Die Todeslisten der Sonderlinge

Immer mehr „Prepper“ bereiten sich auf den Untergang von Staat und Gesellschaft, den „Tag X“, vor. Was skurril klingt, ist manchmal brandgefährlich. Von Alexander Hummel

Der Berliner Sachbearbeiter Andi (Name geändert) sitzt mit seinem vor kurzem selbstgeschnitzten Holzspeer im Brandenburger Wald auf einem Baum und wartet. Er wartet, dass Wildtiere unter ihm vorbeiziehen. Seinen Speer will er dann mit Wucht auf ein Tier herabsausen lassen, es anschließend häuten, ausnehmen und über offenem Feuer braten. Zumindest ist dies der Plan für die Zeit nach dem Tag X, wofür Andi dieses Wochenende trainiert.

Andi ist Prepper. Der Begriff leitet sich ab vom englischen prepare. Prepper sind Menschen, die sich in ihrer Freizeit für Not- und Extremsituationen rüsten. Manche horten dafür Nahrung und bauen sich Bunker, andere bereiten Fluchtfahrzeuge vor; viele trainieren das Überleben in Wäldern fernab der Zivilisation – so auch Andi, der unter der Woche im Büro Verwaltungseingaben bearbeitet und bei seinen Kolleginnen und Kollegen, u.a. weil er einen guten Kaffee kocht, sehr beliebt ist. Dieses Wochenende übt Andi mit 20 anderen Männern bei einem Überlebensseminar für den Tag X – so nennen Prepper den Tag des Zusammenbruchs der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung, auf den sie sich vorbereiten.

Andi glaubt, dass wenn die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinanderdriftet, es zu gewalttätigen Konflikten kommt. Es ist sein persönliches Szenario für den Tag X, von denen es in der Szene etliche gibt. Sie reichen von Naturkatastrophen und wochenlangen Stromausfällen, über den nuklearen Super-GAU bis hin zu Kriegen und Terrorismus. Immer mehr Menschen bereiten sich darauf vor.

Auch Rechtsradikale darunter

Eine 30-köpfige rechtsradikale Prepper-Gruppe, die vor zwei Jahren bekannt wurde, nennt sich „Nordkreuz“. Ihr Szenario für den Tag X ist die Ankunft von hunderttausenden Geflüchteten in Deutschland, wie es im Jahr 2015 geschah. Für diesen Fall haben sie Waffen und Munition gehortet, 200 Leichensäcke bestellt und eine Todesliste angelegt. Den Tag betrachten sie als Chance unliebsame Politikerinnen und Politiker zu ermorden. Nicht nur Bürgermeister und große Namen stehen auf ihrer Liste, auch einfache Stadträte, Journalistinnen, Journalisten und im AStA Rostock engagierte Studis. Derartige Prepper sind in der Szene eine sehr kleine Minderheit und werden Doomer genannt. Sie bereiten sich nicht nur auf den Tag X vor, sondern fiebern ihm entgegen.

Der Verfassungsschutz beobachtet „Nordkreuz“ seit 2016. Seit zwei Jahren tagt in Schwerin eine Prepper-Kommission eingerichtet durch Landesinnenminister Lorenz Caffier (CDU). Diesen Sommer sollte ein Zwischenbericht der Kommission erscheinen, doch der lässt auf sich warten.

Die Gruppe „Nordkreuz“ ist mit ähnlichen Gruppen, die sich „Süd-, West- und Ostkreuz“ nennen, vernetzt. Auch bestehen enge Kontakte zum rechtsradikalen „Hannibal-Netzwerk“ in der Bundeswehr. Die Todesliste mit Namen und Adressen wurde über Dienstcomputer der Polizei recherchiert. Neben gewöhnlichen Polizisten, sind auch ein SEK- und LKA-Beamter sowie Bundeswehrsoldaten bei „Nordkreuz“. Die meisten Mitglieder sind Bundeswehrreservisten. Derweil möchte das Bundeskriminalamt die Todesliste mit 25.000 Namen weder veröffentlichen noch alle Personen darauf warnen. Stattdessen wird beschwichtigt.

Für den Staat wäre es ein Leichtes gegen rechtsradikale Prepper vorzugehen. Nordkreuz ließe sich verbieten, die Mitglieder könnten wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung verhaftet und ihre Waffen beschlagnahmt werden. Doch er tut es nicht.


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