Sozialismustage – Der Kongress für eine sozialistische Zukunft – Im Gespräch mit Lucy Redler

Lucy Redler

Sozialismus ist der zentrale Begriff in der linken Theorie, zu den kommenden Ostertagen finden in Berlin die Sozialismustage statt, auf denen sowohl über aktuelle Themen, wie auch über den Kampf gegen das kapitalistische System und die Überwindung dessen gesprochen werden soll. Wir haben mit Lucy Redler, Mitglied im Parteivorstand der Linken und im Bundesvorstand der SAV, die den Kongress organisiert, über den Kongress und die dort stattfindenden Debatten gesprochen.

Die Freiheitsliebe:  Zu Ostern finden in Berlin die Sozialismustage statt, was hat es sich damit auf sich?

Lucy Redler: Die Sozialismustage sind ein offener Kongress, der jedes Jahr zu Ostern in Berlin stattfindet. Ein Kongress gegen Krieg, Rassismus und Kapitalismus. Er findet vom 30.03 bis zum 01.04 im Haus des Neuen Deutschlands statt und hat den Anspruch, betriebliche Aktive, wie auch Aktive von Linke, Linksjugend und aus sozialen Bewegungen zusammen zu bringen. Letztes Jahr waren mehr 500 Menschen da, dieses Jahr rechnen wir mit einer noch höheren Beteiligung. Unter den Rednerinnen und Rednern sind auch viele internationale Aktivistinnen und Aktivisten. Der Kongress wird von der Sozialistischen Alternative organisiert.

Die Freiheitsliebe:  Ihr habt auch die erste sozialistische Stadträtin der USA auf eurem Kongress. Wie ist es gelungen, dass in den USA eine Sozialistin gewählt wurde?

Lucy Redler: Kshama Sawant ist Mitglied von Socialist Alternative und wurde 2013 als erste sozialistische Stadträtin seit fast hundert Jahren in den Stadtrat von Seattle gewählt. Grundlage waren unterschiedliche Kampagnen, die sie mit ihrem Antritt verbunden hat. Über die Nutzung ihrer öffentlichen Position durch den Stadtratssitz und die Verbindung mit den Protesten ist es gelungen, den höchsten Mindestlohn der Welt (15 Dollar) durchzusetzen. Sawant versteht ihre Position vor allem als Mittel, um sozialen Bewegungen zum Durchbruch zu verhelfen, dadurch war es auch möglich, ihre Wiederwahl durchzusetzen. Sie spielt auch in der Debatte, ob es eine neue linke Kraft braucht, eine ganz wichtige Rolle, sowohl in Opposition zu Demokraten als auch selbstverständlich zu Trump und den Republikanern. Auch über diese Frage wird sie bei den Sozialismustagen, zum Beispiel bei der Veranstaltung Samstag abend, sprechen.

Die Freiheitsliebe:  Ihr habt am ersten Tag ein Podium mit Aktiven aus der ganzen Welt, welche Rolle spielt bei euch die internationale Vernetzung?

Lucy Redler: Eine große Rolle, weil wir das kapitalistische System nur international überwinden können und voneinander lernen wollen. Zum Auftakt spricht beispielsweise ein LGBTIQ-Aktivist und Gewerkschafter aus Russland. Auch der ehemalige Vorsitzende der Schülergewerkschaft Kataloniens wird da sein und über die Situation und die Unabhängigkeitsbewegung dort sprechen. Clare Doyle aus unserem internationalen Sekretariat spricht über die drohende Kriegsgefahr und stellt in einer zusätzlichen Veranstaltung am Samstag ihr Buch zu Frankreich 1968 vor. Sie alle werden sicher wichtige Aspekte in die Konferenz einbringen.

Die Freiheitsliebe:  Ihr habt Veranstaltungen zur Novemberrevolution, wie auch zu 200 Jahre Marx oder zum kommunistischen Manifest, welche Relevanz spielen die heute?

Lucy Redler: Viele Ideen die Marx und Engels nieder geschrieben haben, sind heute immer noch aktuell, wenn es darum geht, wie wir Ausbeutung bekämpfen können, wie der Kapitalismus funktioniert und wie wir eine sozialistische Gesellschaft erkämpfen können. Wir diskutieren heute in der Linken darüber, wie eine moderne Klassenpartei aussehen kann, da können Marx Texte und seine Lehren helfen. Da können wir wichtige Anregungen bekommen. Unsere Abschlussveranstaltung beschäftigt sich auch mit 200 Jahre Marx und wie seine Ideen uns bei kämpfen helfen können. Es gibt aber auch Veranstaltungen zu, Leben und den Ideen Rosa Luxemburgs und eine mit der marxistischen Feministin Frigga Haug, die im Aktionsrat zur Befreiung der Frauen 1968 aktiv war und über ihre Erlebnisse 1968 sprechen wird.

Die Freiheitsliebe:  Du hast schon ausgeführt, dass wir heute noch von Marx lernen können. Du selbst diskutierst mit Bernd Riexinger über die Frage, wie wir zu einer Massenpartei kommen können. Allerdings spielt diese Frage in der Linken gerade weniger eine Rolle als die Auseinandersetzung zwischen Fraktion und Partei, warum diskutiert ihr trotzdem über diese Frage?

Lucy Redler: DIE LINKE startet gerade eine Kampagne zu den Themen Pflege und Mieten und setzt damit richtige Schwerpunkte. Bernd Riexinger und ich wollen darüber diskutieren, wie wir aus Kämpfen und Kampagnen eine starke sozialistische Massenpartei aufbauen können. Dafür müssten sich auch die Zeit und Ressourcen, die Partei und Fraktion in parlamentarischer Arbeit im Verhältnis zu außerparlamentarischen Kämpfen stecken, grundlegend ändern.

In dem Sinne werden wir auch über innerparteilich strittige Themen diskutieren wie den Vorschlag einer linken Sammlungsbewegung mit Teilen von SPD und Grünen oder wie ich sie nenne, linken Wahlverein. Natürlich sprechen wir auch über eine sozialistische Position zu Migration und Einwanderung oder diskutieren mit dem Chef der Staatskanzlei in Thüringen, Benjamin-Immanuel Hoff, und der kritischen linken Abgeordneten, Johanna Scheringer-Wright, über die Bilanz von Rot-Rot-Grün in Thüringen.

In der angesprochenen Veranstaltung mit Bernd Riexinger werden wir auch nach vorne diskutieren und dort soll es vor allem darum gehen, wie wir die AfD bekämpfen können und wie wir die Arbeiterklasse heute erreichen können und welche Ansprache wir dafür brauchen. Da spielt natürlich auch die von Bernd aufgeworfene Frage eines neuen Normalarbeitsverhältnisses eine Rolle, aber auch die, wie wir die Beschäftigten im Gesundheitssektor erreichen können. In Berlin bin ich gemeinsam mit anderen Mitgliedern der LINKEN beim Volksentscheid für Gesunde Krankenhäuser aktiv und unterstützen auch die tariflichen Kämpfe für Mindestbesetzung im Krankenhaus. Es soll darum gehen, wie eine Partei in Bewegung aussehen und wie sie Gebrauchswert entwickeln kann.

Die Freiheitsliebe:  Ihr habt auch eine Veranstaltung zur Organisierung von Beschäftigten in diesem Bereich, warum ist der Gesundheitssektor für euch so zentral?

Lucy Redler: Weil die Kolleginnen und Kollegen hier begonnen haben, für  grundlegende Verbesserungen ihrer Arbeitsbedingungen und eine bedarfsgerechte Personalbemessung selbst aktiv zu werden. Los ging es mit dem Streik an der Charité 2015. Ein einziger erfolgreicher Streik hat den Anstoß für eine bundesweite Tarifbewegung und erste Zugeständnisse der Bundesregierung gegeben. Dieser Kampf hat eine wichtige politische Dimension, weil er das gesamte System der Fallkostenpauschalen und des Neoliberalismus im Gesundheitswesen in Frage stellt. Ich freue mich, dass Carsten Becker und Stephan Gummert von ver.di Charité, Silvia Habekost von ver.di Vivantes und Stefan Jagel von ver.di Augsburg und viele Auszubildene gemeinsam darüber diskutieren, wie eine wirksame bundesweite Strategie aussehen kann. Dazu soll auch ein Extra-Vernetzungstreffen im Rahmen der Sozialismustage dienen.

Die Freiheitsliebe:  Ihr diskutiert auch über die Frage von Rot-Rot-Grün in Thüringen, wie siehst du Regierungsbeteiligungen und warum hältst du es für wichtig, mit Befürwortern zu diskutieren?

Lucy Redler: Ich bin gegen Regierungen mit prokapitalistischen Parteien wie SPD und Grünen. Es gibt kein historisches Beispiel, bei dem linke Regierungsbeteiligungen mit bürgerlichen Parteien grundlegende Verbesserungen im Interesse der Lohnabhängigen, RentnerInnen und Erwerbslosen erreicht oder gar den Kapitalismus abgeschafft hätten. Eigentlich haben diese Beteiligungen immer die Linke geschwächt, selbst wenn sie einzelne kleine Verbesserung durchsetzen konnten. Aber die Linke ging immer geschwächt daraus hervor und hat viele Verschlechterungen mitgetragen. Das berühmteste aktuelle Beispiel dafür ist Syriza in Griechenland. Wir wollen das ganze konkret am Beispiel Thüringen diskutieren. Ich denke, dass die Debatte nur profitieren kann, wenn auch ein Befürworter wie Benjamin-Immanuel Hoff auf dem Podium sitzt. Viele in der Partei haben dazu ja auch keine abgeschlossene Meinung. Eine solche kontroverse Debatte kann auch helfen, die eigenen Argumente zu schärfen.

Die Freiheitsliebe:  Danke dir für das Gespräch, gibt es noch etwas, dass du unseren Leserinnen und Lesern mitteilen möchtest?

Lucy Redler: Es wird ein großartiger und motivierender Kongress mit vielen jungen und motivierten Leuten. Der Kongress lebt davon, dass sich jeder und jede konkret einbringen kann und wir gemeinsam aus Diskussionen praktische Ideen entwickeln. Wie Marx sagte: Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern.

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