Politische Aktivität junger Menschen in Bulgarien verlief. in der Phase der Transformationsökonomie, lange Zeit nach dem Schema Alt vs. Neu, Alt gegen Jung oder Zukunft gegen Vergangenheit. Bereits die Zugehörigkeit zur jüngeren Generation reichte als Waffe im antikommunistisch-ideologischen Kampf. Die studentischen Proteste Ende des Jahres 2013 haben die Dichotomie von Jung und Antikommunismus in Frage gestellt, aber nicht beseitig. Das politische Monopol der Rechten ist zwar angeknackst, aber nicht beseitigt.
Die Neoliberale Ideologie, welche unter den StudentInnen vorherrschte und von ihnen vertreten wurde, hatte bis zur Besetzung vieler Hörsäle vergangenen Jahres eine absolute Hegemonie. Die Zäsur von der wir Sprechen ist nicht ganz klar und die Diskussion über die Proteste verkompliziert die eigentliche Bedeutung der Hörsäle umso stärker. Der Einsatz der auf dem Spiel steht ist hoch: Die Rechte benötigt ein Monopol auf junge Menschen um sich der politischen Linken als Systemalternative zu entledigen, welche sie als rückwärtsgewandt und nostalgisch bezeichnet.
Antikommunisten haben ihre Politik der 90er mit Generationstermini definiert: junge auf der einen, alt auf der anderen Seite und aus diesem Grund ebenso die Vergangenheit gegen die Zukunft. Tatsächlich ist ein nicht zu unterschätzender Teil der Studierenden der Universität in Sofija auf diesen Zug aufgesprungen. Auch dann noch, als sich 1997 ein Großteil der antikommunistischen Bewegung um ein klar konservatives politisches Projekt mit neoliberalem Bild aufstellte, war die prowestliche Jugend in Gegnerschaft zu den „alten“, nostalgischen Menschen und reproduzierte damit ihr eigenes Weltbild.
Das Zusammenwirken des Neoliberalismus mit gelebtem Antikommunismus wurde nie in Frage gestellt, den praktisch gab es kein anderes politisches Projekt, dass junge AktivistInnen ansprach. In den 90er kam es zu mehreren antikommunistischen Protesten und Fakultätsbesetzungen von Studierenden. Dies führte zu einem massiven Austausch des akademischen Mittel- und Oberbaus, wodurch eine neoliberal-konservative akademische Elite eingesetzt wurde. Der ideologische Einfluss war besonders in humanistischen und Künstlerkreisen Sofias groß. Alternative politische Initiativen wurden zu dieser Zeit häufig im Keim erstickt und hatten keine Chance Fuß zu fassen. Junge Alternative und politisierte AktivistInnen wurden medial ignoriert und marginalisiert.
Ideologisch zerbrochene Töpfe
So sah die Situation in Bulgarien bis vor wenigen Jahren aus. Die erste Veränderung begann 2007 mit dem Fußfassen der Ökologiebewegung, als immer mehr junge Menschen verschiedene Aspekte der neoliberalen Akkumulation im Privatisierungsprozess in Frage zu stellen begannen. Besonders ausgeprägt war der Fall des Verkaufs der Parks und Landschaftsschutzgebiete des Landes. Im gleichen Zeitraum entstanden neue Gruppen: Anarchisten, Neue Linke, post Marxisten, inspiriert von der Antiglobalisierungsbewegung von 2011. Bereits 2007 gab es vereinzelte studentische AktivistInnen, die vereinzelt mit Erfolg versuchte Studierende gegen Studiengebühren zu mobilisieren. Leider blieb dieser „Kampf“ ohne Folgen für die Linke im Allgemeinen.
Vergangenes Jahr bemerkten einige konservative Intellektuelle, dass ihre Hegemonie über die Jugend Bulgariens mit den aufkommenden studentischen Protesten ins Wanken geraten könnte. Ende 2013 wurde eine 23 tägige Besetzung der Allgemeinen Universität Sofias begonnen. Am Anfang sah es dannach aus, als sei dies lediglich eine Fortsetzung der liberalen Proteste des Sommer #DANSwithme, welche an antilinke Tendenzen der 90er anknüpften. […]
Inspiriert durch die kroatischen StudentenInnen Proteste
Das alles kommt nicht von irgendwoher. Die Studierenden die die Proteste begannen waren inspiriert von den kroatischen Studierenden Protesten, vor allem durch die Dokumentation Blokada. Die Deklaration der Besetzer verlangte nach Politik im Interesse des Volkes und gegen eine undifferenzierte Elite. Es wurde die Zusammenarbeit mit allen Parteien verworfen und Elemente der direkten Demokratie gefordert. Gleichzeitig setzte man sich natürlich für den Ausbau der öffentlichen Bildung ein.
Der Anführer der Proteste, Ivajlo Dinev, war vor allem von linken Denkern wie Yasua Kobayashia inspiriert, der zu diesem Zeitpunkt in Sofia weilte. Gerade zu diesem Zeitpunkt stellte er sein neustes Buch über die „Studenten Republik“ vor Er beschrieb darin eine Bewegung im Kampf gegen eine korrumpierte Elite, welche ihre eigene Transformationsökonomie etablieren müsse, welche Parteien ablehnt, Stellvertreterpolitik usw. Dinev erklärte, die Proteste seien eine direkte Folge der weltweiten Proteste für Direkte Demokratie. Auf den Versammlungen waren auch linke Studierende, AktivistInnen und Intellektuelle, um sich an den Debatten zu beteiligen.
Die Hegemonie wurde in Frage gestellt, aber…
Ende 2013 organisierten die Studierenden schließlich mehrere große Demonstrationen unter dem Namen „Mars der Gerechtigkeit“, auf denen kein Linken-Bashing betrieben wurde. Die StudentInnen haben soziale Forderungen in den Mittelpunkt gestellt, ganz im Gegensatz zur Bewegung #DANSwithme, welche mit dem alltäglichen Leben der Menschen wenig zu tun hatten. Diesmal waren es Slogans wie „Wir erkenn eure Privatisierungen nicht an“ Wir erkennen eure Autorität nicht an! Wir erkennen eure Herrschaft nicht an!“ Die größten Medien des Landes interpretierten diese Proteste als eine Art pro europäischem Aufgebehren gegen a-liberale Gesetze. Diese Aufassung hatten nicht nur die Medien, sondern auch die Nachfolgepartei der Bulgarischen Kommunistischen Partei, die Bulgarische Sozialistische Partei (BSP).
Die Besetzung war sicher nicht links, sie war nicht systemkritisch und lies sich nicht in die üblichen Links vs. Rechts Schemata einordnen. Es war eine Art von „unidelogischen“ Kämpfen, wie sie in einigen Ländern geführt werden. Dieser ist an für sich bereits problematisch, da sie die Möglichkeit eröffnet die Demokratie zu apolitisieren. Aber alleine der Widerstand der Studierenden gegen eine Vereinnahmung von Rechts und gegen anti-linke Positionen, ist ein weiter Schritt. […]
Es ist an der Linken
Diese Beispiele zeigen wie ernst die bulgarische konservativen um die Einordnung solcher Proteste kämpfen. Manche liberale Intellektuellen fühlten sich gegen die Positionen des Studierendenführer Dinev ohnmächtig. Manche warfen gar linken vor, sie würden die Jugend manipulieren und korrumpieren. Für sie sind die Studierenden sehr wichtig, um keine Gegenbewegung zuzulassen, dafür müssten die Studenten jedoch ruhig bleiben. […]
Ohne die Erfolge der Besetzung zu schmälern, konnte sie nur einen Minimalerfolg herbeiführen. Es gibt nur eine Hand voll junger Politiker die jedoch eine komplett neoliberale Politik führen. Dies geschieht aus Mangel an Alternativen und Utopien und grenzt manchmal bereits an satirische und aus diesem Mangel heraus identifizieren sie sich mit einer technokratisch-liberalen und patriotischen EU Elite. […] Die Liberalen Parteien des Landes haben die Jugend schnell linksliegen lassen und sich erneut der „Nostalgie-Gefahr“ zugewandt, welche unter den nach 1989 geborenen verbreiten könnte.
Die Hegemonie über den Jugendlichen ermöglicht den Parteien und Eliten ihre Macht auf Dauer aufrechtzuerhalten. Gerade deswegen versuchen die Liberalen und Konservativen Parteien die Kontrolle über die Universitäten, welche sie seit den 90ern ausüben, aufrechtzuerhalten. Und deshalb versucht sie auch das Bild der Proteste, ein Jahr nach Ausbruch, so vehement zu verdrehen. Deshalb darf sich die Linke aus solchen Kämpfen nicht heraushalten und in sich in der Ohnmacht der Liberalen baden, sondern vielmehr auf die Straße und täglich mit praktischer Politik Alternativen aufzeigen.
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