Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Waffenlieferant von Israel. Seit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 auf Israel hat Deutschland seine Waffenlieferungen verzehnfacht. Ungeachtet der brutalen und mittlerweile offensichtlichen Kriegsverbrechen der israelischen Armee in Gaza, hat Deutschland immer noch keinen generellen Lieferstopp für Waffen an Israel verfügt.
Die Kriegsführung der israelischen Armee veranlasste schließlich Südafrika eine Klage wegen Völkermords gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag zu erheben. In der „Völkermord-Klage“ Südafrikas hatte der IGH in einer ersten Entscheidung am 26. Januar festgestellt, dass das Vorbringen Südafrikas unter die „Genozid-Konvention“ vom 9. Dezember 1948 fällt und nach dem Vortrag ein Genozid an den Palästinensern in Gaza „plausibel“ ist. Deutschland hat sich der Position Südafrikas nicht etwa angeschlossen, sondern als einziges Land gar einen Beitritt auf der Seite Israels angekündigt.
Zahlreiche Länder, darunter Spanien, Belgien und Kanada, haben bereits ihre Waffenlieferungen an Israel ausgesetzt. Ebenso die Niederlande, nachdem das Berufungsgericht in Den Haag weitere Waffenlieferungen aufgrund des Risikos der Verletzung des Völkerrechts untersagte.
Am 19. Februar haben mein Mandant und sein in Gaza lebender Vater eine Klage und einen entsprechenden Eilantrag auf Stopp der Waffenlieferungen an Israel nach den Kriegswaffenkontrollgesetz (KrWaffKontrG) gestellt (Aktenzeichen VG 4 K 45/25, VG 4 L 44/24). Der deutsch-palästinensische Kläger wurde am 11. Oktober 1984 in Gaza geboren. Er kam im Rahmen seines Medizinstudiums nach Deutschland und wurde im Jahr 2014 in Deutschland eingebürgert. Derzeit arbeitet er als Oberarzt im Bereich Kindermedizin auf einer Intensivstation einer Berliner Klinik. Ein großer Teil seiner Familie befindet sich noch in Gaza. Jedoch hat er seit dem 7. Oktober 2023 bereits 27 Familienmitglieder bei den Angriffen der israelischen Armee verloren. Sein Vater, ebenfalls Kläger im Verfahren, seine Mutter und Schwestern befinden sich auf der Flucht im Norden von Gaza.
In Deutschland gibt es im Hinblick auf Klagen gegen Waffenlieferungen zwei Besonderheiten. Die deutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit kennt, bis auf wenige Ausnahmen, keine Popularklagen. Als Popularklage wird eine Klage bezeichnet, bei der eine Person oder Gruppe, die durch die angegriffene Entscheidung oder Handlung nicht direkt in ihren eigenen Rechten betroffen ist, Klage erheben kann. Die Ablehnung der Popularklage hat zur Folge, dass in Deutschland nur die Person klagen kann, welche direkt vom hoheitlichen Eingriff in ihre höchstpersönlichen Rechte betroffen ist. In den Niederlanden sind dagegen Popularklagen zulässig, deshalb konnte die Menschenrechtsorganisation Oxfam direkt gegen die Waffenlieferungen klagen und somit eine Kontrolle der Waffenlieferungen durch das Gericht erzwingen. In Deutschland braucht es dagegen einen Kläger, der durch die Waffenlieferungen in seinen Rechten verletzt wird.
Von einer möglichen Verletzung des humanitären Völkerrecht mit Hilfe deutscher Waffen können direkt nur Menschen vor Ort in Gaza betroffen sein. Daraus ergibt sich eine weitere entscheidende prozessuale Fragestellung für die Klage und den entsprechenden Eilantrag, nämlich ob sich Menschen außerhalb Deutschlands auf die deutschen Grundrechte berufen können und damit justiziable Rechte gegen deutsche Hoheitshandlungen haben. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies in seiner „Ramstein-Entscheidung“ eingeschränkt bejaht. Für den deutsch-palästinensischen Kläger gelten die Grundrechte uneingeschränkt, jedoch ist er nicht direkt von den Kampfhandlungen in Gaza betroffen, ob sein direkt betroffener Vater in Gaza einen in Deutschland gerichtlich durchsetzbaren Grundrechtsschutz genießt, wirft eine rechtliche Problematik im Rahmen der Prüfung der Klagebefugnis auf.
Eine weitere Besonderheit in Deutschland ist die Unterteilung von Waffen in Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern, quasi „gefährliche“ Waffen- und Waffensysteme und „nicht so gefährliche“ Kriegsausrüstung wie etwa Motoren, Aufstellvorrichtungen für Waffen oder Ortungsgeräte. Einzig für Genehmigungen von Kriegswaffen wird über das KrWaffKontrG die Beachtung des Völkerrecht explizit vom Gesetzgeber verlangt. Das KrWaffKontrG führt den Verfassungsauftrag nach Art. 26 Abs. 2 GG aus, wonach Kriegswaffenexporte zwingend der Genehmigung der Bundesregierung bedürfen. Nach dem KrWaffKontrG haben Genehmigungen von Kriegswaffen zu unterbleiben, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die Bundesrepublik hierdurch gegen ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen verstößt.
Das Verfahren zur Ausfuhr von sonstigen Rüstungsgütern ist nicht über das KrWaffKontrG geregelt und kann damit nicht über diese Norm gerichtlich überprüft werden. Diese spezielle deutsche Unterscheidung nutzten die Vertreter Deutschlands vor dem IGH ebenfalls bei der Verteidigung gegen die Klage von Nicaragua, bei der Deutschland Beihilfe zum Genozid vorgeworfen wird. Die deutsche Vertretung trug vor, dass seit Anfang des Jahres 2024 lediglich nur noch drei Genehmigungen für Kriegswaffen erteilt wurden, der Rest betrifft nur sonstige Rüstungsgüter. Anders als in den meisten deutschen Medien dargestellt, wies der IGH den Antrag Nicaraguas nicht als pauschal unbegründet ab, sondern betonte, dass die Umstände „zum jetzigen Zeitpunkt“ die Anordnung vorläufiger Maßnahmen nicht erfordert. Der IGH stellte jedoch klar, dass er solche Maßnahmen in Zukunft anordnen könnte. Das Gericht wies Deutschland darauf hin, dass es einem neuen Antrag Nicaraguas nachkommen werde, wenn es den Export von Kriegswaffen und anderer militärischer Ausrüstung nach Israel wieder aufnimmt, die zur Begehung oder Erleichterung schwerer Verstöße gegen die Genozidkonvention oder die Genfer Konventionen verwendet werden können.
Die von uns geführte Klage und der Eilantrag vor dem Berliner Verwaltungsgericht auf Versagung der Genehmigungen nach dem KrWaffKontrG betrifft nur Genehmigungen für Exporte von Kriegswaffen.
Die Kläger berufen sich auf Art. 1 GG , Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 25 GG, Art. 26 GG i.V.m., Art. 19 Abs. 4.GG. Die Kläger machen den Schutzanspruch aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, auf Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit geltend, sowie den Schutz ihrer Volksgruppe, der Volksgruppe der Palästinenser, vor einem drohenden Genozid, aus dem Grundrecht der Menschenwürde in Art. 1 GG. Nach unserer Auffassung verstößt die Bundesregierung spätestens seit der Entscheidung des IGH vom 26. Januar mit weiteren Genehmigungen für Kriegswaffenexporte gegen die Schutzpflichten aus Art. 1, Art. 2 Abs.2, Satz 1 GG und Art. 25 Satz 2, 2 HS GG und damit auch Art. 7 Abs. 1, 3 und 7 ATT und Art. 2 Abs. 2 c) des Gemeinsamen EU-Standpunktes, nach dem EU-Mitgliedsstaaten, eine eine Ausfuhrgenehmigung „verweigern […], wenn eindeutig das Risiko besteht, dass die Militärtechnologie oder die Militärgüter, die zur Ausfuhr bestimmt sind, verwendet werden, um schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht zu begehen“.
Ein individuelles Klageverfahren und den entsprechenden Eilantrag auf Stopp von Genehmigungen für Kriegswaffenexporte hat es in Deutschland bis dato noch nicht gegeben. Entsprechend kontrovers wurde es von den Juristen in Deutschland diskutiert und wegen fehlender Klagebefugnis vorwiegend bereits als unzulässig eingestuft. Umso erstaunlicher war es, dass das Verwaltungsgericht Berlin am 26. April in unserem Verfahren eine Zwischenverfügung erließ, in der im Falle weiterer Genehmigungen von Kriegswaffenexporten an Israel durch die Bundesregierung ein Hängebeschluss angekündigt wurde, der die Genehmigungen bis zur Entscheidung über den Eilantrag untersagen würde. Letztendlich hat das Verwaltungsgericht Berlin den Eilantrag am 10. Juni als unzulässig abgewiesen. Dabei ging es jedoch nicht auf die Frage der Klagebefugnis ein. Es verneinte das schützenswerte Interesse der Kläger an einem vorbeugenden einstweiligen Rechtsschutz. Nach Ansicht des Gerichts ließ sich zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht mit der dafür erforderlichen Bestimmtheit absehen, unter welchen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen die Bundesregierung bei künftigen Exportgenehmigungen Entscheidungen treffen werde. Dabei hat das Verwaltungsgericht die Angaben der Bundesregierung genügen lassen, dass bei bereits erteilten und künftigen Genehmigungen jeweils im Einzelfall die Genehmigungen im Lichte des Völkerrechts geprüft werden. Vorliegend bestünden keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Entscheidung völkerrechtliche Verpflichtungen der Bundesregierung verletzen würde. Das Gericht vertritt die Ansicht, dass bereits das umfangreiche Prüfprogramm, das einer Genehmigung vorausgeht, die Zweifel gegenüber der ordnungsgemäßen Kriegswaffenexportkontrolle ausräumen.
Gegen diese Entscheidungen haben wir in unserem Verfahren Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin eingelegt (Aktenzeichen OVG 1 S 46/24). Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die Beschwerde am 9. August 2024 abgewiesen und dabei die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin bestätigt. Auch wenn von Verwaltungsgerichten der Eilantrag auf Stopp der Genehmigungen für Waffenexporte letztlich als unzulässig abgewiesen wurde, haben die Klage und Eilanträge dazu beigetragen, dass Deutschland nicht uneingeschränkt liefern konnte, wie es im Namen der Staatsräson angekündigt hatte. Als Erfolg dieser Klage und des Eilantrags, sowie der Klage von Nicaragua hat die Bundesregierung faktisch im Zeitraum März bis 21. August 2024 keine Genehmigungen für Kriegswaffenexporte erteilt. Unsere Klage ist weiter anhängig, so dass wir weiter das Ziel eines Stopps der Waffenlieferungen an Israel verfolgen. Nach der Ankündigung des Bundeskanzlers am 10. Oktober, dass Deutschland demnächst weitere Waffen an Israel liefern wird, wurde im Namen der Kläger am 13. Oktober ein erneuter Eilantrag auf Stopp der Genehmigung für Kriegswaffenexporte beim Verwaltungsgericht Berlin gestellt (Aktenzeichen VG 4 L 801/24). Wir gehen davon aus, dass wir durch diesen erneuten Eilantrag zumindest eine weitere Lieferung hinauszögern können.
Ein Beitrag von Beate Bahnweg. Beate Bahnweg ist Rechtsanwältin und vertritt die Kläger in dem laufenden Verfahren.
2 Antworten
Tolle Initiative, der ich größtmöglichen Erfolg wünsche. Ich würde mich als Bürgerin sofort der Klage anschließen. Als nicht direkt Betroffene ist das leider nicht möglich. Wobei Deutschland durch dieses Verhalten der Reputation des Landes erheblich schadet. wodurch ich dann wiederum direkt betroffen wäre. Das ’nie wieder‘ ist mir wichtig. Die BuReg hat es ausser Kraft gesetzt. Wie sehen das die Rechtsexperten?
Stopp, die Waffenlieferung an ein Land wo Völkermord stattfindet. Ich möchte nicht, dass man mit meinem Steuergeld sowas unterstützt wird. Sonst wird es eine Steuerzahlererin weniger geben.