Soleimani keine Träne nachweinen – Bruch des Völkerrechts und US-Kriegspolitik kritisieren – Gespräch mit Niema Movassat

Die USA haben den iranischen General Soleimani und den irakischen General Abu Mehdi al-Muhandis umgebracht und damit einen Kriegmit dem Iran provoziert. Wir haben mit Niema Movassat, Bundestagsabgeordneter der Linken und stellvertretender Vorsitzender deutsch-iranischen Parlamentariergruppe, über die Situation gesprochen.

Die Freiheitsliebe: Vor wenigen Tagen brachte eine US-Drohne den iranischen General Soleimani und den irakischen General Abu Mehdi al-Muhandis um. Wie kam es dazu?

Niema Movassat: Schon frühere US-Präsidenten haben eine Tötung von Soleimani erwogen, aber nicht gewagt. Sie wussten, dass die Tötung dieses Generals, der im Iran nach dem Revolutionsführer de facto der zweitmächtigste Mann des Landes war, heftige Vergeltungsangriffe nach sich ziehen und in einem Krieg mit Teheran enden könnte. Trump hat sich entschieden, die Tötung zu befehlen. Man muss diese Entscheidung der USA als Vergeltung für die Attacken auf ihre Botschaft in Bagdad sehen, für welche sie den Iran verantwortlich machen.

Die Freiheitsliebe: Wieso war General Soleimani der zweitmächtigste Mann des Iran? Formal war er ja nur ein General einer Militäreinheit.

Niema Movassat: Soleimani war der Chef der mächtigen Quds-Einheit, einer Unterabteilung der Revolutionsgarden. Die Quds-Einheit ist die Eliteeinheit des Iran und vor allem im Ausland tätig. Sie soll die iranische, so genannte islamische Revolution in alle Welt exportieren. Zu diesem Zweck werden iranfreundliche Milizen wie die Hisbollah und Hamas unterstützt und Anschläge auf politische Gegner des Regimes weltweit durchgeführt. Man kann Soleimani daher zurecht einen Terroristen nennen. Er hatte enge Drähte zum so genannten Revolutionsführer Ali Chamene’i. Soleimani war auch derjenige, der dem syrischen Diktator Assad half, die Rebellen, aber auch den IS zurückzuschlagen. Damit setzte er die iranischen Bestrebungen, mehr Einfluss im Nahen Osten zu gewinnen, praktisch um.

Als kleine Anekdote sei erwähnt, dass US-Außenminister Kerry Soleimani 2015 dafür lobte, im Irak den IS vertrieben zu haben. Das zeigt auch mal wieder, dass die USA auch Verbrecher gut findet, solange sie gemeinsame Ziele mit den USA haben.

Die Freiheitsliebe: Die USA sagen, die Tötung dient der Sicherung des Friedens und auch einige Protestierende freuen sich über seine Ermordung. Wie siehst du das?

Niema Movassat: Man sollte Soleimani keine Träne nachweinen. Er stand für ein unterdrückerisches, diktatorisches Regime. Allerdings leben wir nicht mehr im Mittelalter. Auch Verbrecher haben das Recht auf einen fairen Gerichtsprozess. Die außergerichtlichen, willkürlichen Tötungen, welche die USA weltweit mit ihren Drohnen vornehmen, verletzten den Menschenrechtspakt. Das hat anlässlich der Tötung von Soleimani auch die zuständige UN-Sonderberichterstatterin Agnès Callamard nochmal klargestellt.

Die Tötung ist auch nicht geeignet, Frieden zu schaffen, wie Trump fälschlicherweise behauptet. Das ist aus meiner Sicht der wichtigste Punkt: Die Tötung kann zu einem neuen großen Krieg im Nahen Osten führen.

Die Freiheitsliebe: Der iranische Revolutionsführer Chamene’i hat in der Tat Rache angekündigt. Was bedeutet das?

Niema Movassat: Die iranische Führung wird die Tötung nicht tatenlos hinnehmen. Selbst die gemäßigteren Kräfte um Präsident Rohani werden auf Druck der Hardliner, die jetzt Oberwasser haben, handeln müssen. Wenn man verstehen will, wie wichtig Soleimani für das iranische Regime war, dann muss man auf die Trauerzeremonie schauen. Soleimani wird die gleichen Bestattungsrituale erhalten wie einst Chomanei. Niemanden sonst wurde bisher diese Ehre zuteil. Damit wird Soleimani zu einem Super-Märtyrer. Der Iran hat Truppen in Syrien und dem Irak, Verbündete im Libanon, Jemen und dem Gaza-Streifen. Sie können an vielen Stellen US-amerikanische Einrichtungen attackieren. Die Tötung von Soleimani hat eine gefährliche Eskalationsspirale in Gang gesetzt, an deren Ende ein Krieg mit hunderttausenden Toten und Millionen Flüchtlingen stehen kann. Trump hat ja bereits angekündigt, dass im Falle iranischer Vergeltungsmaßnahmen iranische Kulturstätten bombardiert werden sollen.

Die Freiheitsliebe: Was muss die Friedensbewegung und die Linke in dieser Situation tun um einen Krieg zu verhindern?

Niema Movassat: Sie muss meines Erachtens drei Dinge tun: Erstens gegen den drohenden Krieg protestieren. Zweitens darauf achten, sich nicht mit dem iranischen Regime zu solidarisieren, sondern dessen Gewalt gegen die eigene Bevölkerung ebenfalls zu verurteilen. Denn das Regime hat erst vor einigen Wochen einen Aufstand niedergeschlagen, es gab hunderte Tote. So ein Regime hat keine Legitimation. Allerdings muss die Veränderung von innen kommen und nicht durch US-Bomben. Drittens muss man die Bundesregierung auffordern, jegliche Unterstützung für einen amerikanischen Krieg gegen den Iran zu unterlassen; insbesondere muss die Bundesregierung unverzüglich die US-Airbase in Ramstein dicht machen lassen, weil von dort der US-Drohnenkrieg geführt wird. Außerdem muss die Bundesregierung das Vorgehen der USA klar verurteilen und eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates fordern

Die Freiheitsliebe: Danke dir für das Gespräch.


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5 Antworten

  1. Schade, aufgrund solcher Sichtweisen und politischen Positionierungen verschiedener PolitikerInnen ist Die Linke auf Bundesebene leider nicht mehr wählbar. Seit der einseitigen Aufkündigung des Atomabkommens durch die USA tauschen Washington und Teheran regelmäßig „Nettigkeiten“ auf dem geopolitischen Schachbrett aus. Einen dieser Vorkommnisse nimmt Herr Movassat als Ausgangspunkt und Rechtfertigung für diesen Kriegsakt? Ich bin entsetzt. Soleimani war nicht irgendein iranischer General und hochrangige Machtfigur. Er fand in der arabischen Welt weit über den Iran hinaus Beachtung, was die letzten Tage sehr deutlich machten. Das Attentat von Sarajevo 1914 wäre vergleichbar gewesen. Wir wissen, welche Konsequenzen sich daraus ergaben. Ein geringfügiger Raketenangriff in Bagdad, der in keiner Weise die Stärke der US-Angriffe auf iranische Milizen die Tage zuvor besaß, kann ganz sicher nicht als Vergeltungsakt herangezogen werden. Das beleidigt die Intelligenz der Leser auf diesem Portal.

    Am Rande sei erwähnt. Einige Formulierungen wie „Regime“ und „Verbrecher“ kommen ihm sehr leicht über die Lippen, wenn es um den Iran geht. Trotz richtiger Feststellung einer Verletzung des Menschenrechtspaktes lassen sich keine ähnlichen Vokabeln auf der Gegenseite finden. Das überrascht. Die Freiheitsliebe hätte an der Stelle auch ein Interview mit einem neoliberalen Politiker führen können. Der Leser hätte bis auf kleine Nuancen keinen Unterschied festgestellt. #Nächste-Wahlschlappe

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