111 Jahre ist es her, dass erstmals im März ein Internationaler Weltfrauentag begangen wurde. Auf Initiative von Clara Zetkin und Beschluss der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz wurden in mehreren Ländern Demonstrationen abgehalten, die als zentrale Forderung die Einführung eines allgemeinen Frauenwahlrechts vor sich hertrugen. Sicherlich besonders durch den Bruch des Nationalsozialismus, ging die Bedeutung des Tages oder zumindest seine kämpferische Ausgestaltung verloren.
In der DDR wurde der 8. März zwar als Frauentag begangen – aber eher als Festtag für die Frauen, nicht als Tag, an dem mehr Rechte und Freiheiten gefordert wurden. In der BRD verlor der Tag zunächst an Bedeutung, bis er von der Frauenbewegung in den 1960er Jahren wiederentdeckt wurde. Auch im Gewerkschaftskontext wurde der Tag immer wieder aktionistisch begleitet, aber eine große Breitenwirkung hatte er nicht. Ich finde daher die Entwicklungen der letzten Jahre durchaus positiv, besonders auch die Initiativen von Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, den 8. März zum Feiertag zu machen.
Doch dabei ist es wichtig, welche Konnotation wir diesem Tag geben. Keinesfalls dürfen wir den Tag als Ausgleich akzeptieren für die tägliche Mehrarbeit und Unterbezahlung, die Frauen auch im Jahr 2022 noch erleiden. Der Gender-Pay-Gap beträgt in Deutschland immer noch 18 Prozent und ist damit einer der höchsten in Europa. Frauen sind stärker von Armut betroffen und mit weiteren, völlig alltäglich vorkommenden Faktoren verstärkt sich das Armutsrisiko drastisch. Haben die Frauen eine Migrationsgeschichte, dann liegt ihr Einkommen durchschnittlich um 21 Prozent unter dem von herkunftsdeutschen Männern. Alleinerziehende, von denen 88 Prozent Frauen sind, machen über die Hälfte derjenigen Familien aus, die Leistungen aus dem SGB II beziehen – und das obwohl sie nur rund ein Fünftel der Familien ausmachen. Und nicht zuletzt sind Frauen deutlich häufiger von Altersarmut betroffen. Ganz besonders drastisch ist der Unterschied bei über 80-Jährigen: Hier übersteigt die Armutsquote von Frauen, diejenige von Männern (22,4 Prozent) noch einmal um über neun Prozentpunkte. Sicher – im falschen System ist der Anstieg der Frauenquote in Führungspositionen ein richtiges Signal. Frauen brauchen Repräsentanz und Vorbilder, wozu auch eine höhere Frauenquote im Bundestag beitragen würde. Diese ist mit 35 Prozent nach wie vor erschreckend gering. Doch viel wichtiger sind feministische Erfolge für die 99 Prozent!
Die Rollenbilder sind nicht alleine schuld, aber durchaus ein stabilisierender Faktor, der Frauen im Kapitalismus in die Schranken weist. Frauen kümmern sich, sie sind quasi dafür geboren und damit ist dieses „Kümmern“ dann keine Leistung, sondern eine Eigenschaft – die man nicht entsprechend entlohnen muss. Dabei sind die Berufe im Bereich Erziehung, Pflege und Sorge die, ohne die unsere Gesellschaft nicht funktionieren kann. Sie soll aber möglichst in den privaten Bereich – von Frauen natürlich – verschoben werden. Das ist die perverse Logik des Systems, das wir überwinden müssen und wofür wir ein Datum wie den 8. März sehr gut gebrauchen können, nämlich als Tag zum Austausch und der Vernetzung für unseren gemeinsamen feministischen Kampf.
Ich freue mich, dass wir als LINKE dieses Jahr den 8. März als Anlass nehmen, um die anstehenden Tarifverhandlungen in Sozial- und Erziehungsberufen zu unterstützen. In diesem Bereich arbeiten noch immer überproportional viele Frauen, die weder gemessen an ihrer persönlichen Leistung noch der Relevanz für die Gesellschaft ansatzweise angemessen bezahlt werden und dabei Arbeitsbedingungen hinnehmen müssen, die untragbar sind. Wir müssen diesen Frauen unsere Solidarität zeigen, denn deren Arbeitskampf ist auch ein feministischer Kampf, der an den Kern von Arbeitszeit, Pflege und Sorge geht. Also das, was seit Jahrhunderten Kampfplätze sind. Lasst uns dafür sorgen, dass der 8. März bald wirklich kein Kampf-, sondern ein Feiertag ist.