Sprengstoff für Israel auf der deutschen MV Kathrin: Die Bundesregierung duckt sich weg

Alexandria Port. By Ahmed zaki, pexels.

Die Ladung des deutschen Frachters MV Kathrin sorgt für diplomatische Spannungen: Mit RDX-Sprengstoff für Israel an Bord wirft der jüngste Hafenstopp in Ägypten Fragen über eine mögliche Unterstützung der israelischen Kriege durch die ägyptische Regierung auf. Medial und juristisch gerät die Bundesregierung zunehmend unter Druck, ihre Rolle in dem brisanten Transport zu klären.

HINTERGRÜNDE: MV Kathrin: Deutsches Schiff mit explosiver Fracht für Israel entfacht weltweite Empörung

Am Montag, den 28. Oktober, legte das Schiff nach Angaben von mehreren Open-Source-Schiffstracking-Websites im Hafen von Alexandria in Ägypten an. Amnesty International bestätigte diese Informationen und erklärte, die ägyptische Regierung habe der MV Kathrin erlaubt, im Hafen von Alexandria anzulegen und zu entladen.

Die ägyptische Faktencheck-Plattform Saheeh Masr berichtete am 30. Oktober unter Berufung auf eine Quelle im Hafen von Alexandria, das Schiff sei am frühen Morgen des 28. Oktober eingetroffen und habe am 29. Oktober an einem Kai der ägyptischen Marine angelegt. Sie zitieren eine Quelle und einen Augenzeugen, die berichten, dass in der Nacht des 29. Oktober schweres Gerät eingesetzt wurde, um die Fracht des Schiffes zu entladen. Sie berichten auch, dass das Schiff nach dem Entladen nicht mehr für die Fracht verantwortlich war.

Am 31. Oktober gab eine Gruppe prominenter ägyptischer Aktivist*innen, darunter der international bekannte Menschenrechtsanwältin Mahienour El-Masri, bekannt, dass sie beim ägyptischen Generalstaatsanwalt eine Petition eingereicht hätten, in der sie die Beschlagnahmung des Schiffes und die Unterbindung weiterer Waffenlieferungen an Israel forderten. Darüber hinaus forderten sie eine Untersuchung des konkreten Vorfalls der Anlandung und Entladung der MV Kathrin in Alexandria und forderten die ägyptische Regierung auf, sich nicht an einem genozidalen Krieg zu beteiligen. Später am selben Tag erklärte das ägyptische Militär auf Facebook und X: „Die ägyptischen Streitkräfte weisen kategorisch und unmissverständlich die Anschuldigungen zurück, die in den sozialen Medien und durch verdächtige Accounts verbreitet wurden, Israel in seinen militärischen Operationen zu unterstützen, und bestätigen, dass es keine Form der Zusammenarbeit mit Israel gibt“. Darüber hinaus gab das ägyptische Verkehrsministerium am selben Tag eine widersprüchliche Erklärung ab, die falsche und irreführende Informationen enthielt. Einerseits weist es die Vorwürfe zurück, einem deutschen Schiff das Anlegen erlaubt zu haben, bestätigt aber gleichzeitig, dass das Schiff in Alexandria angelegt habe. Außerdem erklärt sie, dass die gelöschte Ladung ausschließlich für das ägyptische Ministerium für militärische Produktion bestimmt gewesen sei, und bezeichnet die MV Kathrin als ein Schiff portugiesischer Nationalität.

Am 3. November legte die MV Kathrin, die vermutlich bereits entladen war, im Hafen Haydarpaşa in Istanbul an und wurde von pro-palästinensischen türkischen Aktivisten gestürmt, die „Mörder Kathrin, raus aus der Türkei“ riefen. Das Schiff verließ den Hafen in den frühen Morgenstunden des 4. November und befindet sich laut Schiffstracking-Websites derzeit im Kretischen Meer nahe der türkischen Südküste auf dem Weg zum türkischen Hafen Çanakkale.

Mit Blick auf die deutsche Beteiligung fragte der Journalist Florian Warweg am 23. Oktober in der Bundespressekonferenz nach der völkerrechtlichen Verantwortung der Bundesregierung, wenn eine deutsche Reederei ein unter deutscher Flagge fahrendes Schiff mit RDX-Sprengstoff in ein Land schicke, das der Internationale Gerichtshof (IGH) in diesem Jahr als plausiblen Täter eines Völkermordes anerkannt habe. Es war das zweite Mal innerhalb von vier Wochen, dass er diese Frage stellte. Die Sprecherin von Außenministerin Annalena Baerbock, Kathrin Deschauer, sagte, sie verfüge über diese Information nicht und werde sich aber gerne informieren. Seit der ersten Anfrage im September habe es aber keine neuen Erkenntnisse gegeben. Sie erklärte zudem, dass das Auswärtige Amt „für rüstungsexportpolitische Fragen nicht federführend“ sei, obwohl Warweg betonte, dass es sich um eine völkerrechtliche Frage und nicht um eine Rüstungsexportfrage handele.

Vor dem Hintergrund der Kontroverse um die fortgesetzte militärische und diplomatische Unterstützung Israels durch die Bundesregierung hat das European Legal Support Center (ELSC) am 29. Oktober im Namen von drei Palästinensern aus Gaza einen Dringlichkeitsantrag gegen die Lieferung von Sprengstoff auf der MV Kathrin gestellt, in dem sie „von der deutschen Regierung verlangen, ihr Recht auf Leben zu schützen“. In der Pressemitteilung heißt es, dass Deutschland durch die Lieferung der Ladung zu Israels Kriegsverbrechen und Völkermord in Gaza beitragen würde. Der leitende Anwalt, Ahmed Abed, erklärte: „Deutschland ist verpflichtet, gegen den deutschen Frachter MV Kathrin einzuschreiten, weil die Völkermordkonvention und das humanitäre Völkerrecht ein aktives Eingreifen erfordern.“ Laut ELSC wurden alle bis auf zehn Container in Porto Romano, Albanien, entladen. Es wird angenommen, dass acht der verbleibenden Container den RDX-Sprengstoff enthalten, der für den israelischen Rüstungskonzern Elbit Systems bestimmt ist.

Reuters und die Times of Israel berichteten auch, dass die deutsche Betreibergesellschaft der MV Kathrin, Lubeca Marine, erklärte, das Schiff sei „nie für eine Anlandung in einem israelischen Hafen vorgesehen gewesen“ und habe kürzlich seine Ladung gelöscht, ohne jedoch zu sagen, wo. Abed sagte dazu gegenüber Reuters: „Wir haben nie behauptet, dass die Kathrin (selbst) auf dem Weg nach Israel war, sondern dass die Ladung für Elbit Systems bestimmt ist“. Darüber hinaus erklärte das deutsche Wirtschaftsministerium laut Reuters, dass die Ladung der MV Kathrin nach deutschem Recht keiner Ausfuhrgenehmigung bedürfe, da es dafür keine Rechtsgrundlage gebe. Zur Begründung wurde angeführt, dass die betreffenden Sprengstoffe weder aus Deutschland versandt noch in Deutschland verladen worden seien, so dass es sich bei der Lieferung nicht um eine Ausfuhr aus Deutschland handele.

Nach den vorliegenden Informationen ist der Verbleib der auf der MV Kathrin transportierten und für Israel bestimmten RDX-Sprengstoffe für die Öffentlichkeit derzeit nicht erkennbar. Es handelt sich um eine gefährliche Ladung, die mutmaßlich für Israels laufende militärische Aggressionen in Gaza, im Libanon und in anderen Ländern der Region eingesetzt werden könnte. Auch fehlt es seitens der Bundesregierung an jeglicher Transparenz und Informationen über eine hochbrisante Angelegenheit, die zweifellos von öffentlichem Interesse ist – insbesondere angesichts der Tatsache, dass der Internationale Gerichtshof bereits festgestellt hat, dass es „plausibel“ ist, dass Israel in Gaza einen Völkermord begeht. Es kann durchaus argumentiert werden, dass die deutsche und die ägyptische Regierung entweder absichtlich Informationen zurückhalten oder nicht wissen, was sie wissen sollten, und nicht so handeln, wie von ihnen erwartet wird, was interessierte Medien und die Zivilgesellschaft inmitten eines sich zuspitzenden Völkermordes zunehmend verärgert.

Die unglaubliche Missachtung des Völkerrechts und der Fragen von Journalisten in einer Angelegenheit, die sie selbst betrifft, deutet nicht nur darauf hin, dass die deutsche Regierung Israels Kriegsverbrechen ignoriert oder unterstützt, sondern auch darauf, dass sie entschlossen ist, die Augen vor möglichen Verstößen Deutschlands gegen das Völkerrecht zu verschließen. Dies könnte letztlich zu neuen Verfahren gegen Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag führen.

Dieser Beitrag von Juliana Rivas erschien im zunächst in englischer Sprache – übersetzt von Michael Täuber.

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