Die Maske der Moral ist gefallen: Zeit, dass die Grüne in den Spiegel schaut

Die Grüne trägt wie keine andere Partei in Deutschland Mitschuld am Völkermord in Gaza. Jetzt, aus der Opposition heraus inszeniert sich die Partei plötzlich als moralische Instanz. Ein heuchlerisches Manöver - meint Nadir Aslam.

Während der ersten 15 Monate des maßlosen israelischen Vernichtungskriegs in Gaza standen die Grünen an Schlüsselpositionen der Macht in Deutschland. Sowohl das Außenministerium als auch das Wirtschaftsministerium befanden sich mit Annalena Baerbock und Robert Habeck unter der Leitung grüner Politiker; also zwei Ministerien, die den Grünen potentiell enorme Handlungsspielräume boten, um in Gaza als Verteidigerin des Völkerrechts zu wirken. Die Orientierung an Völkerrecht und Feminismus wird öffentlichkeitswirksam immer wieder durch die Partei beschworen. In der Realität aber standen ihre Positionen zu Israel und Palästina in erschreckendem Kontrast zu ihren öffentlich kommunizierten Werten.

Kein noch so abscheuliches Kriegsverbrechen, das durch deutsche oder internationale Menschenrechtsorganisationen beklagt wurde, schien ausreichend, um an der Position der Grünen – fest und unverrückbar an der Seite der rechtsextremen Regierung Israels – zu rütteln. Ganz im Gegenteil: Unter dem grünen Wirtschaftsministerium wurden nach dem 7. Oktober 2023 Rekordzahlen an Rüstungsgütern an Israel freigegeben. Die Genehmigungen stiegen um das Zehnfache im Vergleich zum Vorjahr auf einen Wert von über 300 Millionen Euro. Nach den USA ist Deutschland damit der zweitgrößte Rüstungslieferant Israels.

Und auch innenpolitisch nahm die bedingungslose Loyalität zu Israel beispiellose Ausmaße an: In seiner unter Menschen mit Migrationshintergrund mittlerweile berüchtigten Rede an die Nation vom 30. November 2023 unterstellte Robert Habeck gleich der gesamten muslimischen Bevölkerung Deutschlands eine Terrornähe und erwartete eine öffentliche, flächendeckende Distanzierung. Gleichzeitig sprach er ihnen das verfassungsgegebene Recht ab, vor Rassismus geschützt zu werden, sollten sie kein Bekenntnis gegen Antisemitismus abgeben – was in der von den Grünen genutzten Arbeitsdefinition Antisemitismus der IHRA Kritik an Israel als Apartheidstaat, Vorwürfe des Genozids in Gaza und Siedlerkolonialismus, wie er im Westjordanland zweifellos Realität ist, ausdrücklich miteinschließt.

Trotz in Europa beinahe einmaliger Druckmitteloptionen hatten weder das grüne Außen- noch das Wirtschaftsministerium irgendwelche relevanten Maßnahmen ergriffen, um Israel zum Ende der Politik der Aushungerung, ethnischen Säuberung und der Zerstörung ziviler Infrastruktur zu drängen. Waffen wurden weiter geliefert und an der diplomatischen und ideologischen Rückendeckung eisern festgehalten – während die großen weltweit renommierten Menschenrechtsorganisationen über anderthalb Jahre hinweg ein dringendes Einschreiten forderten.

Dass jetzt also ausgerechnet die Grünen als diejenigen, die für die historisch größten Waffenexporte in der Geschichte der Bundesrepublik mitverantwortlich sind, öffentlichkeitswirksam für eine Überprüfung der Waffenexporte und mehr humanitäre Hilfe plädieren, scheint im Angesicht der kaum geänderten Verhältnisse im Gazastreifen ein politisches Kalkül. Aktuell stehen 2 Millionen Menschen in Gaza vor der gewaltsamen Aushungerung. Ein Völkerrechtsbruch mit Ansage, wie die grüne Bundestagsabgeordnete Luise Amtsberg jetzt nach 19 Monaten auf ihrem Instagram-Kanal entdeckt – nur dass die Ansage bereits an Tag 1 der israelischen Bombenangriffe erfolgte. Noch am Tag des 7. Oktobers 2023 kündigte der damalige Verteidigungsminister Yoav Gallant eine vollständige Blockade von Wasser, Nahrung und Elektrizität an. Und im Juni 2024 berichtete die Integrated Food Security Phase Classification (IPC) von einer längst herrschenden, 96% der Population betreffenden Hungerkrise in Gaza, wovon eine halbe million Menschen bereits katastrophale Zustände erlebten. Damals war das offenbar nicht Grund genug, auf die Einhaltung des Völkerrechts zu pochen. Die großflächige Zerstörung der nach Genfer Konvention geschützten zivilen Infrastruktur legitimierte Annalena Baerbock gar mit der Aussage, „zivile Orte“ könnten „ihren Schutzstatus verlieren; weil Terroristen diesen missbrauchen“. International sorgte sie damit für Entsetzen.

Und plötzlich – jetzt, da die Grünen in der Opposition sind, andere westliche Länder mit Kritik an Israel vorangehen, die europäischen Partner der Grünen im EU-Parlament Druck auf ihre deutschen Kollegen ausüben und selbst Friedrich Merz vorsichtige Töne der Kritik anschlägt – wird der bisher eiserne, völkerrechtsverachtende Kurs überdacht. Sind die Doppelmoral und die rassistisch anmutende Auslegung des Völkerrechts – je nachdem, welcher Ethnie oder Religion die Opfer von Kriegsverbrechen angehören – nun plötzlich Geschichte?

Klar ist, die Grünen haben ihr Image als völkerrechtsgeleitete Partei – als die vermeintlich Guten und Moralischen – verbrannt. Zu offensichtlich war ihre Rolle in der systematischen und von Human Rights Watch mehrfach beklagten Repression des palästinasolidarischen Aktivismus in Deutschland und zu dominant die Rolle in der Ermöglichung der israelischen Verbrechen und des Völkermords an den Palästinensern. Wohl keine andere Partei schmückt sich öffentlich so sehr mit Ideen von Moral und Progressivität, entsprechend schwer wirkt der Verrat.

Wie können die Grünen sich nun aus dieser Misere retten? Das Schlüsselwort ist Accountability, also eine glaubwürdige Verantwortungsübernahme. Das würde eine öffentliche und transparente Aufarbeitung der rassistischen völkerrechtlichen Doppelstandards der Partei erfordern und damit eine tiefgehende Auseinandersetzung mit der Rolle der Grünen im westlichen Imperialismus und der Aufrechterhaltung neokolonialer Strukturen in Westasien, Afrika und Lateinamerika. Ein schmerzhafter Prozess, der der Partei, die sich wie keine andere so sehr über moralische Symbolik definiert, kaum zuzutrauen ist. Fraglich ist, ob die Grünen trotz der von Aktivisten geleisteten Aufklärungsarbeit, überhaupt dazu in der Lage sind, die Zusammenhänge zwischen der Apartheid, der Besatzung und dem Völkermord in Palästina und weltweiten Strukturen westlicher Hegemonie und Dominanz zu erkennen.

Aber vielleicht ist es einfach Zeit, anzuerkennen, dass die Grüne letztlich eine durch und durch neoliberale, in Teilen rassistische Partei ist, für die Völkerrecht ein gern genutztes Mittel ist, um politische Interessen zu legitimieren, die ihm aber darüber hinaus keinen besonderen Wert beimisst. Dann kann die Grüne ungestört ihr Dasein als Partei fristen, die glaubt für eine bessere Welt reiche es, mehr Wind- und Solaranlagen zu installieren und sich einen Regenbogenbanner ans Revers zu heften, ohne aber jemals an Strukturen der Ungerechtigkeiten, ob hier oder im globalen Süden, rütteln zu müssen.

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5 Antworten

  1. Die Grünen haben ihre Rolle als „die vermeintlich Guten“ spätestens seit den Tagen von Joschka Fischer „verbrannt“. Kann man sich heute überhaupt noch vorstellen, dass jemand wie Rudi Dutschke noch kurz
    vor seinem Tod an der Gründung der Grünen beteiligt war?

  2. Danke für diese Arbeit! Die Grünen müssen erkennen, wie weit sie sich blamiert haben und damit für hoffentlich viele Wähler unwählbar geworden sind. Ein widerwärtiger Haufen 🤮

  3. Ja, der Verrat der Grünen an ihren und meinen Idealen erschüttert mich, als ex-Grüne, ebenso – sowohl die Doppelmoral bei Ukraine und Gaza, als auch die Orgie des Wettrüstens, die den Klimawandel, Ungerechtigkeit, Konflikte und Kriege zusätzlich anheizen wird. Und warum schaffen sie es Panzer und Raketen in die Ukraine zu bringen, aber kein einziges Reiskorn nach Gaza!? Warum tun sie nicht den Job, den Greta Thunberg und andere mutige Menschenrechtler mit dem Schiff Richtung Gaza tun – warum bringen sie es nicht einmal fertig selbst einen Fuß nach Gaza zu setzen um sich einen Eindruck zu machen – oder verletzte Kinder nach Deutschland aufzunehmen? Das diplomatische Komplettversagen wird pubertär mit militärischem EU-Patriotismus übertüncht.

  4. Eine großartige Beschreibung der Grünen, die ich gewählte hatte, seitdem ich in Deutschland dank Grünen wählen durfte. Nie wieder ist jetzt! Meine Stimme haben die Grünen für immer verloren! Ich verachte diese Partei mehr als alle anderen Parteien in Deutschland! Ich hoffe, dass sie das Schicksal der FDP erleiden und abgewählt werden, nichts anderes hat diese verlogene Partei verdient!

  5. es erstaunt mich immer wieder, wie sehr die mehrheit der bürger.innen an die rechtschaffenheit der repräsentativen demokratie glaubt. nicht nur joschka fischer und nach ihm natürlich besonders die herren hofreiter u habeck u frau baerbock haben deutlich gezeigt, dass es in der repräsentativen demokratie immer nur um macht, einfluß, bereicherung und zelebrierung der individuellen eitelkeiten geht. es gibt keine richtige wahl, so wie es kein kleineres übel gibt. veränderungen des machtgefüges werden nicht durch parlamentarismus erreicht. über die grünen und all die anderen betrüger und banditen sich moralisch zu entrüsten ist verschwendung von energie und zeigt, dass die tricks der betrüger funktionieren.

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