Erfurt: Alle Kunstwerke dürfen gezeigt werden, außer Bilder palästinensischer Kinder – Ein Gespräch

Seit mehr als einem Jahr herrscht Krieg in Gaza, zehntausende Menschen wurden bisher getötet, darunter mehr als 15.000 Kinder. Über das Leben der Kinder in Gaza ist in Deutschland wenig bekannt, aus diesem Grund sollten in Erfurt Bilder von Kindern aus Gaza (Heart of Gaza) ausgestellt werden. Doch nach Protesten einer lokalen antideutschen Antifagruppe, wurde die Ausstellung gecancelt. Wir haben mit Erfurt Unsilenced den Organisatoren der Ausstellung gesprochen.

Etos Media: Ihr wolltet in Erfurt Bilder von Kindern aus Gaza ausstellen, was haben die Bilder gezeigt?

Die Bilder zeigen sowohl Träume als Sorgen der Kinder: manche zeigen ganz typische Kinderbilder-Motive wie z.B. Familienporträts und Natur, andere Häuser, die bombardiert werden. Der starke Kontrast ist atemberaubend und unserer Meinung nach wichtig, um zu zeigen, dass hinter den Zahlen in den Medien reale Menschen sind, unter ihnen Kinder.

Etos Media: Die Bilder dokumentierten also vor allem das Leid des Krieges oder zeigten sie auch glückliche Momente?

Die meisten Bilder zeigen Momente aus der Kindheit, und sogar die, die das Leid des Krieges demonstrieren, machen das durch die Wahrnehmung eines Kindes.

Etos Media: Kurz vor der Eröffnung wurde eure Ausstellung abgesagt, wie kam es dazu?

Zwei Tage vor der Eröffnung unserer Kunstausstellung hat die Antifa Erfurt Leute mobilisiert der Stadtverwaltung die Kunstausstellung, die in dem Pop-up Store in der Innenstadt stattfinden sollte, zu melden, da sie antisemitisch sei. Ein Tag vor der Eröffnung bekam die ‚Jeder-Kann‘ Initiative, die die Gastgeber für das Event sein sollten eine Email in der Ihnen gedroht wurde, dass ihr Mietvertrag für das Pop-up-Store aufgelöst wird, sollte die Kunstausstellung stattfinden. Die Email beinhaltete vermeintliche Vertragsanforderungen, in denen gesagt wird, dass politische Projekte oder Gruppen in dem Pop-Up Store verboten seien. Allerdings war unser Projekt nicht politisch sondern kulturell, da keine Reden oder Vorträge geplant waren. Die Bilder der Kinder in Gaza sollten für sich sprechen. Wir hatten viel Mühe und Zeit in dieses Event gesteckt, ein poetry slam und auch live Musik organisiert. Im Februar hat eine ukrainische Gruppe auch ein Event in dem Pop-Up Store veranstaltet. Daher ist die Aussage, dass Kunst von Kindern in Gaza „zu politisch“ sei faktisch falsch und ein Vorwand um kritische Kunst zu kriminalisieren.

Etos Media: Zu Beginn des Jahres fand noch eine Ausstellung mit Bildern aus der Ukraine statt, warum wurde diese nicht als politisch gewertet? Was unterscheidet beide Ausstellungen?

Obwohl wir voll solidarisch mit der Ukraine sind, wie unterschiedlich die Erfurter Stadtverwaltung mit den Ausstellungen aus der Ukraine und Palästina umgeht, zeigt dass sogar die Existenz palästinischer Kinder in Deutschland politisiert wird. Wir haben keine politischen Slogans benutzt und versucht, die Ausstellung nur als kulturell zu positionieren, aber die Stadtverwaltung hat uns klar gezeigt, dass Jeder kann – außer die Kinder in Gaza.

Etos Media: Wie habt ihr auf die Absage reagiert?

Zuerst haben wir versucht, alles mit der Verwaltung zu klären – wir haben die Ausstellung voraussichtlich angemeldet und waren schon fast fertig mit den Vorbereitungen. Wir haben auch vorgeschlagen, das Event von unseren Gruppen (Jena for Palestine, Erfurt Unsilenced) zu distanzieren, sodass das nicht “zu politisch” ist, aber die Verwaltung meinte immernoch, dass der Inhalt “politisch orientiert” ist.

Wir sehen darin eine regelrechte Zensur der Kunst und der Meinungsfreiheit. Dies ist nicht die erste Veranstaltung, die abgesagt wurde, weil sie Licht auf Palästina werfen sollte. Tatsächlich hat das ‚archive of silence‚ über 200 solcher Veranstaltungen registriert, die abgesagt wurden, weil sie sich mit den Menschenrechten der Palästinenser beschäftigten.

Etos Media: Wie seht ihr die Absage im Kontext der aktuellen politischen Situation in Deutschland?

Unserer Meinung nach, zeigt diese Situation, dass es in Deutschland das Verständnis fehlt, dass in Palästina reale Menschen leben. Das Thema wird ständig so stark politisiert, sodass man Angst hat vor jeder Diskussion oder kulturellem Austausch. Unserer Meinung nach verfestigt sich in Deutschland eine Art Verbotspraxis, in der versucht wird Meinungsfreiheit und akademische Freiheit einzuschränken. Es gibt viele Fälle, in denen das auch im akademischen Kontext passiert, wie beispielsweise der Fall Nancy Faeser. Das sieht man auch an der deutschen Berichterstattung, in der das Regierungsnarrativ, dass jegliche Kritik an Israel antisemitisch sei in jedem Artikel zu dem Krieg in Palästina verbreitet wird. Die (nach neuesten Schätzungen) 200.000 Tote finden jedoch kein Platz in der Berichterstattung.

Etos Media: Werden die Bilder noch an anderen Orten zu sehen sein?

Glücklicherweise haben wir ein tolles Café gefunden, wo wir schon am Samstag die Ausstellung geöffnet haben und am ersten Tag mehr als 900 Euro für die “You Are Not Alone” Kampagne gesammelt haben – dafür sind wir enorm an Café Nomad dankbar. Die Bilder bleiben in dem Café nur für eine Woche.

Etos Media: Danke euch für das Gespräch.

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