Forgotten women – Warum Kopftuchverbote frauendiskriminierend sind

Foto: tuffix.net

Das aktuelle Urteile vom Bundesverfassungsgericht und des Augsburger Verwaltungsgericht gegen ein Kopftuchverbot zugunsten von Rechtsreferendarinnen und Lehrerinnen ist eine positiver Schritt in Richtung Gleichberechtigung, sie sind aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Frauen sind heute gesetzlich und politisch gleichberechtigt, dennoch sind sie noch in allen gesellschaftlichen Bereichen unterdrückt und diskriminiert.

Eine Anfrage der Linken in Frühjahr 2016 ergab, dass der Gender Gap bei 21,6 % liegt, so groß wie in kaum einem anderen Land in Europa. Die größten Opfer dieser mehrdimensionalen Benachteiligung sind kopftuchtragende Frauen, die „Forgotten women“ unserer Gesellschaft.

Das Kopftuch: Eine postkolonialer Perspektive

Die Infragestellung von Kopftuchverboten ist verbunden mit der kritischen Auseinandersetzung von Deutungsmuster, Rollenbildern und Machtstrukturen als komplexe Dichotomie von Herrschenden und Beherrschten, die ihren Ursprung im Kolonialismus haben. Frantz Fanon beschreibt in seinen Publikationen zum Algerienkrieg, wie in der französischen Kolonialisierungsstrategie die algerische Frau als Schlüssel zur Beherrschung der Kolonien verstanden wurde. Dies zeigte sich in Propagandaplakaten und kollektiver Zwangsentschleierungen in öffentlichen Zeremonien, die für die AlgerInnen bis heute als eine symbolische Demütigung gelten. Um über sie verfügen zu können, bedeutete die ,,Entschleierung‘‘ unter dem Denkmantel der Befreiung der unterdrückten Frau das Brechen ihres Widerstandes.

Rechtswissenschaftler Cengiz Barskanmaz erkennt zu Recht: ,,Über den Körper der Frau wird die Machtkonstellation zwischen dem Westen und dem Islam verhandelt.‘‘ Eine Analyse des heutigen öffentlichen Diskurses vermittelt den Eindruck, dass sich die Frau mit dem Kopftuch zu einer altertümlichen Frauenrolle bekennt und das Abnehmen sie zur emanzipierten und modernen Frau machen würde. Nicht nur rechtspopulistische Parteien agieren ganz im Rahmen des hier dargestellten ,,kolonialen‘‘ Muster, die sich mit Verbotsforderungen für die vermeintliche Gleichberechtigung der Frauen einsetzen. SPD Mitglied Sarrazin unterstellt in seinem antimuslimischen Bestseller Frauen die Unterordnung unter den Mann, Alice Schwarzer bewertet sie als Extremisten. Da stellt sich doch die Frage: Wer hat eigentlich die Definitionsmacht über das Kopftuch und warum darf insbesondere ein Mann darüber urteilen, wie Frau sich zu kleiden hat?

Ignorierte Ungleichbehandlung im Arbeitsmarkt: Frauendiskriminierung und psychologischer Druck

Der Bericht des ENAR Forgotten women: the impact of Islamophobia on Muslim women (2016) präsentiert, dass muslimische Frauen am stärksten unter der Islamfeindlichkeit in Europa leiden und insbesondere im Arbeitsleben geschlechtsspezifischer, ethnischer und religiöser Benachteiligungen ausgesetzt sind. Diverse Studien zeigen, dass Bewerberinnen, die ein Kopftuch tragen, nicht einmal zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden, total unabhängig von Qualifikationen. Dies wird begründet mit Stereotypen und Vorurteilen in denen Frauen als rückständig, politisch gewalttätig oder noch tragischer als ,,familiärer‘‘ angesehen werden, also sich angeblich eher für die Familienplanung entscheiden und so wirtschaftliche Nachteile für das Unternehmen auslösen würden.

Frauen befinden sich vor folgendem Dilemma: Ausgrenzung hinnehmen oder das Kopftuch ablegen. Doch Ausgrenzung und Arbeitsverbote verstärken u.a eines, Frauen werden (finanziell) abhängig von ihrem Ehemann oder Vater. Das Kopftuch ist auch kein Symbol des Islam per se, denn eine Frau ist u.a. auch dann eine gläubige Frau, wenn sie keines trägt. Es ist Ausdruck einer persönlichen Überzeugung, die den Charakter der Person maßgeblich mit ausmacht und daher nicht einfach so während der Arbeitszeit abgelegt werden kann. Auch wenn die psychologische Zwangslage in der sich heute Kopftuchtragende Frauen befinden nicht mit der französischen Entschleierungskampagne direkt vergleichbar ist, zeigt es eines: Das nicht freiwillige Ablegen ist demütigend! Weitere Verbote bedeuten Zwang, eine spezifische Form der Unterdrückung von Frauen. Diese paradoxe Praxis von Kopftuchverboten sind analog zu Kopftuchzwängen, in beiden Fällen gesteht man niemanden die Entscheidungsfreiheit zu.

Im Diskurs wird die Deutungshoheit und Definitionsmacht über das Kopftuch von unterschiedlichen Lagern beansprucht und fremdbestimmt, die die eigentliche Lebenswelt der Betroffenen selbst ignoriert. Die Debatte blendet den offensichtlichen geschlechterdiskriminierenden Charakter aus. Das Kopftuch ist immer noch eines der erkennbarsten Markierungen, die eine Muslimin mit sich trägt, das als Projektionsfläche von antimuslimischen Rassismus per se geworden ist und insbesondere von rechtspopulistischen Parteien, (aber nicht nur !) mit ihren antifeministischen Inhalten, zunehmend stigmatisieren und ausgrenzen. Frauen machen von ihrem Menschenrecht der Religionsfreiheit Gebrauch und sollten demnach vorurteilsfrei begegnet werden, als Individuen anerkannt und nicht mit vorurteilbelastenden Konstruktionen. Gegen Kopftuchverbote zu sein ist daher weniger eine Positionierung für das Kopftuch oder dem Islam sondern eine Entscheidung gegen Diskriminierung!

Ein Gastbeitrag von Yasmine Souhil, Lehramtsstudentin und studentische Mitarbeiterin an der Universität Duisburg-Essen. Als Referentin für Internationales engagiert sich u.a. für den interkulturellen und interreligiösen Dialog und beschäftigt sich inhaltlich mit dem Verhältnis von Staat und Religion.

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7 Antworten

  1. antilogisch verwirrt wie gehabt:
    -nicht das Kopftuch gilt hier als Symbol für die Unterdrückung der frau, sondern dessen verbot!
    (komisch nur, daß nach der Befreiung einer syrischen Stadt von der ISIS viele Frauen dort zuerst Kopftuch oder burka ablegten)
    -und daß es auch ein Symbol für die Unterordnung unter den mann sei, sei nur eine Behauptung von sarazin sowie eine Rassist.-Faschist. Projektionsfläche!
    da nützen keine gegenkommentare, da muß der Psychiater ran.
    (jetzt schnell wieder löschen und sich vor unangenehmer Wahrheit schützen!)

    erinnert mich an eine demo die ich sah „gegen das kopftuchverbot in Deutschland“ (welches kopftuchverbot?) wo ich den vorbeiziehenden Frauen empfahl, doch mal in ihren ländern „für das recht ohne Kopftuch“ zu demonstrieren und zu schauen was passiert. dafür bekam ich beinahe eine auf die fresse, denn -man ahnt es schon- diese demo der „Frauenrechtlerinnen“ war fest in der Hand der mitlaufenden und parolen vorgebenden isl. Männer.
    die Autorin hier scheint auf diese art „emanzipiert“ zu sein.

      1. ich denke du weißt sehr genau, daß ich meinte, die sollten mal in ihren Herkunftsländern für das recht demonstrieren, ohne Kopftuch laufen zu dürfen.
        und ob für die alle bereits deutschl. das Herkunftsland ist, weißt du doch nicht.
        war das jetzt alles was dir an gegen“argument“ einfiel?

      2. Aha, also können Frauen aus Deutschland kein Kopftuch tragen, sondern sie haben ein anderes Herkunftsland? Weil Deutsche ja kein Kopftuch tragen und Menschen mit „Migrationshintergrund“ auch nach zig Generationen „Ausländer“ bleiben. So zumindest lese ich deine Absätze.

    1. Sowohl durch ein Kopftuch-Verbot als durch auch eine Kopftuch-Pflicht werden Frauen in ihrem Recht auf religiöse Selbstbestimmung eingeschränkt und damit diskriminiert. Ist das so schwer zu verstehen. Eigentlich sogar nicht nur in ihrer religiösen Selbstbestimmung, sondern auch in ihrer kleidungsbezogenen, fällt mir grad auf.

      Mag sein, dass es in manchen Milieus auch in Deutschland eine Kopftuch-Pflicht gibt, die nicht vom Staat sondern von Familienstrukturen ausgeht. Das ist ehrlich scheiße, ein Kopftuch-Verbot würde aber nichts daran ändern. Das führt nur dazu, dass diese Opfer von Diskriminierung weiter Eingeschränkt und vielleicht gar nicht mehr in öffentliche Räume gelassen werden. Außerdem seit wann ist Diskriminierung ein angebrachtes Mittel gegen Diskriminierung? Nein, um solche Milieus aufzubrechen braucht es andere Mittel.

      Was aber ein anderes ernst zu nehmendes Problem ist, welches in dem Artikel aufgezeigt wird und das sich durch all diese Debatten über ein Kopftuch-Verbot noch verschlimmert, ist die Diskriminierung, die Frauen, die es aus welchem Grund auch immer tragen, aushalten müssen. Zum Beispiel dass man eine Frau, die ein Kopftuch aus religiöser Überzeugung trägt, für Unterdrückt und Rückständig hält.

      Aber mal ehrlich „lieber“ Günter, geht es hier wirklich um die Freiheit und das Wohlergehen der betroffenen Frauen oder viel mehr um irgendeine Art von Kultureller Dominanz, die sie als vermutlich weißer, heterosexueller, männlicher Mensch über „ihr Deutschland“ aufrecht erhalten wollen?

      1. nein, Polaroid, du liest in mein posting hinein was du hineinlesen willst, genau wie kerekes, der ganz andere gründe hat um gegen mich zu polemisieren.
        hättest du schon mehr von mir hier gelesen, wüßtest du daßi ich als altkommunist auf Deutschland scheiße, und noch nichtmal hetero bin.
        ich bin nur genauso gegen die Islamisierung -egal von welchem land- die kerekes &co. für eine rechte Erfindung halten.
        die Mehrheit aller rev. Sozialisten &Kommunisten aus vielen ländern mit denen ich sprach, wissen das besser als die Handvoll „weißen, heterosexuellen“ 20jährigen Studenten von der Redaktion hier (wo weder eine frau noch ein schwuler drinsitzen) und die sich am Schreibtisch realitätsfremde konstrukte basteln („es gibt keine grenzen der Aufnahmefähigkeit“) und auch nicht aus dem disaster der Iran. linken nach 1979 (Unterstützung der Islamisten bis sie aufgehängt wurden) lernen wollen.
        die arbeiterkommunist. Partei Iran hat vor jahren den Zentralrat der ex-Muslime gegründet; deutsche linke halten das für rechts.
        in Frankreich stimmen KPF &Trotzkisten im Parlament für das verbot vonj Kopftuch, burka u.ä.; deutsche linke halten das für rassistisch.
        das nicht immer die anderen falsch liegen sondern man selbst das sein könnte, halten die Handvoll freiheitsdiebe hier für ausgeschlossen.
        offenbar hat Deutschland die dümmste linke der welt.

      2. es gibt viele Gründe, Kopftuch zu tragen.
        Manche Frauen tragen es , weil sie dazu gezwungen werden,
        andere aus Gewohnheit,
        wieder andere, weil sie es chic und trendy und cool und poppig finden und
        Schließlich gibt es noch solche, die damit provozieren wollen, die dem Gegenüber vermitteln wollen:
        Schaut her, ich bin Muslima und stolz darauf, egal was ihr anderen dazu denkt und meint. Kann man machen, Geschmacksache.
        Alles das ist mir persönlich egal. Relevant wird es, wenn es um bestimmte Ämter und Positionen geht.
        Eine Richterin mit Kopftuch zum Beispiel ist so lange indiskutabel, solange sie nicht glaubhaft machen kann, dass das Grundgesetz bei ihr über der Scharia steht. Man sollte nicht so naiv sein zu glauben, dass das muslimische Kopftuch einfach nur ein Bekleidungsstück ist. Es ist auch ein entweder erzwungenes oder aber bewusst „formuliertes“ Bekenntnis. Deshalb muss die Debatte seriös und unaufgeregt geführt werden. Und immer im Blick behalten, an welcher Stelle im gesellschaftlichen Raum sich die mögliche Verbotsfrage stellt. Da der Islam erklärtermassen, im Gegensatz zu Christentum, Judentum, Buddhismus …….., politische Ziele und Ansprüche hat, muss man hier besonders achtsam sein. Dass ist keine „Islamophobie“, sondern das Ernstnehmen der selbstdeklarierten Ansprüche und Absichten des Islam. Das allmähliche Eindringen der Scharia in sensible politische Räume kann nicht ernsthaft gewünscht werden. Und die Religionsfreiheit hat da ihre Grenzen, wo sie mit dem Grundgesetz kollidiert. Dass die Gefahr einer solchen Kollision beim Islam besonders groß ist liegt in seiner eigenen Natur, nicht in den Vorstellungen rechter oder linker oder sonstiger Leute.

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