Sozialismus wird in Deutschland meist verbunden mit dem sowjetischen Modell, in dem eine Partei alles entscheidet und 5-Jahrespläne erstellt. Deutlich weniger diskutiert wird dagegen die Erfahrungen der jugoslawischen Kommunisten. Dies versucht ein neues Buch zu ändern.
Das Werk „Die jugoslawische Arbeiterselbstverwaltung – Licht und Schatten“ wirft einen Blick auf die Geschichte Jugoslawiens von seiner Entstehung bis zu seinem Zerfall mit Fokus auf die 50er und 60er Jahre erhöhen. Im Zentrum des Buchs steht die Zeit von der Entstehung des sozialistischen Jugoslawiens, sowie der vorangehende Partisanenkampf, bis zu seinem Zerfall.
Das von Paul Michel herausgegebene Werk behandelt dabei zwei Ebenen, zum einen die Geschichte Jugoslawiens, sowie die wichtiger Akteure in Jugoslawien, zum anderen eine Betrachtung des Modells der Arbeiterselbstverwaltungen in Jugoslawien.
Geschichte des Widerstands und der Kommunistischen Partei
Zu Beginn des Werks stehen verschiedene Texte, die zeigen wie aus dem monarchistischen Jugoslawien – in dem die Kommunistische Partei verboten war und ein Großteil der führenden Mitglieder im Gefängnis saß – ein Land wurde, in dem die Kommunisten bei den ersten Wahlen 90 Prozent einfahren konnten. Die Texte von Jean-Arnault Derens und Catherine Samary zeigen deutlich, wie wichtig der Aufbau von kommunistischen Widerstandsgruppen gegen das faschistische Deutschland war und wie es der KP gelang, zur stärksten Kraft im ganzen Land zu werden. Eine besondere Betrachtung finden wichtige Personen der jugoslawischen Geschichte wie Josip Broz Tito, sowie die beiden Theoretiker Edward Karelj und Milowan Diljas.
Doch spannender noch als die Darstellung der Geschichte des Landes und von wichtigen Personen ist die Darstellung von Protest und Widerstand im Land. Widerstand gegen verschiedene Entwicklungen in einem Vielvölkerstaat und von linken und rechten Kritikern der Kommunistischen Partei. Die Texte zeigen dabei deutlich, dass es anders als in vielen Staaten des Ostblocks, zumindest zeitweise eine lebendige Kultur der Debatte und des Protests gab, der sich auch auf die Politik der Regierung auswirkte. Sowohl die Kritik von der linken Praxis-Gruppe, die verstärkte Marktmechanismen und die Dominanz der Kommunistischen Partei und die damit einhergehende mangelnde Demokratie kritisierte. Doch Kritik kam auch von Mitgliedern der KP, die sich im sogenannten Kroatischen Frühling bündelten und sich rechts der Parteilinie positionierten, mehr Souveränität der Regionen forderten und in Teilen auch nationalistisch positionierten. Dass die Führung der Kommunistischen Partei auf die Kritiker des Kroatischen Frühlings reagierte und den reichen Republiken Kroatien und Slowenien mehr finanzielle Autonomie gab, widerspricht dabei vorangehenden Entscheidungen der jugoslawischen Partei. In diesem Kontext ist auch ein kurzer Beitrag zur Frage der Selbstbestimmung eine Bereicherung, der diese Wankelmütigkeit verdeutlicht.
Arbeiterselbstverwaltung und Marktsozialismus
Den zweiten Teil der Auseinandersetzung bilden ein Beitrag zur Geschichte der Arbeiterselbstverwaltung von Catherine Samary und eine Analyse der Arbeiterselbstverwaltung von Paul Michel. Beide Beiträge zeigen deutlich, dass das Modell der Arbeiterselbstverwaltung sich deutlich von dem sowjetischen Wirtschaftsmodell unterschied. Die Arbeiterselbstverwaltung war dabei eine Folge aus dem Bruch mit der Sowjetunion und dem Wunsch, der Marxschen Idee der Selbstemanzipation der Arbeiterklasse zu entsprechen. Ziel war es, die gesamtstaatliche Planung durch ein Modell zu ersetzen, in dem die Arbeiterinnen und Arbeiter maßgeblich mitentscheiden, wie und was produziert wird. Dies ging einher mit einer Stärkung der demokratischen Mitbestimmung auf kommunaler Ebene. Doch die demokratische Beteilung an der Planung der Wirtschaft hatte auch Schattenseiten. So gab es immer mehr Kleinstfabriken, die kaum genug herstellen konnten und in Konkurrenz zu in derselben Stadt befindlichen anderen Fabriken standen. Die in den 60ern einsetzende Stärkung von Marktmechanismen führte darüber hinaus zu einem massiven Auseinanderdriften von Löhnen in den Fabriken.
Das von Michel herausgegebene Werk stellt einen guten Überblick über die Politik in Jugoslawien dar und offenbart die Wichtigkeit der Arbeiterselbstverwaltung wie auch die Tücken, die damit einhergehen; insbesondere in einem multiethnischen Staat. Dabei wird sowohl Positives wie Negatives beleuchtet, wie auch die Schwankungen in der Ausrichtung der jugoslawischen Regierung.
Für all jene, die sich eine sozialistische Gesellschaft wünschen, in der die arbeitenden Klassen selbst ihr Schicksal bestimmen, ist die Auseinandersetzung mit den jugoslawischen Erfahrungen ein wichtiger Erfahrungsschatz und Michels Buch eine lohnenswerte Auseinandersetzung.
Das Werk selbst kann hier bestellt werden.
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