Ägypten: Neoliberaler Rollback mit Golfkapital

Mohammed Morsi - Foto: Foto: European External Action Service - CC BY-ND 2.0

Das Regime unter Abdel-Fatah al-Sisi, wird mit Milliarden von Petrodollarn aus den Golfstaaten unterstützt, um die neoliberale Politik in Ägypten durchzusetzen, ein Artikel der ägyptischen Aktivistin Anne Alexander.

Am 13 März eröffnete Abdel-Fattah Al-Sisi die „Egypt Economic Development Conference“ (EEDC) in Sharm el-Sheikh. Die Website der Veranstaltung bat die Teilnehmer sich gemeinsam mit den Führern der Welt und der internationalen Investitionsgemeinschaft bei der Gestaltung eines noch nie dagewesenen Plan für die Verbesserung des Wohlstand Ägyptens zu beteiligen.
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die internationalen Investoren, die sich im Sinai Resort versammeln, die Gelegenheit nutzen um kritische Fragen über den blutigen Machtaufstiegs des Gastgebers zu stellen, noch sich auf die zehntausenden Verhafteten, die gegen das Regime protestierten, zu beziehen. Sisi wusste bereits, dass die Männer und Frauen, die die größten ökonomischen und globale Finanzinstitutionen in Zeiten von Krise und Autorität leiteten indem sie die Rechnung aufzwangen, wohl weniger spitzfindig waren, wenn es um seine Menschenrechtsbilanz ging. Sie läuschten mit großer Aufmerksamkeit als er im Januar über im World Economic Forum in Davos einen Vortrag über den IS hielt.

Der IWF lobte Mitte Februar die allgemeinen ökonomischen Reformen der ägyptischen Regierung, denn seit seiner Wahl im Jahr 2014 hat Sisi Subventionen auf Benzin gestrichen und plante mit der Einführung des VAT auch neue Steuern. Die Sparmaßnahmen haben die Subventionen auf Babymilch und Medikamente auf mehr auf die Hälfte gekürzt und neue Ausgaben für Krankenversicherungen für von Frauen geführte Haushalten eingeführt. Gleichzeitig stieg der Ölpreis unverhältnismäßig und belastete die Bedürftigen durch die steigenden Transportkosten. Die Privatisierung von grundlegenden Versorgungseinrichtungen und staatlicher Vermögenswerte, eine Politik die nach der Revolution 2011 von der Regierung abgeschafft wurde, ist jetzt wieder auf der politischen Agenda. Auf einer der vergangenen Kabinettssitzung wurde der Vorschlag Teile der Elektrizitätsnetzwerke zu verkaufen diskutiert.

Die Konferenz ist ein Schmuckstück für ein besonderes Model des neoliberalen Kapitalismus, das Sisi in seinen Wahlreden als die Wiederbelebung des „Nasserism“ bezeichnete. Hier spielt der Staat eine zentrale Rolle innerhalb der drei Axen: als den Garant für „Stabilität“ (durch die wohl brutalste Form von Unterdrückung, die das moderne Ägypten je erlebt hat ), als ein Durchsetzter von neoliberalen Reformen, die von IMF und westlichen Regierungen gefordert wurden, und als ein Hauptorganisator der ausländischen Finanziers die Möglichkeit bietet zu investieren.
Diese Strategie wird in Kooperation mit dem Golf Kapital vollzogen, geführt von Saudi Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Selbst die Konferenz war die Idee des verstorbenen Königs Abdullah. Das Abwenden eines ökonomischen Kollaps wäre undenkbar gewesen ohne die Milliarden Dollar aus Anleihen, Beihilfen, Bankeinlagen und subventioniertem Öl, die seit 2011 aus Saudi Arabien, der Vereinigten Emiraten und Kuwaitfließen ( und stark beschleunigt nach Sisi Sturz der gewählten Muslimbrüder und des Präsidenten Mohamed Morsi im Juli 2013).

Es sind nicht die hochtrabenden Erklärungen des IWF, die die Art von Handel zementieren, die Sisi braucht. Dafür braucht es die persönliche Aufmerksamkeit eines erfahrenen Handlangers, dessen Adressbuch die Schmierfette liefert, die die Räder des Mechanismus am Laufen halten. So sind die anderen Schurken in diesem Stück die Filialleiter und strategischen Consultants der WPP-Gruppe, deren Präsident Martin Sorrell einer der Sprecher auf der EEDC (Egypt Economic Development Conference) war, und Peter Mandelson, dessen „strategische Beratung“ Global Counsel 2010 in Partnerschaft mit WPP gegründet wurde, wobei er in die Fussstapfen des berufsmäβigen Unterstützers von Despoten, Sisis unbezahltem „Ratgeber“ Tony Blair trat. Die Rolle von WPP in der EEDC bedarf besonderer Aufmerksamkeit, da sie weit über normale hinausgeht. Das ganze Ereignis wird von einer WPP Niederlassung durchgeführt, Richard Attias Associates, das von dem marokkanischen Veranstalter Richard Attias geleitet wird, der auch das Weltwirtschaftsforum in Davos geleitet hat. RAA gibt als sein Londoner Büro die Adresse von Mandelsons Global Counsel an und Bob Dudley, Präsident einer von nur zwei öffentlich bekannten Kunden der Beratungsgesellschaft.
BP, ein weiterer Hauptredner bei der Konferenz, hat seit langem wichtige Beteiligungen in Ägypten und hat allen Grund dankbar für Sisis effektive Niederschlagung öffentlicher Proteste zu sein. Die Vorzeigeinvestition des Unternehmens in eine neue groβe Gasanlage nahe der Stadt Idku im Norden von Alexandria hat sich seit 2011 verzögert angesichts des Widerstandes der örtlichen Bevölkerung, die Demonstrationszüge organisierte, Strassenversammlungen abhielt und die Anlage besetzte.

Mursi’s unglückliche Versuche passende Bedingungen für BP’s Investitionen zu schaffen spielten eine zentrale Rolle in der ganzen Geschichte. Es war nicht der fehlende neoliberale Wille der Muslimbrüder, der ihre kurze Zeit an der Macht behinderte. Genau wie Sisi, vollzog Mursi vergeblich die Fahrt nach Saudi-Arabien um die Unterstützung nach 2011 freizugeben. Er reiste nach China mit einer Gefolgschaft von Geschäftsmännern der Mubarak-Ära (Sisi versicherte die Anwesenheit des Vorsitzenden von Chinas Investment Corporation im EEDC). Er traf den IWF und versuchte für Darlehen über die Auflage von neuen Umsatzsteuern in mitten von massiven Protesten gegen die neue Verfassung im Dezember 2012 – eine Aktion, die zumindest einige seiner vernünftigen Berater als politischen Selbstmord hätten erkennen müssen- ihnen entgegenzukommen. Die Steuern wurden einige Tage später zurückgenommen.

Die Unterstützung vom Golf
Sisi’s fatale Schwäche, aus Sicht derer, die ihn als Wiederhersteller von Bedingungen für neoliberale Projekte ansahen, war seine Unfähigkeit die Proteste auf den Straßen und Arbeitsplätze einzudämmen: eine Aufgabe die am entscheidendsten war, jedoch unmöglich mit unterdrückenden Staatsinstitutionen in einer kaum übersehbaren Revolte gegen das System. Noch war der verhältnismäßige Erfolg der Muslimbrüder bei der Gewinnung von soliden finanziellen Unterstützungen und Investitionen aus Katar ausreichend um das Desaster zu verhindern. Die Kooperation zwischen Ägyptens Feldmarschall und Saudi-Arabiens König befindet sich im Herzen des anti-revolutionären Projekts.
Es reflektiert auch ihr langzeitiges Ziel eine neoliberale kapitalistische Ordnung auf regionalem Level einzuführen und den Wunsch die Herrscher der Golfstatten vor dem Verlust der beträchtlichen Investitionen, die sie seit Jahrzehnten in Ägypten investierten, zu beschützen. Das Kapital des Golfes formte die höchste Investition in Ägypten zwischen 2003 und 2010, weit mehr als die nordamerikanischen und europäischen Investitionen. Das erklärt warum die saudi-arabische Diktatur unbedingt an Mubarrak festhalten wollte.
Als der Aufstand auf den Straßen Ägyptens seinen Höhepunkt erreichte, drückte der König Abdullah seine Unzufriedenheit aus gegenüber des amerikanischen Versagens den Diktator zu unterstützen, während ägyptische Diplomaten den Medien berichteten, dass im Falle eines Stopps von amerikanischen Militärunterstützung für Ägypten, Saudi Arabien einspringen würden. Drei Monate später kündigten Generäle das erste Hilfspaket der Saudis in Höhe von $ 4 Millionen in Wert von Anlagen, Anleihen und Brennstoffen an.
Die Regenten des Golfes waren die einzige Finanzierungsquelle um die ägyptische Wirtschaft aufrecht zu erhalten. Ironischerweise waren es genau diese Gelder der Saudischen Könige, die die Lohnkosten für Millionen Arbeiter im öffentlichen Sektor mittrugen, die gleichzeitig mobilisierten, über Streiks, Arbeitsplatzbesetzung und Proteste ihre Forderung nach sozialer Gerechtigkeit durchzusetzen versuchten.
Das erste post-Mubarak Regime bewies sich als unzuverlässiges Vehikel für die Restauration des alten Regimes. Seine Führer vergeudeten das politische Kapital des Militärs im Zusammenstoß mit den Straßenbewegungen, und brachten das Land an den Rand eines weiteren Aufstands. Eine Wiederholung der Januaraufstände wurde abgewendet, weil die parlamentarische Wahlen anscheinend einen alternativen Weg für Veränderung anbot in denen die ehemalige islamische Oppositionsbewegung an die Macht kam.
Die saudischen Geldmittel, die so schnell in Folge von Mubaraks Fall übergeben wurden, schienen schnell auszutrocknen, so übergab Saudi-Arabien nur 1,5 der versprochenen 4 Milliarden. Der Kontrast wird deutlich an der Flut von Unterstützung, die Sisi erhielt nach dem Sturz Mursis,  Saudi Arabien, derVUAE und Kuwait sagten $20 Milliarden zu und bezahlten davon umgehend 90 Prozent.
Trotzt Sisi’s Erfolg bei der Wiederbelebung einer neoliberalen Neugestaltung Ägyptens, bleiben noch viele Herausforderungen offen. Das Regime verlässt sich auf den Zustrom der Golf Hilfspakete und anderen Investitionen. Die hohen Ölpreise, die ursprünglich das Golf -Kapital vorantrieb in der größeren Region zu investieren, fielen um die Hälfte seit Juni 2014. Die Saudi Minister sind beschäftigt mit Einschränkungen ihres eigenen Etats und selbst der Ölproduzent aus Saudi-Arabien, Aramco sucht nach neuen Wegen die Kosten zu senken. Sollte deswegen die Hilfen für Ägypten stocken, werde Risse in Sisi’s Regime erkennbar werden. Eine Hauptschwäche ist das Fehlen einer Partei, die voll und ganz hinter der neuen Diktatur steht.
Trotz der Unterdrückung bleibt auch deswegen der ägyptische Widerstand lebendig und plant neue Proteste.

Der Artikel wurde zuerst im Englischen auf socialistreview veröffentlicht und von Yasmine, die an der Uni Duisburg-Essen studiert, übersetzt.

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