Muslime vs Schwule – Karriere eines konstruierten Gegensatzes

Karriere eines konstruierten Gegensatzes

Homophobie ist kein neues Phänomen, sie existiert schon seit Jahrhunderten. Relativ neu ist aber, dass diese vor allem mit der muslimischen Welt in Verbunden wird.

Eine Entwicklung, die nicht ohne den sogenannten “Kulturkrieg” gesehen werden kann, der spätestens mit dem 11. September ausgebrochen ist. Ein kritischer Blick auf den konstruierten Gegensatz “Muslime vs Homosexualität” lohnt sich grade deswegen. Koray Yilmaz-Günay, Referent der Rosa-Luxemburg Stiftung im Bereich Migration, unternimmt mit seinem Werk “Karriere eines konstruierten Gegensatzes zehn Jahre “Muslime versus Schwule” den Versuch Licht in das dunkele der alltäglichen Vorurteile gegenüber Muslimen zu bringen. Er hat in diesem Band diverse Texte, manche neuer, manche älter, verschiedener AutorInnen und Gruppen zusammengestellt, die dabei helfen die Konstruktion zu entlarven und den rassistischen Diskurs, den diese birgt, deutlich zu machen.

Speziell muslimische Homophobie?

Die verschiedenen Beiträge behandeln neben der Frage von kolonialistischen Denkansätzen in der queeren Szene vor allem die Frage des sogenannten Gegensatzes, der dem Islam/den Muslimen innewohnt, so zumindest die gängigen Denkmuster. Die Beiträge behandeln dabei die Auswirkungen von Kampagnen, das Handeln bestimmter Akteuere und die Wirkung, die das Festhalten an rassistischen Denkmustern, haben. Zülfukar Cetin formuliert in seinem Beitrag ganz richtig: “Die Diskriminierung auf Grund unterschiedlicher zugeschriebener Merkamle hängen vor allem mit der Macht des Diskurses zusammen. Es geht immer darum, wie ethnische Zugehörigkeiten konstruiert werden, wie die Geschlechter gemacht und wie die Klassen und Körper erzeugt und darüber hinaus wahrgenommen werden. All diese Konstruktionen dienen der Diskriminierung der “gemachten” Menschen.”(S.102)

Sein Beitrag zeigt deutlich, welche Folgen die konstruierten “Merkmale” haben: „Obwohl Arda und Can mit dem Islam nichts ‚zu tun haben’ werden sie als praktizierende Muslime betrachtet, und ihnen werden negative bzw. exotisierende Merkmale zugeschrieben. Auf Grund islamfeindlicher Einstellungen in der Aufnahmegesellschaft befinden sich die Interviewpartner in einer Situation sozialer Verunsicherung. Wie der biologistische Rassismus bildet auch der antimuslimische Rassismus eine Barriere, die die Interviewpartner daran hindert, in der Aufnahmegesellschaft soziale, kulturelle und wirtschaftliche Netzwerke aufzubauen. In dieser Hinsicht sind sie von Bildungs-, Arbeits- und politischen Ressourcen ausgeschlossen.“ (S. 108) Can wird nicht selten „’zurück’ in die Türkei verwiesen […], obwohl er in keiner biographischen und institutionellen Verbindung zur Türkei steht“, sondern in der BRD geboren und aufgewachsen ist. (S.108)

Markus Bernhardt, Autor der Tageszeitung Junge Welt, formuliert in seinem Beitrag treffend eine Hoffnung, die durch dieses Buch genährt werden kann. “Es bleibt zu hoffen, dass Schwule, Lesben und Transgender sich zukünftig zunehmend an den Protesten gegen die antimuslimischen Kulturkrieger beteiligen und sich verdeutlichen, dass es im Kampf für die Gleichberechtigung aller Lebensweisen kein “Sowohl -als -auch” geben kann, da der schwul-lesbische Emanzipationskampf – übrigens nicht nur aufgrund der eigenen Verfolgungsgeschichte – unweigerlich verbunden ist mit einer klaren Absage an rassistische und faschistische Ideologien.”

Das Buch „Karriere eines konstruierten Gegensatzes: zehn Jahre ‚Muslime versus Schwule’“ ist das wohl wichtigste Werk in einer Debatte, die meist einseitig geführt wird, ohne die Position der Betroffenen. Das Buch verdeutlicht, wie das Klischee des Islam als antifeministische Religion aufgebaut wird, während alle Menschen aus muslimischen Ländern zu einem monolithischen Block zusammengefasst werden, in dem es höchstens ein paar positive Ausnahmen. Kritisch anzumerken bleibt die teilweise schwierige Sprache des Buchs, diese erschwert den Einstieg in einige der sehr lesenswerten Beiträge.
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