Mit dem Wind der Solidarität: Die Freedom Flotilla Coalition trotzt der Blockade und dem Schweigen Europas

Banner der Freedom Flotilla by Free Gaza movement (licensed under CC BY-SA 2.0)

Von Sizilien aus haben sich 12 Aktivist:innen aus aller Welt mit einem einfachen Segelschiff auf den gefährlichen Weg nach Gaza gemacht. Im Gepäck haben sie, was am dringendsten benötigt wird, für Menschen, die in den letzten Monaten so gut wie alles verloren haben. Babywindeln, Medizin und Nahrungsmittel sind mit an Bord und sollen der leidenden Zivilbevölkerung im von täglichen Angriffen zerrütteten Gaza zugutekommen.

Wieso dies grade jetzt so wichtig ist, liegt auf der Hand: die israelische Regierung hat in den letzten 19 Monaten den Gazastreifen zu großen Teilen in Schutt und Asche gelegt. Das israelische Militär hat die Infrastruktur soweit zerstört, dass die Zivilbevölkerung vom Hungertod bedroht ist. Maßgeblich mitbeteiligt an der Zerstörung sind auch Waffen, deren Export die deutsche Bundesregierung bewilligt hat. Seit dem 7. Oktober 2023 waren es Waffenlieferungen im Wert von fast einer halben Milliarde Euro.

Dieses Leid klar vor Augen haben die 12 Aktivist: innen der Freedom Flotilla Coalition, die mit ihrem Schiff Madleen unterwegs sind, um die illegale Blockade des Gazastreifens durch Israel zu durchbrechen, Hilfsgüter zu liefern – und ein Zeichen gegen den fortschreitenden Genozid an der palästinensischen Bevölkerung zu setzen. Neben der Klimaaktivistin Greta Thunberg und der Europaabgeordneten und Tochter palästinensischer Geflüchteter Rima Hassan, sind Baptiste Andre Omar Faiad, Pascal Maurieras Yanis Mhamdi, Reva Viard, Şuayb Ordu, Mark van Rennes, Sergio Toribio, Thiago Ávila und die deutsche Aktivistin Yasemin Acar mit an Bord.

Die Mission „For the Children of Gaza“ ist Teil einer jahrzehntelangen Bewegung des zivilen Ungehorsams auf See. Seit 2008 versucht die Freedom Flotilla mit Booten und Schiffen die von Israel seit 2007 verhängte Abriegelung des Gazastreifens zu überwinden. Die Erinnerung an die Mavi Marmara im Jahr 2010 ist dabei bis heute präsent: Neun Aktivist:innen wurden damals von israelischen Kommandoeinheiten erschossen – in internationalen Gewässern. Eine Aufarbeitung der Tat blieb aus, eine internationale Reaktion war kaum wahrnehmbar. Stattdessen: Schweigen, Beschwichtigung, Mittäterschaft.

Deutsche Mittäterschaft

Diese Mittäterschaft zeigt sich heute auf besonders drastische Weise in der deutschen Politik. Seit Beginn des Vernichtungskriegs der israelischen Regierung gegen Gaza hat die deutsche Bundesregierung nicht nur politische Rückendeckung geliefert, sondern auch militärische: Waffenexporte nach Israel wurden beschleunigt genehmigt, während gleichzeitig palästinensische Stimmen in Deutschland kriminalisiert, Organisationen verboten und Solidaritätskundgebungen unterdrückt wurden. Während das Internationale Gericht in Den Haag ernsthafte Hinweise auf einen Genozid bestätigt, spricht Berlin weiter von „Israels Recht auf Selbstverteidigung“ in Reaktion auf das Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023. Ein Recht, das in der Interpretation der deutschen Bundesregierung offenbar auch die systematische Zerstörung von Krankenhäusern, die Aushungerung der Zivilbevölkerung und den massenhaften Tod von Kindern zu umfassen scheint.

Die enorme Diskrepanz zwischen dem Anspruch deutscher Politiker:innen auf moralische Integrität bei ihrer gleichzeitigen milliardenschweren Unterstützung für einen übermächtigen, hochmilitarisierten Staatsapparat und der extremen Repression gegen eine zivile Bewegung, die einzig und allein die Universalität der Menschenrechte hochzuhalten versucht, verstört, erschüttert und lässt einen fassungslos zurück.

Die Aktivist:innen der Freedom Flotilla stellen sich diesem Zynismus entgegen – mit einfachen Mitteln, aber einer klaren Botschaft: Solidarität ist kein Verbrechen. Der Versuch, Hilfsgüter nach Gaza zu bringen, ist nicht illegal. Illegal ist die Blockade selbst, wie zahlreiche UN-Gremien seit Jahren feststellen. Eine Feststellung, die inzwischen fraktionsübergreifend von verschiedenen deutschen Abgeordneten geteilt und in geringerem Maße auch öffentlich vertreten wird, wie die Debatte zur aktuellen Stunde des Bundestags vom 05.06.2025 zeigt.

In ihrer Praxis erinnert die Flotilla-Bewegung an die zivile Seenotrettung im Mittelmeer. Auch dort handeln Menschen, wo staatliche Hilfsstrukturen versagen oder bewusst unterlassen, was nötig wäre. Auch dort werden Helfende kriminalisiert, blockiert, diffamiert – obwohl sie einzig und allein das tun, was notwendig ist: Menschenleben retten. Ob auf dem Weg nach Gaza oder bei der Rettung Geflüchteter vor dem Ertrinken – ziviler Ungehorsam ist oft die letzte Form praktischer Humanität in einem Meer staatlicher Kälte.

Es ist nicht überraschend, aber doch ein denkwürdiges Symbol, dass die Madleen nun während ihrer Mission einem Notruf eines kleinen Schlauchboots folgte, welches in Seenot geraten war. Ebenso wenig überraschend: bei der angeblich ägyptischen Küstenwache, die sich angekündigt hatte, um das Boot mit Geflüchteten zu unterstützen, handelte es sich wohl um die sogenannte lybische Küstenwache, die im Mittelmeer unterwegs ist, um illegale Pushbacks durchzuführen. Nach Angaben von Crew Mitgliedern sind vier Personen aus Angst vor einer Festnahme durch die lybischen Milizen über Bord gesprungen und haben sich auf die Madleen gerettet. Eigentlich kaum vorstellbare Vorgänge – wenn sie nicht Alltag auf dem Mittelmeer wären.

Währenddessen kreisen regelmäßig in Israel entwickelte Heron-Drohnen aus Griechenland über der Madleen. Der Einsatz der Flugkörper stellt ein zentrales Instrument der wachsenden Allianz zwischen Griechenland, Zypern, Israel und den USA dar, die eine verstärkte Kontrolle über das östliche Mittelmeer anstrebt. Das Schiff der Freedom Flotilla Coalition könnte erneut gestoppt, geentert oder festgesetzt werden. Das ist wahrscheinlich. Israel hat inzwischen angekündigt, dem Schiff das Anlegen in Gaza zu verbieten. Doch ihre Botschaft ist längst unterwegs – und sie richtet sich auch an uns: Wer wegschaut, macht mit. Wer schweigt, stimmt zu. Wer handelt, kann Leben retten.

Dir gefällt der Artikel? Dann unterstütze doch unsere Arbeit, indem Du unseren unabhängigen Journalismus mit einer kleinen Spende per Überweisung oder Paypal stärkst. Oder indem Du Freunden, Familie, Feinden von diesem Artikel erzählst und der Freiheitsliebe auf Facebook oder Twitter folgst.

Zahlungsmethode auswählen
Persönliche Informationen

Spendensumme: 3,00€

Teilen:

Facebook
Twitter
Pinterest
LinkedIn

Eine Antwort

  1. lasst uns nicht über verlogene u heuchlerische politiker.innen reden. wozu soll das gut sein? nichts gegen greta t. und ihre mitstreiter.innen, aber die israelische armee tötet seit mehr als 2 jahren kinder, frauen, greise. von hinten in den rücken in den kopf mit drohnen. oder bombe ins krankenhaus. was soll da so ein segelschiff mit ein paar sachen die vielleicht gerade einmal für 2 wochen f 2 familien reichen. das hat symbolischen wert. vielleicht. selbst das ist zweifelhaft. befürworter des schlachtfhofs gaza haben noch nicht einmal ein müdes lächeln übrig für die geste.
    die antwort auf die frage: was können wir tun?
    heisst leider: ausser sich entsetzen u eventuell israelische produkte boykottieren und vielleicht endlich an dem umgang mit israel u gaza freund u feind deutlicher unterscheiden zu lernen, nicht viel.
    macht euch nichts vor, die schiffsreise ist bestenfalls lächerlich, schlimmstenfalls nützt sie der propaganda des unrechts.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Freiheitsliebe Newsletter

Artikel und News direkt ins Postfach

Kein Spam, aktuell und informativ. Hinterlasse uns deine E-Mail, um regelmäßig Post von Freiheitsliebe zu erhalten.

Neuste Artikel

Abstimmung

Sollte Deutschland die Waffenlieferungen an Israel stoppen?

Ergebnis

Wird geladen ... Wird geladen ...

Dossiers

Weiterelesen

Ähnliche Artikel