Wir sind die Welle – Gute Ideen doch fehlender Fokus

Bild @netflix

Vor wenigen Wochen erschien die neue Netflix-Serie „Wir sind die Welle“, die sich an dem berühmten Buch „Die Welle“ orientiert und auch von vielen Linken zu Recht gefeiert wird. Doch als sozialistische Orientierung taugt sie nur bedingt.

„Wir sind die Welle“ erzählt die Geschichte von Tristan, dem Sohn eines deutschen Diplomaten, der im Hamburger Antifa-Milieu politisch sozialisiert wurde und aufgrund einer Straftat in Meppersfeld im Gefängnis sitzt. Die andere im Fokus stehende Person ist Lea, Tochter wohlhabender Eltern, die vorher weder mit linken Ideen in Berührung kam, noch sonst im Alltag von großen Sorgen geplagt war. Anders dagegen verhält es sich bei den drei weiteren Mitgliedern der Welle. Zazie, die aus einer armen Familie stammt und schon seit dem Beginn ihrer Schulzeit gemobbt wird, Rahim, einer der wenigen Migranten auf der Schule, der immer wieder Rassismus erfährt und dessen Familie zum Ende der Serie aus ihrer Wohnung geschmissen wird und Hagen, der dritte im Bunde, ist ebenfalls von Armut geplagt, da seine Familie ihre wirtschaftliche Existenz als Bauernfamilie durch das verseuchte Schlamm der angrenzenden Papierfabrik verlor. Ihr Gegenpol in dem Film sind rechtsradikale Jugendliche, die der NFD, einer rechtsradikalen Partei nahe stehen, die in der Darstellung Ähnlichkeiten zur AfD aufweist.

Die 5 Gruppenmitglieder zeigen somit schon von Beginn an deutliche Herkunftsunterschiede: Lea und Tristan haben ein zumindest größtenteils behütetes Leben ohne soziale Sorgen, während die anderen drei in der Schule und der Gesellschaft als Außenseiter stehen. Gemeinsam planen sie Aktionen gegen sexistische Werbungen, Umweltzerstörung und zu viel Plastik, aber auch gegen Massentierhaltung. Die Vorschläge werden dabei meist von Tristan und Lea eingebracht, die anderen drei folgen eher, als das sie selbst die Initiative ergreifen. Mit ihren Aktionen, die sie medial aufbereiten, erreichen sie Zehntausende Jugendliche und zeigen damit auch für Linke, wie hilfreich es ist, wenn man die sozialen Netzwerke sinnvoll bedient.

Aktionismus ohne Klassenorientierung

Die Aufbereitung der Serie ist gut gelungen und lädt dazu ein, die Serie zu schauen. Die Aktionen, die die Gruppe plant, regen dazu an, zu überlegen, welche Aktionen dazu beitragen das Linke mit ihrer Politik mehr Aufmerksamkeit erzielen. Doch die dargestellten Aktionen, wie auch die anführenden Personen sind auch das Problem des Films. Die rassistische NFD wird zwar gut demaskiert und ihr Profil entlarvt, doch gegen den Rassismus, der ihre Basis darstellt, wird kaum etwas unternommen. Auch der Fokus auf Aktionen mit einer kleinen möglichst klandestinen Gruppe, kann keine Orientierung darstellen, da es der Gruppe nicht um die Aktivierung größerer Teile der Bevölkerung geht.

Das größte Problem aus sozialistischer Sicht stellt allerdings die Antwort der Gruppe auf die angedrohte Zwangsräumung von Rahims Familie dar. Die Welle hilft ihm beim Einräumen des Lasters, doch zu öffentlichen Aktionen oder zu einem Nutzen der eigenen medialen Resonanz um die Räumung zu verhindern kommt es nicht. Vielmehr wird die Aktionärsversammlung des Immobilienhais von den 5 genutzt um diesen ins Lächerliche zu ziehen. Doch den Zwangsgeräumten ist damit nicht geholfen, ebenso wenig wurde versucht größere Teile der Bevölkerung zu einem aktiven Mitmachen zu gewinnen.

Die Serie ist somit kein sozialistisches Lehrbuch, wie es mancher Orts angeklungen ist, doch kann man von ihr durchaus lernen, wenn es darum geht, wie Sozialistinnen und Sozialisten mehr Aufmerksamkeit auf ein Thema lenken können. Abseits all dessen ist die Serie eine nette Unterhaltung, die deutlich mehr politischen Anspruch besitzt als vieles was sonst im Fernsehen läuft.


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