Das Urteil gegen Marine Le Pen hat gezeigt, wie eine effektive Bekämpfung der Rechten von Staats wegen aussehen kann. Dass ausgerechnet die Linke dabei auf die Durchsetzung und Ausschöpfung rechtsstaatlicher Mittel pochen muss, zeigt wie schlecht es um die Widerstandsfähigkeit der liberalen Demokratien bestellt ist.
Warum die Linke auch im Bundestag für ein Verbot der AfD kämpfen muss – parlamentarisch und außerparlamentarisch.
Die Ausgangslage
Mit der Konstituierung des neuen Bundestages sitzen 152 Abgeordnete der AfD unter der Kuppel des Reichstagsgebäudes. Die Bedingungen für ein AfD-Verbot sind damit noch mal schlechter geworden. Die für die Einleitung notwendige einfache Mehrheit erreichen SPD, Grüne, Die Linke und SSW mit 270 Abgeordneten nicht. 51 Abgeordnete von CDU/CSU müssten ebenfalls zustimmen. Hinzu kommt, dass einige Abgeordnete, die in der letzten Legislatur die Initiative vorangetrieben hatten, wie der sächsische CDU-Abgeordnete Wanderwitz, nicht noch einmal angetreten sind. Im letzten Bundestag haben 124 Abgeordnete einen Antrag für die Einleitung eines Verbotsverfahren eingebracht. Erst mit der Zeit wird sich zeigen, wie fahrlässig die fehlende Unterstützung der SPD Fraktion war. Mit ihrer Unterstützung hätte es eine Mehrheit im alten Bundestag gegeben. Diese Chance ist verpasst.
2024 entwickelte die Debatte um das AfD-Verbot richtig Fahrt. Mit dem Rückenwind der Correctiv-Proteste Anfang des Jahres gingen Hunderttausende auf die Straße – auch mit der Forderung nach dem AfD-Verbot. Mit dem Brandmauer-Eklat von Merz Anfang des Jahres 2025 gab es ein erneutes Aufflammen der Proteste gegen die AfD, doch der Druck der Straße hat nicht gereicht. In der Linken wurde die Forderung nach einem Verbot zuerst auch kritisch diskutiert. Es gab Stimmen, die ausschließlich politisch gegen die AfD kämpfen wollten. Parallel dazu wächst die AfD nicht nur, sondern radikalisiert sich immer weiter nach den inhaltlichen Vorgaben des »Höcke-Flügels«. Die Wiederaufnahme von Maximilian Krah und Thomas- “das freundliche Gesicht des NS”-Helferich spricht in diesem Sinne Bände. Beide sitzen nun im Bundestag. Die AfD ist der parlamentarische Arm des Rechtsterrorismus. Mittlerweile gibt es unzählige bewiesene Verbindungen der AfD in dieses Milieu, prominentes Beispiel sicherlich die mittlerweile angeklagte ehemalige AfD Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann. Klar ist: Für viele (ehemalige) Kader aus dem extrem rechten Milieu ist die AfD mittlerweile ein Karriereweg. Auch die neuen AfD Abgeordneten im Bundestag werden zahlreiche Neonazis, Identitäre und andere Rechte als Mitarbeiter beschäftigen. Die AfD Fraktion hat sich genau verdoppelt. Die 152 Abgeordneten der AfD rücken allein schon zahlenmäßig ins Zentrum des Plenarsaals und werden aufgrund ihrer schieren Anzahl die Stimmung mitprägen. Ausgerechnet auf eine Legislaturperiode bekommen die Abgeordneten 307.546.391,04 Euro, also mehr als 300 Millionen Euro vom deutschen Staat. Und dabei sind die zusätzlichen Mittel für die Fraktion noch nicht mit einberechnet..
Notwendigkeit einer Kampagne für ein AFD-Verbot
Insofern ist das Verbotsverfahren eigentlich ein Vorschlag, wie der Kampf gegen die AfD politisch zu führen ist. Die öffentliche Debatte über das Verbot eröffnet Diskussionsräume über die Gefahr der AfD und bietet für die gesellschaftliche Linke die Möglichkeit, Kampagnen um ein konkretes Ziel zu führen. An vielen Orten im Osten sind Gegner*innen der AfD bereits in der Minderheit. Der Staat, die Institutionen, die Parteien lassen die Demokrat*innen hier schlichtweg im Stich. Bei der Bundestagswahl ist die AfD auch in den ersten Orten im Westen (Kaiserslautern, Gelsenkirchen) bei den Zweitstimmen stärkste Kraft geworden. Das Argument, die AfD sei eben demokratisch gewählt und daher seien auch ihre inhaltlichen Positionen und ihr Auftreten demokratisch legitimiert, schützt die Partei sowohl politisch als auch praktisch.
Die viel beschworene Brandmauer gegen Rechts ist bereits in etlichen Länderparlamenten kaum noch vorhanden – in Rathäusern und Kreistagen bestand sie teilweise nie. Mittlerweile gibt es AfD-Bürgermeister und Landräte. Friedrich Merz hat durch seine Abstimmung mit der AfD gezeigt, dass sein Bekenntnis zur Brandmauer wacklig ist. Trotzdem ist es richtig, an der Ausgrenzung der AfD festzuhalten. Der Blick nach Österreich zeigt, wie die frühe Normalisierung der FPÖ dieser den Weg geebnet hat.
Die Kampagne gegen das AfD-Verbot muss die staatlichen Institutionen, aber auch die Parteien dazu bringen, ihre immer wieder beschworene Bereitschaft, das Grundgesetz kämpferisch gegen seine Feinde zu verteidigen, inhaltlich mit Leben zu füllen. Und ein drohendes AfD-Verbot treibt den Preis für eine Mitgliedschaft und Bekenntnis zu dieser rechtsextremen Partei hoch. Richter:innen, Staatsanwälte und Polizistinnen, die sich offen zur AfD bekennen, gibt es bis jetzt in kleiner Anzahl. Dies liegt auch daran, dass ein solches Bekenntnis berufliche Konsequenzen haben kann. Hier Spielräume weiter zu verschließen, ist angesichts des historischen Versagens von Polizei und Justiz bei der Etablierung des Nationalsozialismus die richtige Konsequenz.
Und die Linke?
Zuletzt war die Linke von zwei Seiten unter Druck geraten. Durch ihre Ablehnung von Aufrüstung erklärten manche Liberale, Die Linke würde deswegen ja mit der AfD stimmen. Und das BSW unterstellte der Linken juristisch falsch, sie würde aus falschem Moralismus nicht mit der AfD zusammen die Reform der Schuldenbremse zu Gunsten von Aufrüstung verhindern. Richtig ist: Antifaschismus als Markenkern der Linken verbunden mit einer klaren Haltung in der Migrationsfrage war für ganz viele (Neu-)Wähler:innen der Linken wahlentscheidend. Der Kampf gegen die AfD ist aber keine Wahltaktik, sondern schlichtweg entscheidend für das Überleben der Demokratie. Ohne zu sehr dramatisch klingen zu wollen: Ob die verpasste Einleitung des AfD Verbotsverfahren im letzten Bundestag die letzte Patrone der wehrhaften Demokratie war, ist noch ungewiss.
Die Linke muss deswegen jetzt parlamentarisch den Faden wieder aufnehmen, den Marco Wanderwitz durch sein Ausscheiden hat fallen lassen und das AfD Verbot vorantreiben. Klar ist aber, dass nur parlamentarische Initiativen nicht ausreichen. Ohne ein erneutes Bewegungsmoment der antifaschistischen Zivilgesellschaft wird kein ausreichender Druck auf die SPD und die CDU entstehen. Fraglich ist auch, ob die Grünen in ihrer neuen Rolle als Oppositionspartei eine stärkere Rolle beim Vorantreiben des AfD-Verbots einnehmen können.
Hoffnungsschimmer & Doppelstrategie
Ein Baustein könnte die immer noch nicht erfolgte Veröffentlichung des VS-Gutachten über die AfD sein. Viele Beobachter*innen halte eine Hochstufung vom Verdachtsfall zu “gesichert rechtsextrem” angesichts der kontinuierlichen Radikalisierungen und Skandale bei der AfD für sehr wahrscheinlich. Eine solche könnte sowohl eine Empörungswelle auslösen als auch einige bis jetzt nicht entschiedene MdBs der SPD und CDU überzeugen – dies hatten einige auch bereits angekündigt.
Auch wenn die AFD es immer anders verkauft: Ihr weiterer Aufstieg ist nicht determiniert. In der Konstellation, dass die SPD in der GroKo mit Merz weiter an sozialem Profil verliert und schrumpft, gibt es weiteres Potential für die AfD zu wachsen. Dies allerdings nur, wenn sie sie sich weiter als Protestpartei gerieren und ihr soziales Profil schärfen kann. Für Die Linke ergibt sich in der kommenden Legislatur deswegen eine anspruchsvolle Doppelstrategie: Einerseits muss sie mit den demokratischen Parteien Bündnisarbeit für ein AfD Verbot betreiben, andererseits muss sie den Widerstand gegen die unanständig Reichen in diesem Land aufnehmen – und der AfD den Nimbus der Protestopposition wieder wegnehmen. Klar ist, dass der Kampf gegen die AfD im Parlament und auf der Straße in einer entscheidenden Phase ist. Es gilt dabei keine Zeit zu verlieren.
Ein Beitrag von Luigi Pantisano, seit 2025 Bundestagsabgeordneter für die Linke.