Das erste Mal zur UN-Frauenrechtskonferenz in New York bin ich im Jahre 2007 gereist – damals noch als Studentin. Ich erinnere mich noch, wie beeindruckt und ermutigt ich von der Zusammenkunft verschiedener Akteure aus aller Welt –Frauenrechtsorganisationen, Think Tanks, Regierungsorganisationen – auf der Konferenz war. Nun bin ich dieses Jahr als MdB für die Linke und Mitglied einer Delegationsreise des Bundestages zurückgekehrt. Diese Reise war wieder mindestens genauso beeindruckend.
Die UN-Frauenrechtskonferenz bietet Vertretern aus aller Welt, denen die Geschlechterparität und -gerechtigkeit am Herzen liegen, Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen, nachhaltige Beziehungen aufzubauen und auf Veränderungen für eine bessere Welt hinzuwirken. Die diesjährige Konferenz stand unter dem Leitthema „Innovation, technologischer Wandel und digitale Bildung für Geschlechtergleichstellung“. Heute unterliegen die meisten Bereiche des Lebens der Digitalisierung. In diesem Zeitalter der Digitalisierung müssen wir also dafür sorgen, dass Gleichberechtigung und Gerechtigkeit für Frauen und Mädchen – also für knapp mehr als 50 % der Weltbevölkerung – gewährleistet sind. Es gibt viele Aspekte, die angegangen werden müssen: Der Zugang von Frauen zu Technologien; wie „digital skills“ die ökonomischen Chancen von Frauen verbessern können; wie die Digitalisierung dazu beitragen kann, den „Gender Gap“ in den Bereichen Bildung und Gesundheitsversorgung zu überwinden, um nur einige Bereiche zu nennen. Der digitale „Gender Gap“ ist in vielen Gesellschaften weltweit leider noch Realität. Gerade im globalen Süden ist diese Kluft zwischen den Geschlechtern besonders groß. Es muss darauf hingearbeitet werden, dass alle Frauen und Mädchen Zugang zu digitalen Möglichkeiten und Ressourcen haben. Aber auch Deutschland hat noch einen weiten Weg vor sich. So gibt es hierzulande in der Arbeitswelt strukturelle Diskriminierung, wenn zum Beispiel Frauen beim Gründen von Start-ups weniger Kredite bekommen als Männer. Hier bedarf es großer Transformationen und konsequenter Gleichstellungspolitik. Auch die Gewerkschaften sind gefordert, wenn es darum geht, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen.
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat natürlich die Teilnehmer der diesjährigen Konferenz gemahnt, die Fragilität des Weltfriedens wahrzunehmen. UN-Generalsekretär Antonio Guterres betonte in seiner Rede, wie Frauen weltweit sich dafür einsetzen, Kriege und Konflikte zu beenden. Meine vielzähligen Begegnungen auf der Konferenz haben diesen Eindruck bestätigt. So traf ich mich z.B. mit Frauen aus Afghanistan und dem Iran, die mir von ihren Kämpfen für die Demokratie und Gleichberechtigung in ihren Ländern berichteten. Diese intersektionale Perspektive gibt der Konferenz eine enorme Wichtigkeit. People of Color haben die Möglichkeit, mitzureden, anstatt dass über sie geredet wird. Vertreterinnen der verschiedenen Regierungen können über die Situation von Frauen und Mädchen sowie Reformen zu Gleichstellungspolitik in ihren Ländern berichten. Auf den Side Events haben NGO aus verschiedenen Ländern Veranstaltungen zu Gleichstellungspolitik organisiert. Auch diese Präsenz der Zivilgesellschaft ist von großer Bedeutung. Noch immer ist für Millionen von Mädchen, Frauen und LGBTQ+ der Zugang zu Ernährung, Gesundheit und Bildung beschränkt.
Veranstaltung der Gegensätze
Die Konferenz ist aber natürlich auch eine Veranstaltung der Gegensätze. Die Delegation Neuseelands ging als Beispiel voran: Im Neuseeländischen Parlament herrscht Geschlechterparität, 52% der Abgeordneten sind Frauen. Für ein Gegenbeispiel stand die Delegation aus Katar, die aus sechs Männern bestand. Dass in Katar eine krasse Ungleichheit der Geschlechter besteht, ist kein Geheimnis. Trotzdem versuchte diese Delegation natürlich, von den Fortschritten im Land zu berichten. Dies erscheint auf den ersten Blick kurios, aber es sind nun mal die verschiedenen Realitäten, die bei der UN-Frauenrechtskonferenz aufeinanderprallen und den wertvollen Austausch ermöglichen.
Greifbare Ergebnisse der UN-Frauenrechtskonferenz?
Die große Kritik an den Veranstaltungen wie der UN-Frauenrechtskonferenz lautet immer: Es wird viel geredet, aber am Ende kommt kein greifbares Ergebnis herum. Auch auf der diesjährigen Konferenz wurden eine Resolution und verschiedene Empfehlungen der UN-Frauenrechtskommission verabschiedet. Darin wurde die Wichtigkeit früherer Resolutionen und von Menschenrechtskonventionen und dem Hinwirken auf Geschlechtergerechtigkeit, gerade auch im Hinblick auf die Digitalisierung, betont. Aber vielleicht ist es auch gar nicht nur der Wortlaut der Resolutionen, der am Ende das Entscheidende ist. Wichtig ist auch, dass diese Konferenzen Frauen aus aller Welt die Möglichkeit geben, zusammenzukommen, einander zuzuhören und voneinander zu lernen. Ergebnisse solcher UN-Konferenzen bestehen also auch im stetigen und in zwischenstaatlichen Dialogen erarbeiteten Einwirkung auf die Entwicklung internationaler demokratischer Normen, auf die sich demokratische und auch linke Politik in den verschiedenen Ländern stützen kann. Frauen werden nur erfolgreich sein, wenn sie ihre unterschiedlichen Kämpfe als gemeinsame Kämpfe verstehen, um das Patriarchat in allen seinen Erscheinungsformen zu überwinden.
(Hinweis: Der Beitrag ist zeitnah erschienen in „Politische Berichte NR. 2/2023“.)