Anlässlich des 60-jährigen Jubiläums der deutsch-israelischen Beziehungen bricht Bundespräsident Steinmeier morgen zu einem Staatsbesuch nach Israel auf. Laut Programm wird Steinmeier mit militärischen Ehren empfangen, Premierminister Netanjahu zu einem Gespräch treffen und an einem Abendessen in der Residenz von Staatspräsident Herzog teilnehmen.
Die deutsch-israelischen Beziehungen feierlich zu begehen, während in nur etwa 70 Kilometer Luftlinie von Tel Aviv entfernt der Genozid an der palästinensischen Bevölkerung fortgesetzt wird, ist beschämend. In diesem Kontext zeigt ein Staatsbesuch, die höchste Form diplomatischer Ehre, die völlige Gleichgültigkeit gegenüber der Tötung der Palästinenser:innen, der völkerrechtswidrigen israelischen Gewalt in Gaza und dem Westjordanland, und Deutschlands eigener Verpflichtung unter der Genozid-Konvention.
Gegen Netanjahu liegt ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Ein feierliches Treffen mit ihm, der maßgeblich für die Völkerrechtsbrüche verantwortlich ist, trägt zur Normalisierung dieser bei und signalisiert, dass Deutschland das Völkerrecht nur selektiv verteidigt und Verstöße nur benennt, wenn es opportun erscheint.
Dabei gäbe es Alternativen. In einem offenen Brief fordern u.a. die Allianz für Kritische und Solidarische Wissenschaft (KriSol), Israelis für Frieden und der Verein palästinensischer und jüdischer Akademiker*innen (PJA) den Bundespräsidenten auf, seine Reise abzusagen und die Jahresfeier stattdessen mit Friedensaktivist*innen, kritischen Wissenschaftler*innen, Menschenrechtler*innen, sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen, die in Israel zunehmend unter erheblichen Druck geraten, zu begehen. Diesen Stimmen den Rücken zu stärken, würde in der jetzigen Situation unterstreichen, wer Deutschlands „Wertepartner“ in Israel ist, und wer nicht: diese Regierung.
Ein Beitrag von:
Elad Lapidot ist Professor für hebräische und jüdische Studien an der Universität Lille
Dörthe Engelcke ist kommissarische Leiterin des Kompetenzzentrums für das Recht arabischer und islamischer Länder am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht
Alex Müller forscht zu Gesundheit und Menschenrechten am Charité Center for Global Health und der Gender Health and Justice Research Unit der Universität Kapstadt