Ein Verbot, das weit über Köln hinausweist: Das antimilitaristische Camp von „Rheinmetall Entwaffnen“ wurde von den Behörden mit der Begründung untersagt, das Camp würde „Unfriedlichkeit“ verbreiten. Während im Bundestag Aufrüstung, Kriegstüchtigkeit und militärische Interventionen offen propagiert werden, wird friedlicher Protest kriminalisiert – ein gefährlicher Schritt in Richtung autoritärer Staatsumbau. Und wer glaubt, dass diese Repression nur die Friedensbewegung betrifft, irrt, meint Ulrike Eifler.
Die Nachricht kam prompt: Verbotsverfügung gegen das Protestcamp von „Rheinmetall Entwaffnen“. Das antimilitaristische Bündnis wollte dazu vom 26. bis 31. August nach Köln einladen. Seit Monaten laufen die Vorbereitungen. Nun wurde es von den Behörden untersagt. In der Verfügungsbegründung heißt es zu diesem massiven Eingriff in die Meinungs- und Versammlungsfreiheit: Die antimilitaristische Parole „Krieg dem Kriege“, auf die sich das Bündnis beruft, sei ein Zeichen für „Unfriedlichkeit“.
Mit zweierlei Maß
Abgesehen davon, dass die Losung auf den pazifistischen Schriftsteller Kurt Tucholsky zurückgeht, den Schüler seit Jahrzehnten im Deutschunterricht zu lesen bekommen, wirft der Vorwurf der „Unfriedlichkeit“ zumindest Fragen auf. Denn wie nennen die Behörden dann die wiederholte Forderung von Boris Pistorius nach Kriegstüchtigkeit? Wie ordnen sie den Wunsch von Unions-Außenexperte Roderich Kiesewetter ein, der den Krieg nach Russland tragen möchte? Und sollte nicht wenigstens auch ein prüfender Blick auf Annalena Baerbock geworfen werden, weil ihr noch immer die Sitzung des Europarates in Straßburg anhaftet, in der sie vor der erstaunten Weltöffentlichkeit erklärte, Europa befände sich im Krieg mit Russland?
Die Entwicklung zeigt: Den Vorwurf der „Unfriedlichkeit“ handeln sich offenbar nicht diejenigen ein, die auf eine neue deutsche Führungsrolle hinarbeiten, sondern diejenigen, die auf den Friedensauftrag im Grundgesetz verweisen. Niemand klopfte vermutlich an der Türe von Katarina Barley oder Joseph „Joschka“ Fischer, um aufzuklären, ob die Forderung nach atomarer Abschreckung ein Aufruf zur „Unfriedlichkeit“ sei. Niemand attestierte dem Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, eine Vorliebe für „Unfriedlichkeit“, als er klarstellte, Abschreckung sei nicht nur reaktiv, sondern habe auch aktive Komponenten.
Und steckt wirklich mehr „Unfriedlichkeit“ in einem Protestcamp, in dem junge Menschen vor dem Hintergrund der Weltlage ihre Ängste, Sorgen und Protestformen miteinander diskutieren wollen, als im Plenarsaal des Deutsches Bundestages? Hier wurden immerhin gerade eine unbegrenzte Aufrüstung und der Finanzierungsvorbehalt für den Sozialstaat beschlossen. Auf die Erklärung, wie das ein Beitrag zum Erhalt des sozialen Friedens im Land sein könnte, dürfen wir gespannt sein.
Nicht aus heiterem Himmel
Zur Ehrlichkeit gehört aber auch: Die Verbotsverfügung kam nicht aus heiterem Himmel. Sie ist vielmehr die Fortsetzung eines diffamierenden medialen Diskurses gegenüber all jenen, die seit drei Jahren für eine Stärkung diplomatischer Antworten statt immer weiterer Waffenlieferungen in die Ukraine eintreten. Was mit verbalen Verunglimpfungen als „naiv“, „pazifistisch-bellizistisch“ oder „Putin-nah“ begann, schlug mit dem genozidalen Vorgehen der israelischen Regierung in Gaza in staatliche Repression gegenüber der Palästina-Solidarität in Deutschland um: Polizeigewalt auf Demonstrationen, Kuffiye-Verbot an Schulen, politische Listen im Bildungsministerium. Denken wir zudem an den erzwungenen Abbruch des Palästina-Kongresses. An das Einreiseverbot für Yanis Varoufakis. An die abgesagten Veranstaltungsräume für den Austausch mit UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese. An all die Verunglimpfungen gegenüber Greta Thunberg.
All das ging der Verbotsverfügung des Kölner Camps voraus. Und die Friedensbewegung hat es versäumt, diese Entwicklungen wahrnehmbar als das zu brandmarken, was sie sind: ein autoritärer Staatsumbau zur Durchsetzung der „Zeitenwende“ gegen eine Bevölkerung, die seit achtzig Jahren im Frieden lebt. Das sollte sich ändern. Die Palästina-Solidarität und die traditionelle Friedensbewegung dürfen nicht länger auf verschiedenen Demonstrationen gegen die gleichen Ziele protestieren. Sie müssen gemeinsam auf die Straße gehen, wenn es gelingen soll, der zunehmenden Repression etwas entgegenzusetzen.
Gleichzeitig sollte ein jeder von uns alarmiert sein. Nicht nur diejenigen, die für Frieden, Abrüstung und die Einhaltung des Völkerrechts eintreten. Das Camp-Verbot ist vielmehr eine Warnung an alle, die eine von der Regierung abweichende Meinung haben – in friedenspolitischen, in sozialpolitischen, in demokratiepolitischen Fragen. Eine unbegrenzte Aufrüstung lässt sich ohne massive Einschnitte in den Sozialstaat nicht finanzieren. Militarisierung und Sozialabbau sind zwei Seiten einer Medaille. Staatliche Repression wird sich perspektivisch vermutlich nicht auf antimilitaristische Initiativen und Bündnisse beschränken, sondern kann auch Kirchen, Sozialverbände und die Gewerkschaften treffen. Der Aufbau der Heimatschutzdivisionen, die den Einsatz der Bundeswehr im Landesinneren sicherstellen sollen und die neue Beschlusslage zur erleichterten Anwendbarkeit der Notstandsgesetzgebung sind ein Hinweis darauf, dass sich die Bundesregierung auf soziale Auseinandersetzungen vorbereitet. Aktuell versucht sie noch, Kirche und Gewerkschaften in ihren Aufrüstungskurs einzubinden. Dafür spricht die kreditfinanzierte Aufrüstung, die den frontalen Angriff auf den Sozialstaat zeitlich strecken und dadurch weniger brachial machen soll. Protest soll so verhindert werden.
Es darf bezweifelt werden, dass diese Strategie aufgehen wird. Deshalb sollten diejenigen, die den von Merz und Klingbeil geplanten Ruin des Sozialstaates nicht zulassen wollen und können, davon ausgehen, dass die Repressionen auch sie treffen könnten. Die öffentlichen Diskussionen über die Einschränkung von Mitbestimmung und Streikrecht könnten schnell real werden.
Tun wir die Verbotsverfügung von Köln also nicht ab. Glauben wir nicht, sie habe nichts mit uns zu tun. Sondern denken wir einen kurzen Moment an das berühmte Zitat von Martin Niemöller, in dem er zugab, zu spät erkannt zu haben, dass er nicht hätte schweigen dürfen, als die Nazis nach und nach Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter verhafteten – bis niemand mehr da war, der ihn gegen seine eigene Verhaftung hätte unterstützen können. Geschichte wiederholt sich nicht, hat Mark Twain einmal gesagt, aber sie reimt sich.
Eine Antwort
Vielen Dank für diesen aufschlussreichen Artikel, dem ich zu 100 % zustimme.Eine sehr gefährliche Entwicklung ist seit Jahren zu beobachten.
Die Meinungsfreiheit ist eingeschränkt-Meinungrn,die nicht dem Narrativ der Regierung entsprechen, werden unterdrückt, oder als Russland Propaganda diskreditiert.
Alle Friedenskräfte müssen sich vernetzen, um dieser Entwicklung, Einhalt zu Gebieten!
Im Namen des Friedens, des Lebens und des friedlichen Lebens aller Völker, ob in Ost, oder West-natürlich auch in Nord und Süd.