch das Vertrauen der palästinasolidarischen Bewegung, der palästinensischen, arabischen und muslimischen Gemeinde ebenso wie antizionistischer Jüd*innen wiedergewinnen.
Wenn linke Politik nicht bereit ist, sich mit Palästina gemein zu machen, dann verfehlt sie ihren historischen Auftrag. Unsere Solidarität gilt nicht den Regierungen, nicht den Bombenlieferanten, nicht den Herrschenden – sie gilt den Menschen in Gaza, in Nablus, in Ramallah, in den Lagern in Jordanien, Libanon, Ägypten und anderswo und im Exil in Berlin und weltweit.
Denn ihre Freiheit ist unteilbar mit unserer. Wer vom Imperialismus nicht reden will, soll vom Frieden schweigen.
Ein Beitrag von Britta Häfemeier und Nina Pietropoli – beide sind Mitglied bei Die Linke und aktiv in der Landesarbeitsgemeinschaft Palästinasolidarität, Die Linke Berlin