Kriegsvorbereitung im Inland: Die Rückkehr der Wehrpflicht

Am Ende ist die Jugend nur eins: Verfügungsmasse des deutschen Staats.
Foto: Bundesarchiv, unter CC BY-SA 3.0-Lizenz.

Die Koalition verkauft den neuen Wehrdienst als „Modernisierung“, doch dahinter steckt der nächste Schritt zur Militarisierung der Gesellschaft. Während Milliarden in Panzer und Raketen fließen, wird die Axt an den Sozialstaat gelegt – junge, alte und arme Menschen sollen den Preis für den militaristischen Exzess zahlen.

Die schwarz-rote Koalition bleibt außenpolitisch ihrem konfrontativen Kurs treu und setzt mit der Einführung des Wehrdienst-Modells einen weiteren Baustein für die Kriegsvorbereitung im Inland. Mit dem Vorhaben, in Deutschland einen Wehrdienst wiedereinzuführen, wird eine unpopuläre Maßnahme gegen die Interessen von jungen Menschen umgesetzt. Nach einer aktuellen Forsa-Umfrage sind in der betroffenen Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen 63 Prozent gegen den militärischen Pflichtdienst.

Aufgrund der desolaten Zustimmungswerte für den Dienst an der Waffe arbeitet die Koalition weiter an einem Wehrdienstmodell, das mindestens dazu führen wird, dass Männer im wehrpflichtigen Alter einen Fragebogen ausfüllen müssen und einen Teil dieser Altersgruppe verpflichtet wird, den Dienst an der Waffe zu leisten – und das per Losentscheid, so der sonderbare Vorstoß der Koalition, dem Teile der SPD hingegen äußerst skeptisch gegenüberstehen. Die Uneinigkeit in der Koalition darüber, wie der Wehrdienst verpflichtend ausgestaltet werden soll, ist Makulatur, da die Zustimmung zur Wehrpflicht im Bundestag weitestgehend Konsens ist. Der wesentliche Unterschied zwischen Union und SPD liegt in der Intensität der Rekrutierung und letztlich in der Frage, ob der Staat Menschen zwingen soll, den Wehrdienst anzutreten, um die Wünsche der NATO zu erfüllen.

Russland – das urdeutsche Feindbild

Auch wenn im vorherrschenden Diskurs suggeriert wird, dass die Wehrpflicht alternativlos sei, hat sich Deutschland auf dem NATO-Gipfel in Den Haag nicht dazu verpflichtet, mehr zu rekrutieren. Die personelle Aufstockung ist eine politische Selbstverpflichtung ohne rechtliche Bindung. Die Union pocht jedoch darauf die Wünsche von Rutte und Trump eins zu eins umzusetzen. Auf dem Weg zur „konventionell stärksten Armee Europas“ (Merz) scheint dies für die Bundesregierung unerlässlich.

READ MORE: Gegen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht und anderer Zwangsdienste – für die Selbstbestimmung Jugendlicher!

Begründet wird der Aufrüstungswahn mit dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Ohne auf die Vorgeschichte des seit 2014 fortwährenden Konflikts einzugehen, wird das urdeutsche Feindbild Russland im Gesetzesentwurf der Bundesregierung zementiert. Demnach sei Russland „auf absehbare Zeit die größte Gefahr für die Sicherheit in Europa“. Trotz der seit Jahren andauernden Zeitenwendepolitik, der massiven Truppenkonzentration an der NATO-Ostflanke und des auf EU-Ebene tonangebenden Primats des Militärischen hält die Bundesregierung im vorgelegten Wehrdienstmodernisierungsgesetz (WDModG) an der Erzählung fest, dass Russland binnen weniger Jahre, spätestens im Jahr 2029, in der Lage sein könnte, NATO-Territorium anzugreifen. Ob Heer, Luft oder See, die Bundeswehr sowie die anderen NATO-Staaten sind gegenüber Russland in allen Belangen haushoch überlegen. Eine politische Absichtserklärung für dieses heraufbeschworene Bedrohungsszenario fehlt ebenso wie eine plausible Erklärung, weshalb Moskau sich in einen großen Krieg stürzen und dadurch selbst destabilisieren sollte.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Generalinspekteur Carsten Breuer beschreiben bewusst ein Szenario, wonach Russland einen Angriff vorbereiten würde, um so die Gesellschaft für einen Krieg zu mobilisieren. Die These stützt sich einzig auf die gestiegene Kapazität der russischen Kampfpanzerproduktion. Damit, so betont es Generalinspekteur Breuer gerne, kann alles im Konjunktiv bleiben: Russland kann, aber muss nicht. Dass mit dieser dünnen Argumentation eine derartige Aufrüstung im Inland weitgehend widerspruchslos legitimiert werden kann, offenbart die Schwäche einer friedenspolitischen Opposition, die im politischen Berlin momentan nicht wahrnehmbar ist.

Sicherheitspolitische Think Tanks und Lobbyisten benötigen genau dieses Narrativ, um immer weitere Forderungen nach Aufrüstung im Inland einzufordern.  Die Freude über die gestiegenen Rüstungsausgaben sprechen für sich. Die „bloßen Bestell-Ankündigungen senden bereits ein Signal nach Moskau“, kommentiert der ehemalige Wehrbeauftragte und heutige Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik Hans-Peter Bartels die milliardenschweren Aufträge für neue Kampfpanzer, Munition, Drohnen, Fregatten und U-Boote. Stärker und moderner sei die Bundeswehr schon jetzt. Nur „zügig“ müsse es gehen.

Milliarden für den Wehrdienst – Verelendungspolitik und Soziallabbau für die Schwächsten

Laut einer Studie des ifo-Instituts für das Bundesministerium der Finanzen würde der neue Wehrdienst Kosten in Milliardenhöhe verursachen. Würde ein Modell greifen, das alle Personen eines Jahrgangs einzieht, wäre mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 1,6 Prozent oder knapp 70 Milliarden Euro zu rechnen. Bei einem Wehrdienstmodell mit weniger Wehrdienstleistenden wäre der Rückgang entsprechend geringer. Die Regierenden stellen die horrenden Ausgaben für die Hochrüstung Deutschlands in einen direkten Zusammenhang mit dem Angriff auf den Sozialstaat und propagieren vor dem Hintergrund der bellizistischen Zeitenwende-Politik Sozialabbau – und bedrohen die Rentnerinnen und Rentner, Kinder und Jugendliche, die bereits jetzt von Armut betroffen sind.

Während sich der Verteidigungshaushalt bis zum Ende der Legislaturperiode auf 153 Milliarden Euro verdreifachen soll, wird die Bevölkerung auf das Ende des Sozialstaates vorbereitet. Verteidigungsminister Pistorius stellt einen direkten Zusammenhang zwischen den Ausgaben für Bildung und Finanzen her: „Mit Sozialleistungen und mit Bildung lässt sich dieses Land nicht verteidigen.“ Was unter der jetzigen schwarz-roten Koalition stattfindet, ist der Umbau des Staates von einem Sozial- zu einem Ordnungsstaat. Die soziale Befriedung wird von oben aufgekündigt. Eine soziale Opposition auf der Straße, die sich gegen diese Zustände richtet, wird dringend gebraucht.

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