Zweieinhalb Jahre nach dem Ausbruch der „Frau, Leben, Freiheit“-Proteste hat sich der Widerstand in Iran tief in die Lebensrealität der Menschen eingraviert. Der Straßenprotest, der 2022 brutal niedergeschlagen wurde, lebt heute in vielfältigen Formen weiter – in mutigen Gesten des Alltags, kreativen Aktionen und einem unermüdlichen Kampf gegen Unterdrückung und Gewalt.
Frauen, die ohne Kopftuch auf die Straße gehen, riskieren nicht nur ihre Freiheit, sondern oft auch ihr Leben. Die Strafen sind drakonisch: Verhaftungen, Auspeitschungen und jahrelange Haftstrafen gehören zum Alltag. Doch nicht nur sie protestieren: Kioskbesitzer, die ihre Kundschaft auffordern, tanzend in ihre Läden zu kommen, werden festgenommen. Junge Menschen sprühen nachts Parolen an Wänden, während Rentner und Arbeiter:innen für ihre Renten und bessere Arbeitsbedingungen streiken. Selbst in den berüchtigten Gefängnissen des Landes formiert sich der Widerstand.
Im Januar 2024 initiierte eine Gruppe politischer Gefangener im Qezelhesar-Gefängnis die Kampagne der „Schwarzen Dienstage“. In diesem Gefängnis, einem der zentralen Orte für Hinrichtungen in Iran, gehen die Gefangenen jeden Dienstag in einen Hungerstreik. Ihr Ziel ist klar und kompromisslos: ein Ende der Todesstrafe in Iran.
Die Proteste der Gefangenen enden nicht beim Hungerstreik. Jeden Dienstag veröffentlichen sie politische Briefe, in denen sie auf Einzelschicksale aufmerksam machen, das Regime anprangern und globale Entwicklungen kommentieren. Einer der Mitinitiatoren, der politische Gefangene Ahmadreza Haeri, schrieb nach dem Sturz Assads in Syrien: „Die Tyrannei hat ein Verfallsdatum.“ Dieser Ausdruck der Solidarität und Hoffnung auf Demokratie in Syrien und in Iran brachte ihm eine neue Anklage ein. Das Regime reagiert mit Sanktionen: Isolationshaft, Telefon- und Besuchsverbote sowie verlängerte Haftstrafen sollen die Gefangenen zum Schweigen bringen.
Trotz dieser Repressionen hat sich die Kampagne ausgeweitet. Mittlerweile beteiligen sich mehr als 20 Gefängnisse im ganzen Land an den „Schwarzen Dienstagen“. Die Zahlen sprechen eine grausame Sprache. Laut den Vereinten Nationen wurden allein im Jahr 2024 mindestens 901 Menschen im Iran hingerichtet. Unter denjenigen, die akut von der Hinrichtung bedroht sind, befinden sich Pakhshan Azizi und Verisheh Moradi, zwei Kurdinnen, die gegen den IS gekämpft haben. Verisheh verteidigte Kobane, während Pakhshan als Sozialarbeiterin geflüchteten Frauen und Mädchen in Rojava half.
Während der Protest in Iran mit beispiellosem Mut weitergeführt wird, bleibt die internationale Resonanz begrenzt. Zu Beginn der Proteste setzte sich die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock für eine UN-Untersuchungskommission ein, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Iran dokumentierte. Doch seitdem ist es still geworden. Statt die Demokratiebewegung zu unterstützen, hat sich die deutsche Bundesregierung wieder auf die Zusammenarbeit mit dem Regime eingelassen: In Genf fanden vergangene Woche Verhandlungen zum sogenannten Atomabkommen statt und seit einem Jahr werden wieder Abschiebungen nach Iran durchgeführt, was eine Kooperation mit den Behörden des Landes voraussetzt.