Deutschland befindet sich derzeit in einer tiefen ökonomischen und politischen Krise: Die wirtschaftliche Entwicklung stagniert, die Industrie schrumpft, die Exportzahlen brechen ein. Nicht unerheblich für die Tiefe der aktuellen Krisensituation ist dabei, dass die öffentlichen und privaten Investitionen seit Jahren zurückgehen. Dadurch wurde die gesellschaftliche Infrastruktur förmlich zusammengespart und hat großen Schaden ausgerechnet in den Bereichen genommen, die eine Teilhabe für alle ermöglichen sollen. Im Ergebnis sehen wir, dass Züge unpünktlich oder gar nicht fahren, Brücken einstürzen, Schuldächer undicht sind und Krankenhäuser wegen Unterfinanzierung geschlossen werden.
Fast 200 Milliarden Euro wären notwendig, nur um die öffentliche Infrastruktur zu erhalten. Noch einmal 600 Milliarden Euro werden für den Ausbau der erneuerbaren Energien und den ökologischen Umbau von Industrie und Gesellschaft gebraucht. Aber diese Investitionen bleiben weitestgehend aus, weil die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse verhindert, dass Kredite aufgenommen werden, um die notwendigen Investitionen zu tätigen.
Mit Beginn des Ukrainekrieges haben sich die ökonomischen Probleme in Deutschland weiter verschärft. So haben die USA mit einer aggressiven Sanktionspolitik gegenüber Russland eine Gaswende in Europa erzwungen. Dabei wurde der europäische Energiemarkt von der russischen Gasversorgung abgeschnitten und für das doppelt so teure, ökologisch fragwürdige amerikanische Frackinggas geöffnet. Diese Politik führte zu einem massiven Anstieg der Inflation und in der Folge zu einem Anstieg der Energie- und Nahrungsmittelpreise – eine Entwicklung, unter der sowohl die energieintensive Industrie zu leiden hatte, als auch die breite Bevölkerung. Mittlerweile heizen fünf Millionen Menschen ihre Wohnung nicht richtig – aus Angst vor den gestiegenen Heizkosten.
Zusätzlich versuchen die USA, durch eine niedrige Energiepreispolitik und üppige Subventionen aus dem „Inflation Reduction Act“ die europäischen Schlüsseltechnologien abzuwerben. Dahinter steht der Versuch, die amerikanische Wirtschaft zu stärken und das chinesische Wirtschaftswachstum auszubremsen. Die Krise in Deutschland muss daher im Kontext dieser sich verändernden Weltbeziehungen betrachtet werden: Während der globale Süden unter der Führung Chinas seine Zusammenarbeit untereinander verstärkt, an wirtschaftlicher Stärke gewinnt und mit einem neuen Selbstbewusstsein den Norden auch politisch immer stärker herausfordert, kämpft die von den USA angeführte westliche Welt gegen die eigene wirtschaftliche Schwäche an. Kern der Krise in Deutschland ist daher eine Mixtur aus Deindustrialisierung, ökonomischen Umbrüchen, einem komplexen Industrieumbau, geopolitischen Veränderungen und einer drohenden aggressiven Zollpolitik durch die USA.
Nicht grundlos also fürchten die deutschen Führungseliten den ökonomischen Abstieg und den politischen Bedeutungsverlust. Um beides aufzuhalten, tun sie drei Dinge:
Erstens: Die Arbeitgeber geben durch Entlassungen und Werkschliessungen die Kosten der Krise an die Beschäftigten weiter. Von besonderer Bedeutung ist dabei das Beispiel Volkswagen. So kündigte das Management die Tarifverträge zur Beschäftigungssicherung zu einem Zeitpunkt, zu dem die Beschäftigten am meisten darauf angewiesen waren. Gleichzeitig sollten drei Werke geschlossen und zehntausende Beschäftigte auf die Straße gesetzt werden. Auch wenn es der IG Metall durch Arbeitsniederlegungen gelang, den Angriff des Managements wenigstens zum Teil abzuwenden, dürfte das Vorgehen des VW-Vorstands von besonderer Bedeutung für die Neuausrichtung des Verhältnisses zwischen Kapital und Arbeit sein: Mit dem Aufkündigen der Sozialpartnerschaft durch die Arbeitgeber scheint damit eine Phase zu Ende zu gehen, in der mit gut organisierten Belegschaften die bloße Androhung von Streiks den Abschluss guter Tarifverträge erlaubte. Die Härte des VW-Managements in diesem Konflikt trotz dreistelliger Rücklagen im Milliardenbereich zeigt zugleich, dass sich die Gewerkschaften in den nächsten Jahren auf zugespitzte Auseinandersetzungen im Konflikt zwischen den Klassen einstellen müssen.
Dieser Konflikt wird nicht nur auf der betrieblichen Ebene ausgetragen. Auf der politischen Ebene werben die Arbeitgeber- und Industrieverbände bei der Bundesregierung dafür, das offizielle Renteneintrittsalter auf mindestens 70 Jahre heraufzusetzen, die Arbeitszeit auszuweiten, das Recht auf Streik zu begrenzen und die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall einzuschränken.
Zweitens: Die Arbeitgeber- und Industrieverbände hoffen auf autoritäre Mehrheiten in den Parlamenten. Beispielhaft dafür ist der Versuch von CDU/ CSU und FDP, Ende Januar dieses Jahres – zum ersten Mal seit dem Sieg über den deutschen Faschismus im Jahre 1945 – die parlamentarische Zusammenarbeit mit einer extrem rechten Partei, der AfD, zu suchen, um das sogenannte „Zustrombegrenzungsgesetz“ zu beschließen und auf diesem Wege die Migration noch stärker zu begrenzen. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist es besorgniserregend, dass Union und AfD derzeit in den Umfragen bundesweit eine politische Mehrheit von teils über 50 Prozent stellen.
Diese Hoffnung auf autoritäre Mehrheiten ist Ausdruck eines widersprüchlichen Kräfteverhältnisses, denn die Mehrheit der Unternehmen ist in globale Wirtschaftsbeziehungen und internationale Lieferketten eingebunden. Gleichzeitig hoffen sie, ihren Arbeitskräftebedarf durch Zuwanderung decken zu können. Die Mehrheit der Unternehmer hat zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein Interesse an einer Bundesregierung unter Beteiligung der AfD. Dennoch steigert der Druck der aktuellen wirtschaftlichen Lage die Erwartungshaltung an die nächste Bundesregierung, eine neue Wachstumsinitiative einzuleiten und dafür Steuern zu senken, Lohnnebenkosten zu reduzieren und den Sozialstaat abzubauen. Friedrich Merz weiß sehr genau, dass er, um diese Erwartungen erfüllen zu können, Mehrheiten ohne Sozialdemokraten und Grüne benötigt. Und das Schweigen der Arbeitgeber- und Industrieverbände zur Zusammenarbeit von Union und AfD zeigt, dass sie dies ebenfalls wissen. Bereits in den ersten Wochen dieses Jahres hatten sie sich regelmäßig zur Politik der Ampelregierung zu Wort gemeldet, aber ausgerechnet zum Tabubruch schwiegen sie. Hier zeigt sich, dass sie um die neoliberalen Schnittmengen von Union, FDP und AfD wissen und derartige Mehrheiten eher in Kauf zu nehmen bereit sind als Mehrheiten unter Beteiligung von SPD und Grünen.
Drittens: Die Bundesregierung bereitet sich auf den Krieg mit Russland vor und treibt eine umfassende Militarisierung voran. Führende Regierungsmitglieder sprechen schon seit längerem von einer neuen deutschen Führungsrolle. So begründete Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Rede an der Prager Karls-Universität im August 2022 die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine nicht etwa damit, dass Deutschland der Ukraine helfen müsse, sich gegen den russischen Aggressor zu wehren. Vielmehr wies er darauf hin, dass die USA sich auf den Konflikt mit China konzentrieren müssten und Europa daher als eigenständiger politischer Akteur unter der Führung Deutschlands gegenüber Russland auftreten müsse. Und der Vorsitzende der SPD, Lars Klingbeil, sagte in einer Grundsatzrede bei der Friedrich-Ebert-Stiftung sogar, dass Deutschland nach 80 Jahren der Zurückhaltung wieder zu neuer Führungsstärke gelangen müsse. Die Forderung des Bundesverteidigungsministers Boris Pistorius, dass Deutschland „wieder kriegstüchtig“ werden müsse, war also kein rhetorischer Fauxpas, sondern ist die Konsequenz der aktuellen Regierungspolitik, Deutschland in den geopolitischen Konflikten als eigenständigen Akteur zu positionieren.
Nicht zufällig also erfährt die Bevölkerung in Deutschland derzeit eine vollständige militaristische Durchdringung der Gesellschaft – dazu gehört Bundeswehrwerbung in Fußballstadien, in öffentlichen Schwimmbädern und auf Pizzakartons. Mit dem neuen „Bundeswehrförderungsgesetz“ wird das Lehrpersonal in Bayern dazu verpflichtet, Soldaten in den Unterricht einzuladen, um die Schüler auf den Dienst an der Waffe vorzubereiten. Im öffentlichen Kinderfernsehen wurde ein kriegsverharmlosender Animationsfilm über Waffenlieferungen an die Ukraine gezeigt. Und eine neue Vereinbarung zwischen Bundesverteidigungsministerium und der Bundesagentur für Arbeit regelt, dass Menschen ohne Arbeit künftig gezielt in die Bundeswehr vermittelt werden sollen.
Hinter dieser Militarisierung steht der Versuch, den Verlust an ökonomischer Stärke durch militärische Stärke zu kompensieren. Wir erleben derzeit, dass die ökonomische Konkurrenz zwischen den Staaten in eine militärische Konkurrenz umschlägt. Dabei werden Deindustrialisierung und die Angst vor dem ökonomischen Abstieg zum Treiber der Militarisierung.
Nicht zufällig drängen insbesondere die Vertreter der Rüstungsindustrie darauf, drei bis sogar fünf Prozent des BIP in die Rüstung zu investieren, um die Konjunktur anzukurbeln. „Was liegt denn näher, als wirtschaftliche und sicherheitspolitische Herausforderungen zu verbinden? Was liegt näher als drei oder fünf Prozent des BIP als Konjunkturprogramm für Deutschland zu verstehen“, fragt der Geschäftsführer des Rüstungsherstellers Hensoldt, Oliver Dörre. Und der Cheflobbyist der deutschen Rüstungsindustrie, Hans Christoph Atzpodien (Hauptgeschäftsführer des BDSV), überreichte dem wahrscheinlich künftigen Bundeskanzler Merz vor kurzem einen Zehn-Punkte-Plan, in dem er mehr Geld, mehr Planbarkeit, mehr Waffenexporte und mehr Fabriken für die Rüstungsproduktion forderte. Aber auch Ausnahmen bei Umweltschutzgesetzen – zwischen Sicherheit und Nachhaltigkeit müsse abgewogen werden, heißt es in dem Papier.
Die Bundesregierung reagiert auf die Offerte der Rüstungsindustrie mit Finanzierungszusagen für den Bau von Rüstungsfabriken, mit Großaufträgen und mit Abnahmegarantien. Gleichzeitig hält sie die Rüstungsunternehmen dazu an, bei der Produktion auf Serienherstellung umzustellen – so hat allein Rheinmetall auf Anraten der Bundesregierung seine Granatenproduktion seit Beginn des Ukrainekrieges mehr als verzehnfacht. Dass dahinter ein Plan steht, zeigt ein Blick in die im Dezember 2024 beschlossene „Nationale Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie“. Hier werden industriepolitische Schritte zur Expansion der heimischen Rüstungsindustrie festgelegt. Staatliche Zusagen sollen für unternehmerische Planbarkeit und eine garantierte Abnahmesicherheit sorgen. Gleichzeitig stehen die finanzielle Förderung für Unternehmen der Rüstungsindustrie sowie ein verbesserter Zugang zu Krediten und kapitalmarktbasierten Finanzierungen ebenso im Fokus wie der Zugang zu gut ausgebildeten Fachkräften und ein verlässlicher Zugriff auf Rohstoffe und Vorprodukte.
Die Bundesregierung sagt zudem die Prüfung einer engeren Verzahnung von ziviler und „sicherheits- und verteidigungsbezogener Forschung“ sowie deren Vorrang im Vergabeverfahren zu. Planungs-, Haushalts- und Beschaffungsprozesse sollen mit Blick auf die Rüstungsindustrie beschleunigt werden. Zudem wird die Bundesregierung „im regelmäßigen Austausch mit der Industrie weitere verlangsamende und hemmende Regulation identifizieren und bei Bedarf regulatorisch nachbessern“, heißt es in dem Papier. Dies wirft Fragen im Hinblick auf Vorgaben bei Klimaschutz und Nachhaltigkeit auf, aber auch in Bezug auf Arbeitszeit- oder Arbeitsschutzregeln. Insgesamt geht man dabei von einer Beschaffungspolitik für mindestens zehn Jahre aus.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung zeichnet sich eine ökologisch äußerst fatale Rüstungstransformation ab. Statt in die Verkehrswende zu investieren, in Schienen, Bahnen und Busse, werden Panzer, Kampfjets und Granaten hergestellt. Dies alles kurbelt freilich die Konjunktur an, führt aber dazu, dass die Wirtschaft nur in diesen Bereichen wächst.
Gleichzeitig geht die Militarisierung mit einem Angriff auf die arbeitenden Klassen einher – denn jeder Euro, der in den riesigen Rüstungshaushalten verschwindet, fehlt für soziale Sicherheit, gute Bildung, eine ausfinanzierte Kindergrundsicherung oder armutsfeste Renten. Ein Panzer kostet 27 Millionen Euro, ein Schuss aus dem neuen Panzerabwehrsystem der Bundeswehr 100.000 Euro. Für die Serienproduktion von Rüstungsgütern muss die Bundesregierung also riesige Summen mobilisieren. In der „Nationalen Sicherheitsstrategie“ hat sie bereits im Juni 2023 deutlich gemacht, dass das Geld für die Rüstungsausgaben über Einsparungen innerhalb des Haushaltes bereitgestellt werden soll.
Zudem werden die Gewerkschaften durch diese Entwicklung in die Defensive gedrängt: Denn wenn sich Deindustrialisierungserfahrungen, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und Angriffe auf den Sozialstaat zu einer Erzählung des Verzichts verdichten, ist das nicht Rückenwind für die Forderungen der Gewerkschaften nach guter Arbeit und kürzeren Arbeitszeiten. Vielmehr bekommen in dieser Atmosphäre die Arbeitgeber Rückenwind für ihre Forderungen nach Lohnverzicht, Abweichungen von Tarifverträgen und Rückschritten bei der Arbeitszeit.
Hinzu kommt: Die Kriegspolitik der deutschen Regierung kollidiert mit ihren Klimaschutzzielen. Beim Abfeuern von Geschossen und Marschflugkörpern und beim Einsatz von Militärflugzeugen, Panzern, Kampfjets oder Militärschiffen werden enorme CO2-Emissionen freigesetzt. Mit jedem Euro, den die Bundesregierung für die Aufrüstung der Bundeswehr genehmigt, mit jeder Waffenlieferung in die Ukraine oder nach Israel treibt sie die negative Klimabilanz in die Höhe. So liegt der jährliche CO2-Fußabdruck des gesamten deutschen Militärsektors bei mindestens 4,5 Millionen Tonnen – das entspricht dem Ausstoß von etwa einer Million Autos pro Jahr. Für den Ukraine-Krieg hat der niederländische Klimaforscher Lennard de Klerk errechnet, dass dort allein im ersten Jahr 120 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ausgestoßen wurden. Und ein britisches Forscherteam schätzt, dass in den ersten 60 Tagen der Bombardierungen von Gaza 281.000 Tonnen CO2 freigesetzt wurden, was einem Emissionsvolumen entspricht, wie es bei der Verbrennung von 150.000 Tonnen Kohle entsteht.
Die Auswirkungen dieser neuen Kriegstüchtigkeit auf den globalen Süden dürften enorm sein. Zum einen steigt mit jedem Tag das Eskalationsrisiko einer Konfrontation zwischen der NATO und Russland – insbesondere durch die Stationierung von US-amerikanischen Mittelstreckenraketen in Deutschland ab 2026. Dabei handelt es sich um Waffen, die durch die Radare schwer ortbar sind und in fünf Minuten Moskau erreichen können. Sie würden die USA in die Lage versetzen, Russland von deutschem Boden aus anzugreifen. Käme es auf der Grundlage dieser Provokation zu einem Krieg zwischen der NATO und Russland, wäre das kein regionaler Konflikt mehr, sondern vermutlich der Beginn eines Dritten Weltkrieges mit verheerenden Auswirkungen auf weitere Teile der Welt.
Außerdem ist zu erwarten, dass der riesige Finanzierungsbedarf von Rüstungsgütern zu Streichungen nicht nur beim Sozialstaat, sondern auch bei Entwicklungsgeldern führen dürfte. Der ehemalige liberale Außenminister Christian Lindner hatte in Anlehnung an Donald Trump bereits angekündigt, Entwicklungsgelder nur noch an Länder zu zahlen, die bereit sind, Geflüchtete wieder zurückzunehmen. Auch Friedrich Merz sprach sich für eine derartige Konditionierung aus. „Wenn ein Land ein zwielichtiges Verhältnis zu Terrorismus hat, kann es keine Entwicklungsgelder mehr geben“, sagte er zudem Ende Januar bei einer Veranstaltung der Körber-Stiftung in Berlin. Wie sehr zudem auch die internationale Zusammenarbeit der deutschen Außenpolitik untergeordnet werden könnte, wurde deutlich, als er eine Integration des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in das Auswärtige Amt nicht ausschließen wollte.
Vor allem aber ist zu befürchten, dass der Aufrüstungs- und Kriegskurs des Westens die Energieabhängigkeit des Südens weiter verstärken könnte. Die moderne Kriegsführung setzt auf Digitalisierung und „Ökologisierung“. Doch der Einsatz von Drohnen und Künstlicher Intelligenz steigern den Strombedarf bei der Kriegsführung enorm. Außerdem hat die Bundesregierung bereits 2020 in ihrer Nationalen Wasserstoffstrategie den Einsatz von Wasserstoff bei Fahrzeugen der Bundeswehr ins Auge gefasst. 2024 fand in den Niederlanden das erste NATO-Manöver statt, das ohne den Einsatz von fossiler Energie auskam und vollständig auf erneuerbare Energien setzte. Mit den Folgen dieses Ziels, „energieautonome Streitkräfte“ aufzubauen, wird vor allem der globale Süden durch eine zunehmende Energieausbeutung und die Zunahme von Klimakatastrophen zu kämpfen haben.
Um den drohenden Klimakollaps aufzuhalten, muss der Kampf für den Schutz unseres Klimas, für öffentliche Energiesysteme und eine sozial gerechte Dekarbonisierung mit einer Perspektive des Friedens verbunden werden. Deshalb diskutieren in den Gewerkschaften hierzulande immer mehr Mitglieder darüber, wie Klimabewegung, Friedensbewegung und Gewerkschaftsbewegung zusammengeführt werden können. Dabei entstehen inspirierende Projekte: So erfreuen sich die von den Gewerkschaften und der Rosa-Luxemburg-Stiftung organisierten „Gewerkschaftskonferenzen für den Frieden“ einer wachsenden Zuhörerschaft. Immer öfter werden zudem die Tarifkämpfe der Gewerkschaften von der Friedensbewegung unterstützt. Neue Streikformen werden gemeinsam mit der Klimabewegung organisiert. Und als Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sagte, der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst dürfe nicht so hoch sein, weil dies die Ausstattung der Bundeswehr gefährden würde, riefen ihm Teile der Friedensbewegung zu: Jetzt unterstützen wir die Gewerkschaften erst recht im Kampf für einen höchstmöglichen Tarifabschluss, damit möglichst wenig Geld für Militär und Krieg übrig bleibt!
Abschließend kann festgehalten werden: Wir leben in einer Katastrophenzeit, in der ein Kollaps der ökologischen, ökonomischen und sozialen Systeme nicht mehr unwahrscheinlich ist. Die Strategie der Herrschenden nach einer fortgesetzten Eskalation von Krise und Krieg muss daher mit einer Perspektive für eine solidarische und friedliche Gesellschaft beantwortet werden. Nein zu einer Gesellschaft, in der nur das Recht des Stärkeren zählt und Ja zu einer Gesellschaft, in der wir alle frei und gleich zusammenleben können – im Norden wie im Süden, der Norden mit dem Süden.