Baerbock, Barbie und die Lügen des liberalen Feminismus

Barbie verkauft Emanzipation in Pink, Baerbock exportiert sie mit Waffen.
Foto: Werner Peters (Baerbock), CC-BY SA 4.0, Barbie CC0, collage etos.media.

Barbie verkauft Emanzipation in Pink, Baerbock exportiert sie mit Waffen. Der liberale Feminismus glänzt auf Konferenzen und Kinoleinwänden – aber er will nichts Grundlegendes verändern. Er beruhigt das Gewissen, statt Machtverhältnisse zu brechen, und entlarvt sich am Ende als Projekt des guten Gewissens. Tabea Werhahn zeigt, wie sich Feminismus in ein ästhetisches Versprechen verwandelt hat, das bequem bleibt, weil es niemandem wehtut – und warum echte Befreiung tatsächlichen Widerspruch zu den herrschenden Verhältnissen braucht.

Als Barbie im Kino erschien, war das Urteil gespalten: postfeministische Satire oder kapitalistische Selbstfeier in rosa? Zugleich stand mit Annalena Baerbock (Grüne) die erste deutsche Außenministerin mit ihrer offiziell feministischen Außenpolitik im Zentrum einer ähnlichen Spannung. Beide Figuren, die Plastikpuppe und die Politikerin, verkörpern das, was man den ästhetischen Liberalismus des Feminismus nennen könnte: den Glanz der Repräsentation ohne die Substanz der Transformation.

Barbie ist die reine Ästhetik des Möglichen; Ärztin, Astronautin, Präsidentin – alles geht. Doch diese Rollen laufen oft auf nicht viel mehr hinaus als den bloßen Anschein einer Beschäftigung mit Aktivitäten, ohne substantielle Wege zu eröffnen, echtes Interesse zu wecken oder Mädchen reale Zugänge zu deren Verwirklichung zu bieten. Die zugrunde liegende Botschaft bleibt: „Du könntest dabei hübsch aussehen, wie du X machst“, eine Verführung durch Spektakel, anstatt sich mit tatsächlichen Wegen in diese Zukünfte auseinanderzusetzen. In ähnlicher Weise stellt Baerbock mit ihrer „feministischen Außenpolitik“ die Möglichkeit in den Vordergrund, dass sich Macht an feministischen Interessen orientieren kann, und suggeriert damit, dass allein diese Orientierung Fortschritt bedeutet. Aber der Schein trügt. Die ästhetische Form der Außenministerin blieb eingebettet in dieselbe Logik von Waffenexporten, Aufrüstungspolitik und der Verdrehung von Wahrheiten.

Baerbocks „feministische Außenpolitik“ wird besonders dann sichtbar, wenn sie mit den geopolitischen Interessen Deutschlands übereinstimmt. Im Fall von Iran oder Afghanistan prangerte sie lautstark die Unterdrückung von Frauen an, ein Narrativ, das sich problemlos in das westliche Bild autoritärer Feindstaaten und Ideen von westlicher Zivilisation fügt. Doch wo Bündnisse und Interessen berührt werden, wirkt der feministische Anspruch oft erstaunlich schwach.

Ein besonders deutliches Beispiel ist Gaza. Baerbock bezeichnete die Lage dort wiederholt als „höllisch“, sie forderte Zugang für humanitäre Hilfe und betonte die Notwendigkeit, das Leid von Frauen und Kindern zu lindern. Auf der rhetorischen Ebene bediente sie hier feministische Narrative: den Schutz von ZivilistInnen, die besondere Verwundbarkeit von Kindern in Konflikten oder die humanitäre Verantwortung. Gleichzeitig jedoch scheute sie davor zurück, die Ursachen dieses Völkermords klar zu benennen oder Verbündete offen zu kritisieren, und legitimierte Angriffe auf zivile Infrastruktur. Gleich ihren ersten Tag als Präsidentin der UN-Vollversammlung begann Baerbock mit einer Lüge: Sie behauptete, nie gesagt zu haben, dass Attacken auf zivile Orte seitens Israels gebilligt werden können. Jedoch sagte sie genau das 2024 als Außenministerin in einer Rede vor dem Bundestag. Welche Art von Feminismus verkörpert diese „feministische Außenpolitik“, wenn sie selektiv angewandt wird und eine Politik der Zerstörung über eine Politik des Lebens stellt?

So wird deutlich: Der Feminismus dient hier als moralische Sprache, aber er endet dort, wo geopolitische Realitäten und Bündnisse beginnen. Frauenrechte und zivile Sicherheit in Gaza werden zwar sprachlich betont, doch sie haben keine Auswirkung auf die deutsche Politik, weder auf Waffenexporte noch auf diplomatische Positionierungen. Baerbocks Feminismus wird so zur ästhetischen Geste: Er vermittelt das Gefühl, dass die humanitäre Dimension gesehen und anerkannt wird, ohne dass daraus politische Konsequenzen folgen.

In ähnlicher Weise inszeniert Barbie Feminismus auf eine Weise, die sorgfältig für den Konsum aufbereitet ist und den Eindruck von Engagement vermittelt, ohne dass vom Publikum echte Arbeit oder Reflexion verlangt wird. Der Film feiert weiblichen Ehrgeiz und Empowerment, doch diese Errungenschaften existieren vollständig im Bereich des Möglichen und sind von systemischen Barrieren oder materiellem Wandel losgelöst. Im Barbie-Land sind Barbies überlegen und Kens unterlegen, was suggeriert, dass in der „realen“ Welt die Dynamik einfach umgekehrt ist. Diese Spiegelung wirkt willkürlich konstruiert und deutet auf eine saubere Inversion, anstatt sich mit der Komplexität geschlechtsspezifischer Machtverhältnisse auseinanderzusetzen. Feminismus wird hier ästhetisiert: Er signalisiert Fortschritt und lädt das Publikum ein, sich moralisch oder sozial aufgeklärt zu fühlen, hinterfragt jedoch nicht jene Strukturen, die Ungleichheit erzeugen. Indem er Spektakel, Nostalgie und vermarktbare „Girl-Power“-Narrative priorisiert, verwandelt Barbie feministische Ideale in ein konsumierbares Produkt, vermittelt den Eindruck, am Kampf für Gleichstellung teilzunehmen, während das Publikum gleichzeitig passive Zuschauer bleiben kann.

Judith Butlers Konzept der Performativität besagt, dass Geschlecht (gender) nicht etwas Natürliches oder Vorgegebenes ist, sondern durch wiederholte Handlungen, Gesten, Sprache und kulturelle Praktiken kontinuierlich hergestellt wird. In diesem Sinne lassen sich sowohl Annalena Baerbock als auch Barbie als performative Figuren lesen: Sie kämpfen dafür, die Definition von weiblicher Emanzipation zu erweitern. Jedoch geschieht das nicht innerhalb eines authentischen Dialogs über die Implikationen des Feminismus in der realen Welt, sondern über die Eingliederung von Weiblichkeit in vertraute kulturelle Codes des Konsums und der bestehenden Ordnung. Feminismus bedeutet mehr als uns ein gutes Gefühl zu geben und das Leben nur einiger weniger Frauen zu bereichern. Feminismus stellt unsere Beziehungen zueinander und zu unserem Planeten infrage und zwingt uns zu überlegen, welche Art von Welt wir gestalten und kultivieren wollen. Die Emanzipation wird zu ihrer eigenen Karikatur, wenn nur ästhetisch repräsentiert wird, was strukturell unverändert bleibt.

Liberaler Feminismus stellt sich häufig selbst in den Mittelpunkt, anstelle der Menschen, die er angeblich unterstützen will. Der Fokus liegt darauf, wie die Bewegung oder ihre Führungspersönlichkeiten wahrgenommen werden – als mächtig, moralisch gerecht und progressiv – und weniger auf den konkreten Veränderungen, die sie für marginalisierte Gruppen bewirken. Solidarität wird zu einem performativen Bild anstelle eines geteilten Kampfes; sie betont das Erscheinungsbild über die wirkliche Umverteilung von Macht und suggeriert Fortschritt, obwohl strukturelle Ungleichheiten unverändert bleiben. Gleichzeitig vermittelt sie uns, dass wir zufrieden und dankbar für das sein sollten, was wir bekommen – immerhin findet irgendeine Bewegung statt, auch wenn sie nur symbolisch bleibt.

Aktivismus wird für Sichtbarkeit und Applaus kuratiert, wobei symbolische Gesten oder öffentliche Erklärungen Vorrang vor Handlungen haben, die tatsächliche Macht verschieben, besonders wenn diese Handlungen unsichtbar, unbequem oder riskant sind. Wahre feministische Solidarität erfordert, aus dem Rampenlicht zu treten, festgefahrene Hierarchien zu konfrontieren und Verantwortung auf eine Weise zu übernehmen, die möglicherweise unbemerkt bleibt oder Konflikte hervorruft – Arbeit, die den Status quo herausfordert, anstatt nur das Selbstbild derjenigen zu bestätigen, die behaupten, die Bewegung anzuführen.

Popkultur und Kunst übernehmen oft ideologische Funktionen: Filme wie Barbie schaffen eine Illusion von Reflexion und Partizipation. Sie rechtfertigen Figuren wie Annalena Baerbock – nicht, weil sie unser Verständnis von Feminismus oder politischer Verantwortung erweitern, sondern weil sie Feminismus performativ für uns erledigen. Wir erleben das Gefühl, uns mit dem Thema auseinandergesetzt zu haben, während wir tatsächlich passiv konsumieren. Genauso suggeriert die Präsentation einer feministischen Außenpolitik, dass wir uns zurücklehnen können und nicht weiter hinterfragen müssen, denn wir sind ja schon progressiv. Die Kulturindustrie produziert häufig Versprechen, deren Wahrheit im Konsum verpufft. Doch wenn ideologische Narrative präsent in populären Filmen einen Spiegel der Gesellschaft darstellen, dann kann uns das auch helfen, in genau diesen Spiegel zu schauen, um uns weiterzuentwickeln.

Manchmal ist es schwer, diese Realitäten anzuerkennen. Ich erkenne mich selbst darin wieder. Mein langjähriger Glaube an den liberalen Feminismus war auch ein Glaube an mich selbst, dass ich Teil einer Generation sei, die es „geschafft“ hat oder zumindest „ihr Bestes versucht“. Rückblickend wirkt das oberflächlich und egozentrisch. Als Barbie 2023 im Kino erschienen ist, habe ich den Film zwar als oberflächlich abgetan, trotzdem habe ich gelächelt, als mein Bruder und meine Mutter ein Bild von beiden vor dem Kino in pinken Pullis in unseren Familienchat geschickt haben. Doch weder Annalena Baerbock noch Barbie repräsentieren die Aufgeklärtheit und den Fortschritt unserer Gesellschaft. Vielmehr repräsentieren sie unser Bedürfnis nach Fortschritt, konzentriert in Figuren, die uns helfen, den Widerspruch zwischen unseren Idealen und der Realität zu verdrängen. Ihre Funktion ist trügerisch, darauf ausgelegt, uns passiv zu machen, anstatt Strukturen zu transformieren und uns mit Erscheinungen zufriedenzustellen, die das Fortbestehen von Ungleichheit und Widersprüchen verschleiern.

Wir sind weder emanzipiert noch aufgeklärt, solange in unserem Namen Entscheidungen getroffen werden, die unschuldige Leben zerstören, während wir uns gleichzeitig mit Symbolfiguren zufriedengeben, die uns Moral und Fortschritt suggerieren. Der liberale Feminismus ist die perfekte Ware, weil er nicht weh tut. Er fordert keine Umverteilung, keinen Bruch mit kapitalistischen Strukturen oder geopolitischen Machtverhältnissen. Er glänzt, er motiviert, er beruhigt das Gewissen. Doch echte Emanzipation ist unbequem und konflikthaft. Sie verlangt, dass wir uns dem Prozess des Werdens und der Selbstreflexion stellen und die Verhältnisse ändern, nicht nur die Bilder. Ich habe lange gebraucht, um das einzusehen. Aber heute bin ich davon überzeugt, solange wir uns mit Baerbock und Barbie zufriedengeben, bleibt der Feminismus eine ästhetische Simulation. Schön anzusehen, leicht zu verkaufen, aber unfähig, die Welt wirklich positiv zu verändern.

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