Am 30 April 1941 besetzten die faschistischen Truppen Deutschlands und Italiens Griechenland. Dieser Tag war ein Tag der Niederlage, doch ihm folgte der heroische Widerstand der griechischen Bevölkerung gegen den Faschismus.
Es ist dunkle Nacht, als Manolis Glezos und sein Freund Apolostos Santas das Felsmassiv besteigen, auf dem die Akropolis steht. Wir schreiben den 30. Mai 1941, seit vier Tagen weht die Hakenkreuzfahne über dem Wahrzeichen von Athen. Deutsche Truppen haben die griechische Hauptstadt als Teil ihres Balkanfeldzugs erobert. Bei ihrem Einmarsch ins Land zog die Wehrmacht eine Blutspur hinter sich her, jetzt entfaltet sie den Terror der Besatzer.
Die beiden 19-jährigen wollen ein Zeichen setzen, ein Fanal des Widerstandes. Sie holen die Hakenkreuzfahne ein und hissen die griechische Flagge. Diese Aktion macht Manolis und Apolostos zu antifaschistischen Legenden – und setzt den Startpunkt für die größte und erfolgreichste Partisanen- und Widerstandskampagne gegen die Naziherrschaft in Europa.
Nazis errichten Terrorregime
Für Hitlerdeutschland war Griechenland ein strategischer Mittelmeerzugang, aber vor allem eine zu plündernde Region. Die Besatzungstruppen konfiszierten Fahrzeuge, Maschinen und Nahrungsvorräte. Auf diese Weise lösten sie eine soziale Katastrophe aus. Allein im Großraum Athen starben in den beiden Wintern zwischen 1941 und 1943 über 100.000 Menschen den Hungertod. Die Säuglingssterblichkeit stieg auf 80 Prozent. Wer nicht starb, zehrte völlig aus. Im Oktober 1944 wurden 300 Kinder in Athen untersucht. Von ihnen waren 290 an Tuberkulose erkrankt.
Die Wehrmacht, die durch den Widerstand der Griechen beim Einmarsch unerwartet hohe Verluste zu verzeichnen hatte, errichtete ein Terrorregime. Kurz nach Einnahme der griechischen Insel Kreta gab General Kurt Student einen Befehl heraus, der zur Blaupause für die gesamte Besatzungszeit wurde: „Es ist einwandfrei festgestellt, (…) dass sich die Bevölkerung von Kreta (auch Frauen u. Jugendliche) im weitesten Umfange am direkten Kampfe beteiligt hat. (…) Jetzt ist die Zeit gekommen, (…) Vergeltung zu üben und Strafgerichte abzuhalten, die auch als Abschreckungsmittel für die Zukunft dienen sollen.“ Gemeint war unter anderem „die Ausrottung der männlichen Bevölkerung ganzer Gebiete“. Diese Maßnahmen sollten „mit größtmöglicher Beschleunigung“ durchgeführt werden „unter Beiseitelassung aller Formalien u. unter bewusster Ausschaltung von Gerichten“.
Tatsächlich führten die deutschen Truppen massenhaft Tötungsaktionen auf der Mittelmeerinsel durch und verursachten großflächige Zerstörungen. Nach griechischen Schätzungen wurden innerhalb von drei Monaten mindestens 2000 Kreter ermordet. Unmittelbar nach der Besetzung Griechenlands starteten die Deutschen die Verfolgung der dort lebenden Juden. Die 50.000 jüdischen Bewohner Thessalonikis wurden binnen Wochen fast vollständig deportiert. Damit wurde eine der größten Gemeinden in der Diaspora mit einer 2000 Jahre alten Geschichte ausgelöscht.
Im ganzen Land kämpfen Partisanen
Gegen diese Repressionen formierte sich der griechische Widerstand, dessen zentrale Kraft die Kommunistische Partei (KKE) war. In der zweiten Jahreshälfte 1941 gründete sie die Nationale Befreiungsfront (EAM) und deren militärischen Arm, die Griechische Befreiungsarmee (ELAS). Diese führte ab Mitte 1942 im gesamten besetzten Gebiet einen Partisanenkampf, griff deutsche Armeeposten an und führte Sabotageakte durch.
Die Wehrmacht reagierte mit der gewohnten Härte. Am 16. Dezember 1942 erließ das Oberkommando für Griechenland den Befehl, dass der Kampf gegen Partisanen „mit den allerbrutalsten Mitteln“ geführt werden solle. Die Truppe sei „berechtigt und verpflichtet, ohne Einschränkung auch gegen Frauen und Kinder jedes Mittel anzuwenden, was zum Erfolg führt. Rücksichten, gleich welcher Art, sind ein Verbrechen gegen das deutsche Volk und den Soldaten an der Front.“
Das bekräftigte auch der Chef des Wehrmachtsführungsstabes, Alfred Jodl. Er stellte nachdrücklich klar, dass die Truppe keinerlei Beschränkungen unterläge. Die Soldaten könnten auch mit Frauen und Kindern „machen, was sie wollen“. Jodl hob hervor: „Sie dürfen sie aufhängen, verkehrt aufhängen oder vierteilen.“
Volksaufstand gegen die Nazis
Der Terror nahm dermaßen große Ausmaße an, dass sich der Ministerpräsident der von den deutschen eingesetzten Kollaborationsregierung genötigt fühlte, seinem Dienstherr zu schreiben, dass bei Fortsetzung dieser Kampfführung Griechenland binnen kürzester Zeit vollkommen zerstört sein würde. Er beklagte, dass „einige Dörfer des griechischen Epirus infolge von Erschießungen völlig ausgerottet wurden. So wurde das Dorf Komeno bei Arta, das 1000 Einwohner gezählt hatte, Opfer einer furchtbaren Dezimierung. 750 Einwohner dieses Dorfes wurden von deutschen Soldaten erschossen. In dem Dorf Lyngiades bei Paramythia wurden 82 Einwohner erschossen, unter diesen 42 Kinder unter 15 Jahren.“
Den Kampfgeist des Widerstandes brach dies nicht – im Gegenteil, die ELAS erhielt massiven Zulauf. Gestartet war sie 1942 mit wenigen Hundert Kämpfern und noch weniger Waffen. Binnen zwei Jahren war aus dem Kampf gegen die Besatzer ein Volksaufstand geworden. Ende des Jahres 1944 engagierten sich zwischen 40.000 und 100.000 Kämpferinnen und Kämpfer in ihren Reihen. Die EAM war in dieser Zeit sogar auf 1,2 bis 1,8 Millionen Mitglieder angewachsen – bei einer Einwohnerzahl Griechenlands von etwas über sieben Millionen. Besonders von der jungen Generation stand eine große Mehrheit hinter EAM und ELAS – obwohl ihr hartes Vorgehen gegen jeden, den sie der Kollaboration verdächtigten, nicht unumstritten war.
Im September 1944 begann die Wehrmacht schließlich mit dem Abzug. Er wurde erzwungen durch den Vormarsch der alliierten Truppen an Ost- und Westfront, aber auch durch eine Widerstandsbewegung, die längst viel mehr war als nur ein Guerillakampf.
Briten installieren Militärregime
Griechenland hatte sich also zu großen Teilen selbst von der Besatzung befreit, unter der Führung einer linksgerichteten Massenbewegung. Als nun britische Soldaten in Griechenland landeten, wurden sie als Verbündete begrüßt. Doch keine drei Monate später befanden auch sie sich in heftigen Gefechten mit der ELAS.
Denn schon längst hatten die Alliierten die Machtbereiche der Nachkriegsordnung abgesteckt. Griechenland war dem britischen Bereich zugeteilt worden, alle Länder nördlich davon jedoch der Sowjetunion. Das Letzte, was Winston Churchill wollte, war eine kommunistisch beeinflusste Massenbewegung an der Macht. Daher plante der britische Premierminister die Restauration des stramm antikommunistischen Militärregimes, das vor dem Einmarsch der Nazis in Hellas geherrscht hatte. Notwendige Voraussetzung zur Herstellung der Vorkriegsordnung war die Ausschaltung der EAM als Machtfaktor und die Entwaffnung der ELAS.
Genau um dieses zu leisten, waren die Briten unter dem Kommando von General Ronald Scobie einmarschiert. Churchill hatte dem Militärkommandeur und dessen Stab klare Befehle gegeben: „Nicht die Deutschen bekämpfen, sondern die Kontrolle über Athen herstellen.“
Hilfe aus Moskau bleibt aus
Die britischen Truppen allein waren zu schwach, eine Entwaffnung der ELAS durchzusetzen. Daher suchten sie sich Verbündete vor Ort. Die fanden sie in den Truppen des griechischen Kollaborationsregimes, die vorher an deutscher Seite gekämpft hatten und jetzt als sogenannte „Sicherheitsbataillone“ unter britischen Befehl gestellt wurden. Diese Sicherheitsbataillone gingen sofort zum Angriff gegen die EAM über: Sie verwüsteten Büros, überfielen und verprügelten Anhänger der Linken. Vollends eskalierte der Konflikt, als die Briten die vollständige Entwaffnung und Auflösung der ELAS verlangten.
Gegen den rechten Terror und die Auflösung der ELAS gingen am 3. Dezember 1944 eine halbe Million Menschen in Athen auf die Straße. Mit Duldung der britischen Armee griff die Polizei die Kundgebung an und erschoss Dutzende Demonstranten. Hunderte wurden verletzt. Als sich die ELAS-Einheiten gegen Polizei und paramilitärische Kräfte wehrten, griff die britische Armee ein. Churchill schrieb an seine Generäle: „Zögern Sie nicht zu handeln, als befänden Sie sich in einer eroberten Stadt, in der eine lokale Rebellion ausgebrochen ist.“ Britische Truppen wurden von der italienischen Front abgezogen. Zum Höhepunkt der Intervention standen 75.000 Soldaten des Empire in Griechenland, allein 25.000 davon im Großraum Athen. Die Schlacht um die Hauptstadt zog sich über Wochen hin, mit erbitterten Straßen- und Häuserkämpfen. Die britische Luftwaffe bombardierte tagsüber pausenlos jene Viertel der Stadt, die als Hochburgen der ELAS galten. Zeitweilig wurde sie von der US-amerikanischen Luftwaffe unterstützt.
Letztendlich zerbrach die griechische Befreiungsbewegung an der militärischen Übermacht der Alliierten. Während der Kämpfe wurden Tausende ELAS-Kämpfer getötet. Die Briten deportierten etwa 8000 Linke in Lager in Nordafrika, weitere 4000 sperrten sie in Griechenland ein. Die Organisationen der Arbeiterbewegung in Athen und Piräus waren zerschlagen. Bis 1949 zog sich der Bürgerkrieg hin. Er endete mit der vollständigen Niederlage der Kommunisten. Bis zuletzt hatten sie auf Hilfe aus der Sowjetunion gehofft, doch die kam nicht. Stalin wusste: Je härter die Alliierten in Griechenland vorgingen, desto besser konnte er die Ausschaltung missliebiger politischer Kräfte in „seiner“ Einflusszone rechtfertigen.
Griechenland: Putsch der Obristen
Der beim Abzug der Wehrmacht spürbare linke Aufbruch war innerhalb von fünf Jahren in einem Debakel geendet. Zehntausende linksgerichteter Griechen wurden bereits während des Bürgerkrieges interniert oder mussten ins Exil flüchteten. Fortan regierten in Athen autoritäre Regierungen, zum Teil herrschte sogar eine Militärdiktatur, die zu den brutalsten in Europa zählte. Doch wiederum war es die Härte von Repression und Unterdrückung, die einem neuerlichen Aufschwung linker Bewegung den Boden bereitete. Es war ein Ereignis, das zum Symbol dieses Aufschwungs wurde: der Studentenaufstand an der Polytechnischen Universität in Athen am 17. November 1973.
Die Studierenden, die damals ihre Universität besetzten, lebten bereits sechs Jahre unter der Diktatur. Im Jahr 1967 hatten sich die sogenannten Obristen an die Macht geputscht. Ihre Machtübernahme war ein Präventivschlag gegen die zunehmend linke Stimmung, die sich im Rahmen der globalen Studentenbewegung auch in Griechenland ausbreitete. Gleich nach dem Putsch wurden mehr als 10.000 Personen verhaftet, unter ihnen zahlreiche alte Veteranen der Partisanenkämpfe gegen die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg. Die Obristen rechtfertigten ihre Erhebung als „Revolution zur Rettung der Nation“. Sie behaupteten, eine kommunistische Verschwörung in der Verwaltung, dem Bildungswesen, den Medien und sogar in der Armee habe einen Umsturz vorbereitet.
Besonders die Jugend stand im Fokus der Generäle. Eine Depesche der Militärregierung vom 25. April 1967 zählt die Maßnahmen auf, die Innen- und Erziehungsministerium zur „Disziplinierung der Jugend“ getroffen hatten. Demnach mussten „die jungen Männer auf anständiges Aussehen achten, sauber und gepflegt sein und vor allem kurzgeschnittene Haare tragen. Die Beatles und Beatniks, diese ausländischen Früchte des amerikanischen Halbstarkentums, werden in Griechenland nicht mehr geduldet.“ Die Mädchen durften keine kurzen Röcke mehr tragen, sondern mussten „schicklich gekleidet sein“. Außerdem wurde allen Schülern befohlen, „jeden Sonntag die Messe zu besuchen und während der Karwoche zum Abendmahl zu gehen“.
Die Tyrannen zittern
Der Widerstand gegen diese Politik begann im Jahr 1972 mit der Forderung nach freien Wahlen der studentischen Körperschaften an den Universitäten. Zuvor hatte die Junta massiv in die universitäre Verwaltung eingegriffen und missliebige Studentenvertretungen abgesetzt. Im Februar 1973 besetzten die Hochschüler die juristische Fakultät. Sie forderten die Freiheit von Lehre und Bildung. Da das Regime nicht nachgab, wurde aus einem lokalen Studentenprotest eine politische Großkonfrontation.
So besetzten die Studierenden am 14. November 1973 die gesamte Polytechnische Universität und riefen über einen eigens auf dem Campus eingerichteten Radiosender die Bevölkerung zur Solidarität auf. Sie forderten, was vorher niemand gewagt hatte: den Sturz der Militärregierung. Auf Transparenten am Universitätsgebäude war zu lesen: „Wenn die Menschen keine Angst mehr haben, beginnen die Tyrannen zu zittern.“ Das Signal kam an, Tausende versammelten sich vor der Universität zur Unterstützung der Studierenden. Bauarbeiter besetzten die Präfektur von Attika, der Region rund um die Hauptstadt. Mit jedem Tag wuchs die Zahl der Demonstranten. Zehntausende befanden sich auf den Straßen Athens. Es waren die größten Versammlungen seit Beginn der Diktatur.
Die Staatsführung befahl der Armee, den Aufstand niederzuschlagen. In den frühen Morgenstunden des 17. November ließ sie, nachdem die städtische Beleuchtung ausgeschaltet worden war und das Gelände weitgehend im Dunkeln lag, einen Panzer das Eingangstor niederwalzen, an das sich zahlreiche Menschen klammerten. Soldaten erstürmten die Hochschule. Der Aufstand wurde zermalmt, Dutzende Studenten bezahlten ihren Mut mit dem Leben. Die genaue Zahl der Opfer wurde nie ermittelt.
Den Obristen war es zwar gelungen, die Bewegung niederzuschlagen. Doch mit der blutigen Aktion waren ihre Tage gezählt. Ein Jahr später, nach einer misslungenen Invasion auf Zypern, fiel das Regime auseinander. Der 17. November ist mittlerweile ein Nationalfeiertag in Griechenland.
Der Beitrag erschien zuerst bei Marx21