„Beethovens Bunte“ ist ein queeres Straßenfest, bei dem Kinder Regenbögen auf Tassen malen, und Erwachsene zu Aufklärungsständen gehen, um die Freiwilligen wiederum aufzuklären, dass die Probleme von LGBTQ+ Menschen schon lange gelöst seien.
Tatsächlich ist die Anzahl der polizeilich erfassten Gewaltdelikte gegen die sexuelle Orientierung im vergangenen Jahr laut Statistischem Bundesamt um knapp ein Drittel gestiegen. Doch dieser müßige Akt, Bewohner*innen Bonns queere Lebensrealitäten nahe zu bringen, fiel dieses Jahr – wie so vieles – coronabedingt aus. Die Lücke wurde von einem Bündnis verschiedener queer-feministischer Gruppen genutzt, um im August 2020 erstmalig eine Pride Demonstration in der Stadt stattfinden zu lassen.
Das Bündnis PRIDE Demo Bonn zentrierte bewusst politische Queerheit statt Lokalpatriotismus in Form von Beethoven, dem letzten Wahrzeichen der ehemaligen Hauptstadt. Es ist mindestens indirekt als Gegenentwurf zum CSD in Köln zu verstehen: komplett unkommerziell, frei von politischen Parteien und Parolen wie „Einigkeit, Recht und Freiheit“ – dem Motto, das sich die Kölner Veranstalter*innen ursprünglich gaben.
Konsum über politischem Protest
Geplant war also ein Versuch sich vom Partyschatten der nahen Großstadt zu emanzipieren. Doch zwei Tage vor der Demo sprach die Stadt ein Verbot aus und die Veranstalter*innen mussten auf eine kleine Kundgebung ausweichen. Das war das Resultat von Kooperationsgesprächen mit der Polizei und einer vergeblichen Klage gegen diese Repressionen beim Verwaltungsgericht. Alex Münster, ein*e der Veranstalter*innen berichtet:
„Unter ‚Kooperation‘ schien die Polizei dabei zu verstehen, uns unter Druck zu setzen, die Demo selbstständig abzusagen.“
Die Polizei mag zwar einmal jährlich lächelnd die CSD-Proteste tolerieren, um ein progressives, bürgerliches Image zu pflegen, doch die Bonner Ereignisse zeigen die „Weigerung eine queere Bewegung auch jenseits einer Partyparade denken zu können. […] Wenn uns unsere politische Motivation nicht zugestanden wird, ist das entmündigend und letztlich antidemokratisch!“
Obwohl das Bündnis stets von höchstens 500 Teilnehmenden sprach, hieß es im Ablehnungsbescheid 10.000 Menschen würden erwartet, die Hygieneauflagen seien somit nicht erfüllbar. Die Polizei drohte damit, dass die physische Sicherheit und Bewegungsfreiheit der shoppenden Passant*innen nicht gewährleistet werden könnte, und warnte vor juristischen Konsequenzen für die Demoanmelder*innen. Eine Person des Orga-Teams kommentierte: „Diesem System sind seine Bürger*innen am liebsten, wenn sie konsumieren und bloß nicht zu laut werden.“ Absurderweise war es dann die Polizei, die Widerspruch zur Maskenpflicht als Grundvoraussetzung für die Teilnahme am Demozug einlegte: dies verstoße gegen das Vermummungsverbot. Auch die Kompromissbereitschaft des Bündnisses bezüglich Startpunkt und Demoroute blieb erfolglos.
Selektiver Coronaschutz
Im gleichen Monat sollte die Stadt Hanau weniger als einen Tag vor der Gedenkdemo für die Opfer des rassistischen Anschlags diese unterbinden. Auch hier wurden Anstrengungen die Veranstaltung coronagerecht zu gestalten für unmöglich erklärt und die Betroffenen entmündigt . Migrantifa Berlin erklärte, der Schmerz Betroffener würde nicht ernst genommen, stattdessen rechte Gewalt und ihre Auswirkungen verharmlost. “In manchen Teilen der BRD können Rechtsextreme Seite an Seite mit Verschwörungstheoretiker*innen und „Corona-Leugner*innen“ ohne Hygienekonzept im fünfstelligen Bereich laufen, eine anti-faschistische und anti-rassistische Gedenkdemo aber nicht.“
Am Jahrestag eines weiteren rassistischen Anschlags (Halle), wurde das älteste queerfeministische Hausprojekt der BRD geräumt. Der immense Kosten- und Gewaltaufwand bei der illegalen Räumung der Berliner Liebig34 ist nur das aktuellste Beispiel dafür, dass sich die Polizei zwar gerne queerfreundlich gibt, aber diese Toleranz auf liberale Assimilationanstrengungen begrenzt ist. Dort, wo die freiheitlichen Anstrengungen die Anerkennung der Ehe für Homosexuelle übersteigen, endet der Schutz durch staatliche Institutionen. Das zeigen die Repressionen in Pandemiezeiten mehr denn je:
Mehrfach-marginalisierte Menschen werden in einem Coronakrisengebiet der Wohnungslosigkeit überlassen, während Eigentum statt Leben geschützt wird. Doch ob in der ehemaligen oder der heutigen Hauptstadt; ob vor, während oder post-Corona: Queere Menschen, BIPoCs, Jüdinnen und Juden werden sich weiterhin in emanzipatorischenKämpfen weigern, sich ihre Existenzen im Stadtbild nehmen zu lassen!
Der Beitrag erschien von Meike Völker in gedruckter Form in der neuen Critica.
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