Faschismus mit modernem Gesicht

Der französische Front National sieht Trumps Sieg als Zeichen, dass seine Stunde bei der bevorstehenden Präsidentschaftswahl schlägt. Die Partei stellt sich als wählbare Alternative dar, doch in ihrem Herzen schlummert der Faschismus.

Vei der Suche nach den Gründen für den Aufstieg des Front National wird oft das weichere Image des FN unter der neuen Vorsitzenden Marine Le Pen angeführt. Das ist aber falsch. Sie mag das äußere Erscheinungsbild der Partei etwas verändert haben, aber die Parteigründer hatten von Anfang an das Ziel verfolgt, dem Faschismus ein modernes Gesicht zu geben. Auch Marine Le Pen verfolgt nach wie vor diese Strategie. Ihr wichtigstes Vorhaben war die »Entteufelung« (dédiabolisation) des Front National.

Sie greift aber nicht sehr weit. Unter der Führung ihres Vaters Jean-Marie Le Pen bekannten sich führende Mitglieder als Nazis und Rassisten. So sagte Jean-Marie Le Pen 1987 in einem Interview, die Gaskammern der Nationalsozialisten seien ein »Detail der Geschichte des Zweiten Weltkrieges« gewesen.

Für diese Aussage, die er über die Jahre hinweg immer wieder öffentlich wiederholte, wurde Le Pen mehrfach zu Geldstrafen verurteilt. Ebenso wurde er verurteilt, weil er Platten mit Liedern der Waffen-SS hergestellt und verkauft hatte.Das konnte Marine Le Pen aber nicht dazu bewegen, sich von ihrem Vater zu distanzieren. Zwar hat sie medienwirksam ein paar der als Nazis bekannten Mitglieder ausgeschlossen. Tatsächlich aber ist der vermeintliche Reinigungsprozess nur oberflächlich: Le Pen und viele Parteikollegen pflegen weiter intensive Kontakte zur faschistischen Rechten. So verkündete in Lille die FN-Jugendorganisation auf einer Veranstaltung mit Marine Le Pen die strategische Partnerschaft mit der »Union zur Verteidigung der Jugend« (UDJ), einer gewaltbereiten Pariser Studierendenverbindung. Wegen schwerer Körperverletzung an Muslimen standen zwei der Mitglieder im Februar 2012 bereits zum zweiten Mal vor Gericht.

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Ein ehemaliger Vorsitzender der Gruppe, Frédéric Chatillon, leitet die Kommunikationsagentur der Partei. Chatillon begleitete Le Pen auch auf ihrer offiziellen Italienreise und stellte den Kontakt zur neofaschistischen Bewegung MSI her. Ein weiteres ehemaliges UDJ-Mitglied, der Anwalt Philippe Péninque, arbeitet für Le Pen als politischer Berater.

Der Wahlkampfleiter der Region um Nantes, Christian Bouchet, ist ein bekannter Nazi-Kader. Sein Sohn betreut die offizielle Facebook-Seite Le Pens. »Marine Le Pen ist nicht dabei, sich der Antisemiten und der (katholischen) Traditionalisten zu entledigen«, sagt die französische Soziologin Marie-Cécile Naves. Die Mitherausgeberin eines Lexikons des Rechtsextremismus beschreibt die offensichtliche Strategie der Parteichefin so: »Wichtig ist es lediglich, dass die radikalsten Mitglieder weniger in den Medien und auf Demonstrationen sichtbar sind.«

Einen weiteren Beleg für die halbherzige Abkehr von radikalen Elementen liefert ein Blick in das Umfeld des umstrittenen Universitätsprofessors und FN-Spitzenpolitikers Bruno Gollnisch. Er unterlag 2011 knapp Marine Le Pen im Rennen um die Präsidentschaft der Partei. Gollnisch ist Abgeordneter im Europaparlament, Mitglied des Parteivorstands und Vorsitzender der FN-Fraktion in der Region rund um Lyon. Er gilt als Europas einflussreichster Nationalist und hat beste Kontakte zur extremen Rechten.

Die neuausrichtung des Front National unter Marine Le Pen folgt der Strategie eines Großteils der europäischen Rechten. Neben den bekannten Forderungen – weniger Einwanderung, mehr Geld für innere Sicherheit, Wiedereinführung der Todesstrafe – spricht sich der FN auch für die Abschaffung des Euro, neue Grenzkontrollen und wirtschaftlichen Protektionismus aus. Außerdem führte Marine Le Pen ein neues Feindbild ein: den Islam. »Es gibt zwar keine Panzer und keine Soldaten, aber eine Be- satzung ist es trotzdem«, erklärte die Parteichefin Le Pen 2014 zum Islam in Frankreich.

Nach den Pariser Attentaten zu Beginn des Jahres sah sich Le Pen bestätigt und schürte weiter Angst gegen Muslime. Daher ist es nicht verwunderlich, dass der FN ein Verbot von Kopftüchern in der Öffentlichkeit verlangt, ebenso wie ein faktisches Verbot des Baus von Moscheen.

Der Rassismus, dem die vier Millionen in Frankreich lebenden Muslime ausgesetzt sind, ist allgegenwärtig. So führt beispielsweise der französische Autor Michel Houellebecq derzeit mit seinem Roman »Unterwerfung« die Bestsellerlisten an. Darin beschreibt er, wie 2022 eine muslimische Partei die Stichwahl um das Präsidentenamt gewinnt und die französische Gesellschaft Stück für Stück unterjocht. Er schürt mit dieser Fiktion ganz gezielt Angst und Vorurteile in der Bevölkerung.

Foto: Martin Thomasflickr.comCC BY 2.0

Houellebecq ist kein Einzelfall. In ihrem Buch »Wie die französischen Eliten das ,muslimische Problem‘ geschaf- fen haben« beschreiben die beiden Soziologen Abdellali Hajjat und Marwan Mohammed wie es in allen Bereichen der französischen Kultur und Politik zu einem massiven Anstieg von islamfeindlicher Propaganda kam. Nicht nur diese Entwicklung hat den Kadern des FN Rü- ckenwind für ihre Hetze gegeben.

»Rassismus, Antisemitismus, Homophobie: Die Kandidaten des FN ohne Maske« titelt das französische Wochenmagazin L’Obs. So postete z. B. der FN Kandidat Jean-François Etienne auf seinem Facebookprofil Fotos von afrikanischen Flüchtlingsbooten mit dem Kommentar: »Ein oder zwei dieser Abfallschiffe versenken«. Kaum waren die rassistischen äußerungen des Kandidaten bekannt, kamen durch das Magazin L’Obs weitere ans Licht. Der FN verbindet seine Hetze gegen Muslime und Ausländer mit einer Anti-Austeritätspolitik, um auch ehemalige Wählerinnen und Wähler der Linken einzufangen. Mit dieser Mischung von Parolen gegen den Is- lam, Einwanderung, Euro und das deutsche »Spardiktat« fährt der FN zurzeit einen Wahlerfolg nach dem anderen ein. Bei der Präsidentschaftswahl 2012 wurde Le Pen Dritte, aus der Europawahl 2014 ging der FN als stärkste Kraft in Frankreich hervor, und zuletzt hatte er große Erfolge bei den Départementswahlen 2015.

Der antimuslimische Rassismus der bürgerlichen Mitte, insbesondere der Konservativen, machte es Le Pen leicht, sich als respektable Kraft darzustellen. Die Süddeutsche Zeitung schreibt: »2007 fügt der konservative Politiker Nicolas Sarkozy dem Front National mit einem betont rechten Wahlkampf eine herbe Niederlage zu. Ein kurzsichtiges Vorgehen: Durch seinen Rechtsruck macht Sarkozy viele Forderungen des FN salonfähig.« Sarkozy vereinte eine drastische Kürzungspolitik mit einer offen rassistischen Agenda, wie sie kein französischer Präsident der Gegenwart vertreten hat. Die Regierung verfügte Quoten für »illegale« Einwanderer und setzte diese auch rücksichtslos um. Flüchtlingscamps der Roma wurden in Trümmer geschlagen und Frankreichs muslimische Bevölkerung einer üblen und unaufhörlichen Hetzkampagne ausgesetzt. So hat der Staat Kleidungsvorschriften erlassen und die Freiheit des Gebets eingeschränkt:

Das öffentliche Tragen der Verschleierung wurde untersagt, Beten auf der Straße verboten. In seiner Wahlkampagne trat Sarkozy streckenweise in Le Pens Fußstapfen, indem er Panik wegen halal geschlachteten Fleischs schürte. Die Islamophobie von etablierten Politikern und Parteien hat den FN legitimiert.

Der aufstieg des Front National zeigt, welche Gefahren von rechts drohen, wenn Regierungen die europäische Wirtschaftskrise auf Kosten der Menschen bewältigen wollen. Doch der FN kann geschlagen werden. In den 1990er Jahren mobilisierten Antifaschistinnen und Antifaschisten gegen die Treffen der Rechten und beteiligten sich an einer Kampagne der »demokratischen Belagerung« des Front National. Im Manifest gegen den Front National hielt der ehemalige Vorsitzende der Sozialdemokratie Jean-Christophe Cambadélis fest, man müsse alle linken Kräfte gegen Veranstaltungen, Kundgebungen, Infostände der FN mobilisieren. Der Höhepunkt der Gegenbewegung war eine Großdemonstration am 29. März 1997 in Straßburg gegen den Parteitag des Front National. Das half, eine Spaltung des FN zu provozieren, von der er sich lange nicht erholte. 1999 verließ der wichtigste Mann hinter Le Pen den FN, Bruno Mégret. Dieser gründete das Mouvement National Républicain als neue rechte Partei und nahm 5.000 Mit- glieder des FN mit. Auch als Jean-Marie Le Pen es 2002 schaffte, mit 4,8 Millionen Stimmen in die zweite Run- de der Präsidentschaftswahlen zu ziehen, brachten Massenproteste den Front National erneut in Bedrängnis. Auf dem Höhepunkt der Bewegung protestierten über eine Million Menschen am 1. Mai in Paris.

Neben den Demonstrationen in Paris fanden rund 400 Veranstaltungen in anderen Städten statt. Diese breite Bewegung gegen den FN verhinderte einen Wahlsieg und drängte die Partei erneut zurück. Auf diesen Erfahrungen kann die Linke in Frankreich aufbauen. Dafür muss sie den Front National und die Hetze gegen den Islam, die den Rassismus in Frankreich respektabel ge- macht hat, aktiv konfrontieren.

Der Artikel erschien in der neuen Ausgabe des Marx21 Magazins. Bis zum 20. Februar könnt ihr euch hier ein kostenloses Probeabo bestellen.

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