Staatsräson unter Merz: Verlässlicher Komplize an Israels Verbrechen

Gespräch mit Premierminister Benjamin Netanyahu. Friedrich Merz und Delegation in Jerusalem (Israel) am 12.02.24. / Foto: Tobias Koch (www.tobiaskoch.net)

Die Union macht klar: Als verlässliche Komplizin steht sie unumstößlich an der Seite israelischer Verbrechen. Foto by Friedrich Merz, Facebook.

Militärische Ehren für Isaac Herzog in Berlin, Steinmeier und Wadephul treffen den vom Internationalen Strafgerichtshof gesuchten Netanyahu in Jerusalem: Während Israel wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen und Genozids in Gaza angeklagt ist, feiert Deutschland 60 Jahre diplomatische Beziehungen – und die Merz-Regierung versichert ihre Komplizenschaft mit einem rechtsradikalen Regime.

Am morgigen Montag begrüßt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) den israelischen Präsidenten Isaac Herzog (Labor) zum Staatsakt im Schloss Bellevue in Berlin-Tiergarten – und das „mit militärischen Ehren“. Auf der Tagesordnung findet sich ausschließlich Performatives: Mahnmal Gleis 17, Treffen mit Jugendlichen, festliches Abendessen und nicht weniger als sieben Fototermine. Beim Treffen der beiden Staatsoberhäupter geht es nicht um Inhalte, sondern um einende Symbolik in stürmischen Zeiten.

Im Anschluss an den Berlin-Besuch fliegen beide Präsidentenpaare am Dienstag gemeinsam zum Staatsbesuch nach Tel Aviv – und auf dem Ben Gurion Airport wird auch Steinmeier „mit militärischen Ehren“ begrüßt. Nach kulturellen Pflichtterminen und einem „Gespräch mit Intellektuellen zur Lage in Israel“ trifft sich das Oberhaupt des deutschen Staats am Nachmittag zum Gespräch mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu auf dessen Amtssitz. Seit 21. November 2024 wird Netanyahu per Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof (ICC) wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Gaza gesucht, darunter das gezielte Aushungern der Zivilbevölkerung.

„Der Doppelbesuch markiert das 60-jährige Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den beiden Ländern“, erklärt ein Onlinebeitrag der konservativ-rechten Wochenzeitung Jüdische Allgemeine den Rahmen der Besuche. Zwar habe sich das Verhältnis beider Länder seit dem 12. Mai 1965, dem Tag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen, „auf verschiedenen Ebenen vertieft“, doch komme es seit dem Überfall palästinensischer Gruppen auf Israel am 7. Oktober 2023 „vermehrt zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Regierungen in Berlin und Jerusalem“. Als Beleg dafür wird behauptet, Außenministerin Baerbock (Grüne) habe Israel „in den vergangenen Monaten immer wieder für sein Vorgehen in Gaza kritisiert“. Wann und wo Baerbock tatsächliche Kritik an israelischen Akteuren geäußert hat, ist jedoch unbekannt. Steinmeiers Verhältnis zum Liberalen Herzog gelte nichtsdestotrotz als „hervorragend“.

Präsident Herzog ist seit Beginn des Krieges gegen die Zivilbevölkerung in Gaza wiederholt durch seine genozidale Rhetorik aufgefallen und wird daher auch im Genozid-Verfahren vom Internationalen Gerichtshof (ICJ) namentlich erwähnt. Herzogs Aussage, „eine gesamte Nation … ist verantwortlich“, wird dort als Beispiel „entmenschlichender Sprache“ sowie als mögliches Indiz für eine völkermörderische Intention der israelischen Kriegsführung herangezogen.

Staatsräson bricht Völkerrecht

Bereits am Wahlabend hatte der damalige Nochnichtkanzler Merz (CDU) dem israelischen Ministerpräsidenten eine Einladung nach Deutschland ausgesprochen; er werde „Mittel und Wege“ finden, dass Netanyahu das Land als freier Mann verlassen werde. Hiermit kündigte Merz offenen Völkerrechtsbruch an, ist die BRD als Signatar des Rom-Statuts doch verpflichtet, den vom ICC gesuchten Netanyahu bei Betreten deutschen Staatsgebiets festzunehmen. Merz bekräftigte in einem Telefonat mit Netanyahu, Sicherheit und Existenz Israels seien Teil deutscher Staatsräson, und am Donnerstag schrieb Merz auf X, er freue sich auf eine „enge Partnerschaft“ mit Netanyahu. Wurden bislang keine konkreten Pläne für einen Netanyahu-Besuch in Deutschland kommuniziert, hält ein internationaler Haftbefehl die Bundesregierung jedoch keineswegs davon ab, den gesuchten Kriegsverbrecher vor Ort zu besuchen.

So ist Außenminister Johann Wadephul (CDU) bereits an diesem Wochenende nach Israel gereist und traf sich am heutigen Sonntag mit seinem Amtskollegen Gideon Sa’ar und anschließend mit dem vom ICC gesuchten Netanyahu. In Jerusalem lieferte Wadephul dann auch direkt Material für das Verfahren Nicaraguas beim ICJ gegen die BRD wegen Komplizenschaft an Genozid. Er stellte sich schützend vor Israel und versicherte, dass man dem Land „ein völkerwidriges Verhalten nicht vorwerfen kann“ (sic). Auch hätten beide Länder „viele gemeinsame Interessen, viele gemeinsame Werte“. Auf derselben Pressekonferenz in Jerusalem mit Außenminister Sa’ar äußerte Wadephul auch die Unterstützung der Bundesregierung für die israelische Hungerblockade gegen die Zivilbevölkerung in Gaza. „Seit 70 Tagen kommt keine humanitäre Hilfe nach Gaza hinein“, sagt er dort, doch sei das nötig, da „Hamas die humanitäre Hilfe missbraucht und den Menschen vorenthält“. Dieser unbelegte Vorwurf wird regulär von Israel vorgebracht, um seinen Einsatz von Hunger als Kriegswaffe zu begründen, und von keinem anderen Akteur vor Ort erhoben. Wadephul gibt Israel grünes Licht für schwerste Kriegsverbrechen.

Wadephuls erster Tagesordnungspunkt war am Samstag ein Treffen mit Angehörigen der in Gaza festgehaltenen Geiseln. „Es ist eine Priorität für mich und meine Regierung, für Ihre Angehörigen zu sorgen“, erklärt der Außenminister aus seinem hermetisch abgeriegelten Paralleluniversum heraus. Denn dass die israelische Administration bereits kurz nach Kriegsbeginn – und dann im vergangenen April wieder – Angebote der Hamas ausgeschlagen hatte, sämtliche Geiseln freizulassen, wird in der Bundesregierung ebenso ignoriert, wie Netanyahus jüngstes Bekenntnis, die Freilassung der Geiseln habe keine höchste Priorität. Selbst das israelische Militär warnte diese Woche, dass die verbliebenen Geiseln in Gaza mit hoher Wahrscheinlichkeit sterben würden, wenn – wie angekündigt – der Krieg gegen die Zivilbevölkerung in Gaza final eskaliert und der Küstenstreifen vollständig besetzt wird. All das spielt in Berlin keine Rolle. Hier nimmt man die liberale Wertekarikatur Israels in der eigenen Ideologie zur Grundlage der eigenen Außenpolitik – nicht den real wütenden Vernichtungsapparat eines rechtsradikalen Regimes.

Eine Anfrage von etos.media an das Bundespräsidialamt mit Bitte um Stellungnahme zur Angemessenheit eines militärischen Empfangs für Herzog sowie zum geplanten Treffen mit dem unter internationaler Fahndung gesuchten Netanyahu blieb unbeantwortet. Auch Fragen nach möglichen völkerrechtlichen Implikationen eines Deutschlandbesuchs Netanyahus sowie nach den politischen Signalen, die all diese Besuche an die palästinensische Bevölkerung und die internationale Gemeinschaft aussenden würden, wurden nicht beantwortet.

Die deutsche und die israelische Regierung stünden „vereint im Engagement für gemeinsame Werte“, heißt es hingegen in einer Mitteilung des Auswärtigen Amts anlässlich 60 Jahren diplomatischer Beziehungen. Die „Werte“, für die die israelische Regierung anno 2025 steht, sind Völkermord, ethnische Säuberung, Apartheid und Zusteuern auf den Faschismus. Und auch die neue Bundesregierung macht klar, dass sie als verlässliche Komplizin unumstößlich an der Seite israelischer Verbrechen steht.

UPDATE: Dieser Text wurde am 12. Mai um 10:24 Uhr um Wadephuls Aussagen zur Hungerblockade und die beiden X-Posts ergänzt.

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Eine Antwort

  1. Es ist unfassbar. Diese afd-affine deutsche Regierung und ihrer Merz-Klinbeil-Camerilla ermutigen geradezu diesen Kriegsverbrecher Netanjahu, seine Vernichtung der Gazabevölkerung fortzusetzen.

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