Es ist höchste Zeit für einen Richtungswechsel: Jetzt gilt es, Krankenhäuser und Gesundheitsämter zu stärken, die Menschen wirksam vor Arbeitsplatzabbau und Wohnungsverlust zu schützen und die Kosten für die Krise sozial gerecht zu verteilen.
Das Szenario, vor dem viele Fachleute seit Monaten gewarnt haben, ist eingetreten: Mit Beginn des Herbstes bricht eine zweite Welle über Deutschland herein und offenbart das Versagen der Bundesregierung. Es rächt sich, dass die Regierung den Sommer nahezu tatenlos hat verstreichen lassen, ohne notwendige Vorkehrungen im Kampf gegen die Epidemie zu treffen. Angesichts dramatisch steigender Infektionszahlen und begrenzter Ressourcen im Gesundheitssystem soll nun ein erneuter Lockdown für den November die Covid-19-Kurve abflachen und die Krankenhäuser vor Überlastung schützen.
Viel zu lange hat die Bundesregierung, angefeuert von Lobbyisten und Boulevardmedien, den Hotspots in Frachtzentren, Schlachtbetrieben und Massenunterkünften zugeschaut. Weder hat sie Pflegekräfte für die Krankenhäuser rekrutiert, noch hat sie das Personal in den Gesundheitsämtern angemessen aufgestockt. Als die zweite Welle sich dann peu à peu formierte, hat sie vor allem mit dem Finger auf die Verhaltensweisen der Menschen gezeigt. Auf diese Weise hat sie den Infektionsschutz zu einer privaten Angelegenheit gemacht, statt ihn als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu definieren.
Angesichts der gegenwärtigen Krisendynamik ist es höchste Zeit für einen Richtungswechsel: Es kommt darauf an, Krankenhäuser und Gesundheitsämter zu stärken, die Menschen wirksam vor Arbeitsplatzabbau und Wohnungsverlust zu schützen und die Kosten für die Krise sozial gerecht zu verteilen. Es ist höchste Zeit für ein Sofort-Programm gegen den Corona-Notstand. Dieses Programm ruht auf vier Säulen: ein Sonderprogramm für Gesundheit und Pflege, soziale Alternativen zu Sammelunterkünften und überfüllten Wohnheimen, ein Schutzschirm gegen soziale Risiken wie Arbeitsplatzverlust und Obdachlosigkeit sowie ein Plan für die gerechte Verteilung der Kosten der Krise.
Sonderprogramm für Gesundheit und Pflege
Das Sonderprogramm für Gesundheit und Pflege zielt darauf ab, Pflegeberufe aufzuwerten und bis Ende des Jahres 50.000 neue Stellen in der Kranken- und Altenpflege zu schaffen. Perspektivisch werden in diesem Bereich sogar 100.000 zusätzliche Arbeitsplätze benötigt. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, wird im Bundeshaushalt ein Fonds eingerichtet, mit dem die Gehälter in den Pflegeberufen um 500 Euro pro Monat angehoben werden. Auch die Gesundheitsämter benötigen dringend mehr Personal und bessere Bezahlung. Die von der Bundesregierung angestrebten neuen Stellen bis Ende des nächsten (!) Jahres reichen nicht aus, um die Flut an Kontakten im Zusammenhang mit der Epidemie zu bewältigen. Notwendig sind rund 30.000 neue Stellen bundesweit – und zwar schnellstmöglich.
Wo viele Menschen auf wenig Raum zusammenleben müssen, kann sich das Virus besonders gut ausbreiten, weil es in Wohnheimen und Mietskasernen zum Teil unmöglich ist, ausreichend Abstand zu halten. Das Einhalten der Abstandsregel darf aber kein Privileg sein. Sammelunterkünfte gehören deshalb aufgelöst, Obdachlose und Geflüchtete brauchen sichere Übernachtungsmöglichkeiten. Auch Saisonbeschäftigte in der Fleischindustrie und der Agrarwirtschaft sollen in Wohnungen statt in Sammelbehausungen untergebracht werden. Bei Bedarf sollten zu diesem Zweck auch leerstehende Hotelzimmer genutzt werden.
In der Krise nimmt die Sorge um die berufliche Existenz zu, wächst die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust. Viele Leiharbeitskräfte und befristete Beschäftigte haben bereits ihre Jobs verloren. Nötig ist jetzt ein sozialer Schutzschirm, der die Menschen vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und der Wohnung bewahrt. Staatliche Hilfen für Unternehmen müssen an konkrete Bedingungen geknüpft werden: Entlassungen, Lohnkürzungen und Standortverlagerungen sind zu verbieten, Betriebsräte erhalten mehr Mitbestimmungsrechte. Halten sich Unternehmen nicht an diese Auflagen, müssen sie die Staatshilfen zurückzahlen. Auch das Thema der Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich gehört auf die Tagesordnung und muss vom Staat gefördert werden: Statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren, können so Arbeitsplätze gerettet werden. Nicht zuletzt ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um einen Transformationsfonds einzurichten, der kleine und mittlere Unternehmen bei der Umstellung der Produktion auf neue Anforderungen oder Produkte unterstützt.
Zusätzliche Maßnahmen sind für besonders hart betroffene Branchen wie Veranstaltungen, Events und Messen, Tourismus und Gastronomie nötig. Dazu zählt ein Moratorium für Kündigung von Gewerberäumen. Dazu zählt auch die bessere Berücksichtigung der Solo-Selbstständigen und Kleinstbetriebe bei den Corona-Hilfen, beispielsweise indem ihnen gestattet wird, einen fiktiven Unternehmerlohn als Betriebskosten abzurechnen.
Wer zahlt die Zeche?
Die Sorge um den Job und Lohnkürzungen befeuert häufig die Angst vor dem Verlust der eigenen Wohnung – zumal einige für Mieterinnen und Mieter vorteilhafte Maßnahmen im Sommer ausgelaufen sind: Am 1. Juli endete der Zahlungsaufschub für private Kredite, für Strom- und Gasrechnungen; auch dürfen Vermieter seitdem bei Mietrückstand wieder kündigen. Diese Regelungen zum Schutz von Mieterinnen und Mietern sollten unverzüglich wieder in Kraft treten, um Kündigungen ebenso auszuschließen wie Strom- und Wassersperrungen.
Schon jetzt ist offenkundig, dass die Bewältigung dieser Krise enorme Summe kosten wird. Die Bundesregierung hat bereits erklärt, sie strebe zeitnah einen ausgeglichenen Haushalt an und wolle zu diesem Zweck rund 300 Milliarden Euro Schulden tilgen. Wer also zahlt die Zeche? Die jüngste Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst hat deutlich gemacht, wie hart diese Verteilungskämpfe geführt werden. Bund und Kommunen haben sich hartnäckig geweigert, die Löhne der Beschäftigten in Kitas, Krankenhäusern, Gesundheitsämtern kräftig zu erhöhen. Für DIE LINKE ist klar: Wenn wir verhindern wollen, dass die Krisenkosten auf Beschäftigte, Erwerbslose und Rentnerinnen und Rentner abgewälzt werden, führt an einer Vermögensabgabe kein Weg vorbei. Diese Vermögensabgabe soll unter Berücksichtigung eines Freibetrags 10 Prozent betragen und progressiv gestaffelt sein. Wer sehr viel hat, muss auch mehr abgeben. Gleichzeitig geht es uns um einen Einstieg in eine dauerhafte Vermögensteuer von 5 Prozent auf alle Vermögen oberhalb von einer Millionen Euro.
Das sind die Richtungsentscheidungen, für die DIE LINKE weiter Druck machen wird. Es geht darum, die Kräfteverhältnisse zu verändern, um die Mehrheit der Menschen in diesem Land vor den negativen sozialen Folgen dieser Krise zu schützen.
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