Weltweit fordern immer mehr Regierungen, Friedensorganisationen, jüdische und palästinensische Organisationen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Waffenstillstand in Gaza, die deutsche Regierung weigert sich beharrlich einen Waffenstillstand zu fordern, nun haben mehr als hundert Ärztinnen, Ärzte, Hebammen und Pflegende in Deutschland eine scharfe Kritik an der Position der Bundesregierung veröffentlicht.
Die deutsche medizinische & pflegerische Fachschaft hat zu lange geschwiegen.
Als Medizinerinnen, Mediziner, Hebammen und Pflegende in Deutschland fühlen wir, die Unterzeichnenden, uns verpflichtet, den Kolleginnen und Kollegen in Gaza beizustehen und unsere Solidarität kundzugeben.
Seit über vierzig Tagen beobachten wir mit Entsetzen, wie Zivilisten, medizinisches Personal, Krankenwagen und Krankenhäuser systematisch angegriffen werden. Auch im Westjordanland fällt die Israelische Armee zum wiederholten Male in Krankenhäuser ein und zwingt das Personal, ihre Patient*innen zu verlassen. Zuletzt geschah dies in Jenin, dem Ibn Sina Krankenhaus.
Die Besatzung Palästinas durch Israel dauert schon seit über 75 Jahren, die Blockade Gazas bereits seit 16 Jahren an.
Seit Jahren warnt die UN über die humanitäre Situation in Gaza. Unter anderem werden vermehrt Nierenschäden berichtet aufgrund der schlechten Wasserqualität. Über 50.000 Schwangere sind derzeit in Gaza, Frühgeburten, Aborte sowie schwere postpartale Blutungen häufen sich. Kaiserschnitte müssen ohne ausreichende Anästhesie durchgeführt werden. Zehntausenden mussten Gliedmaßen amputiert werden. Vier von fünf Kindern litten laut Save the Children bereits vor der aktuellen Attacke auf Gaza unter Depressionen und Angst.
Eine chronisch krank gemachte Bevölkerung deren Gesundheitssystem unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung systematisch zerstört wurde.
MSF International President Dr. Christos Christou sagte am 15. November: „Eine Bevölkerung wird in ihrer Gesamtheit belagert und der grundlegenden Mittel zum Überleben beraubt, einschließlich des Zugangs zu lebensrettender medizinischer Versorgung.“
In den letzten 40 Tagen wurden bereits über 1,5 Millionen Menschen zwangsvertrieben. In einer Pressemitteilung vom 16. November warnten UN-Experten vor einem sich anbahnenden Völkermord in Gaza. Ein israelischer Genozidforscher in den USA, Raz Segal, nennt was wir in Palästina gerade sehen, bereits ein „Völkermord wie aus dem Lehrbuch“.
Völkermord geschieht nicht nur durch direkte Tötungen mit Waffengewalt, sondern auch durch die Zerstörung lebenserhaltender und lebensnotwendiger Strukturen (Stromversorgung/Solaranlagen, Wasserspeicher und Entsalzungsanlagen, Straßen, Krankenhäuser, Bäckereien, RTWs, Lagerhäuser, Wohnhäuser usw). Es gibt erste Berichte über Tote durch Mangel an Essen und sauberen Wasser, hygienische Umstände sind unmöglich gemacht worden und die WHO warnt vor Ausbreitung von Infektionskrankheiten.
Am 12. November berichtete die WHO, dass sie in den letzten 36 Tagen über 130 Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen in Gaza registriert haben. Seitdem sehen wir zu, wie Al-Shifa Krankenhaus in Gaza Stadt von Panzern der Israelischen Armee umringt, und die Israelische Fahne auf dem Dach des Krankenhauses gehisst wird. In einem Bericht vom 15. November hat Ärzte ohne Grenzen (MSF) gemeldet, dass ihre Mitarbeitenden selbst gesehen haben, wie Menschen erschossen wurden als sie versuchten, aus dem Krankenhaus zu fliehen. Am 18. November erhielten Ärzte in Al-Shifa den Befehl, das ganze Krankenhaus zu evakuieren. Über 100 Patienten und Patientinnen sind in einem zu kritischem Zustand um evakuiert zu werden.
Wir verurteilen die bedingungslose Unterstützung Israels durch die deutschen Regierung.
Warum ist die Einhaltung von humanitärem Völkerrecht keine Bedingung?
Unsere Regierung weigert sich nicht nur, dieses Massaker zu verurteilen, sondern beschließt eine Verzehnfachung der Militärhilfe an Israel. Viele medizinische Einrichtungen, Universitäten und Hochschulen in diesem Land haben sich dieser Meinung angeschlossen. Sie ignorieren die Aufrufe von humanitären und Menschenrechtsorganisationen sowie von Medizinerinnen und Medizinern in aller Welt, die einen Waffenstillstand fordern.
Sie ignorieren die Meldungen des palästinensischen roten Halbmondes, des roten Kreuzes, Ärzte ohne Grenzen, ignorieren die Berichte des plastischen Chirurgen Dr. Ghassan Abu Sitta im Al-Ahli Krankenhaus in Gaza. Sie ignorieren Einschätzungen zahlreicher Genozidforscher und des ehemaligen Direktors des New York Büros für UN Menschenrechtskomission, Craig Mokhiber.
Wir sind in Medizin, Krankenpflege und Hebammenkunde ausgebildet und glauben fest daran, dass jeder Mensch auf dieser Erde ein Recht auf Zugang zu Medizin und Gesundheitsversorgung hat. Dieses Recht wird der Bevölkerung des Gazastreifens von der israelischen Besatzung seit vielen Jahren routinemäßig verweigert.
Mit größtem Respekt sehen wir, wie unsere Kollegen & Kolleginnen in Palästina ihre persönliche Sicherheit, ihren Schlaf, die letzten Momente mit ihren eigenen Familien und nicht selten ihr eigenes Leben opfern, um ihre Patienten weiter zu versorgen. Selbst ohne Zugang zu den grundlegendsten und wichtigsten Ressourcen sind sie in ihrer Entschlossenheit standhaft und mutig geblieben.
Wir rufen alle im Gesundheitswesen dazu auf, in der ganzen Welt und insbesondere in Deutschland, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um einen Waffenstillstand sowie ein Ende der Besatzung Palästinas und der Blockade Gazas zu erreichen.
Wir glauben, dass es die Pflicht eines jeden von uns ist, für eine Welt zu kämpfen, in der alle Menschen gleichberechtigt und sicher sind.
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First, Ceasefire: An Open Letter from Medical Workers in Germany (English)
The German medical community has remained silent for too long.
As medical professionals in Germany, we, the undersigned, realize and embrace our obligation to speak out for and stand in solidarity with our colleagues in Gaza. We have watched in horror for over forty days now as civilians, medical workers, ambulances, and hospitals have been systematically targeted. Also in the West Bank, the Israeli Army repeatedly invades hospitals and forces the staff to abandon their patients. Most recently, this occured in Jenin, at the Ibn Sina Hospital.
The occupation of Palestine by Israel has been ongoing for 75 years, the blockade of Gaza for 16 years.
The UN has been warning about the humanitarian situation in Gaza for years. Kidney damage is increasingly being reported due to the poor water quality. Over 50,000 persons are currently pregnant. Premature births, miscarriages and severe postpartum haemorrhages are on the rise. C-sections have to be performed without sufficient anesthesia. Tens of thousands of people had their limbs amputated. According to Save the Children, four out of five children were already suffering from depression and anxiety before the current attack on Gaza.
A population who has been made chronically ill and whose healthcare system has been systematically destroyed under the pretext of fighting terror.
MSF International President Dr. Christos Christou said on November 15th: “A population, in its entirety, has been besieged and deprived of the basic means to survive, including access to lifesaving medical care.“ In the past 40 days, over one and a half million people have been forcibly displaced.
In a press release on November 16, UN experts warned of an impending genocide in Gaza. An Israeli genocide researcher in the USA, Raz Segal, calls what we are currently seeing in Palestine a „textbook case of genocide“.
Genocide does not only include direct killings with weapons, but also the destruction of infrastructure that’s necessary for survival (power plant, solar panels, desalination plant, ambulances, streets, storage facilities, clinics, bakeries, homes etc). There are first reports of deaths due to lack of food and clean water, hygienic conditions have been made impossible and the WHO warns of the spread of infectious diseases.
On November 12th, the WHO reported that they had recorded over 130 attacks on medical facilities in the past 36 days in Gaza. Since then we have seen Al-Shifa hospital in Gaza City, which is the largest medical facility in the Gaza strip, being encircled with tanks from Israeli forces and the Israeli flag has been lifted by troops on its roof. In an update from November 15th, Doctors without Borders (MSF) reported that their staff members have witnessed people being shot while attempting to flee Al-Shifa Hospital. On November 18th, the doctors of Al-Shifa received an evacuation order for the entire hospital. Over 100 patients are in too critical of a condition to be evacuated. It’s reported that five doctors and a few nurses are remaining behind, continuing to provide care.
We condemn the German government’s unconditional support of Israel.
Why is compliance with international humanitarian law not a condition?
Not only has our government refused to condemn this massacre, but it is actively enabling Israel with a ten-fold increase in military aid. Many medical institutions and universities in this country who have chosen to align themselves with this position, ignoring calls by humanitarian and human rights organizations as well as medical workers across the world calling for a ceasefire. They are ignoring the reports of the Palestinian Red Crescent, the Red Cross, Doctors without Borders, and the reports of the palestinian surgeon Dr. Ghassan Abu Sitta in the Al-Ahli hospital in Gaza. They are ignoring the assessments of numerous genocide researchers and the former Director in the New York Office of the High commission for Human rights, Craig Mokhiber.
We, who have been trained in medicine and patient care firmly believe that each human on this earth has a right to access to medicine and healthcare. This is a right that has been routinely denied to the people of Gaza by the Israeli occupation for many years.
It is with the utmost respect that we see our colleagues in Palestine sacrifice personal safety, sleep, last moments with their own families, and not seldomly their very lives to continue to provide care to their patients. Even without access to the most basic and essential resources, they have remained steadfast and courageous in their resolve.
We call on the medical community throughout the world and especially in Germany to do everything in its power to push for a ceasefire and an end to the blockade of Gaza and the occupation of Palestine.
We believe it is the duty of each and every one of us to fight for a world in which every human being is equal and safe.
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Weiterführende Quellen / More Links
1. UNRWA Situation Report from November 17th, 2023
3. Gaza is ‘running out of time’ UN experts warn, demanding a ceasefire to prevent genocide
4. Statement Doctors without Borders/Médicins Sans Frontiérs (MSF) from November 15th, 2023
„We urge the US, UK, Canada, member states of the League of Arab States, member states of the Organization of the Islamic Cooperation, and the European Union—who have repeatedly called for the respect of international humanitarian law—to take action to ensure a ceasefire now. The horrors unfolding before our eyes in Gaza clearly show that calls for restraint and adherence to international humanitarian law have gone unheeded. Working purposefully to reach a ceasefire is the most effective way to ensure the protection of civilians. Thousands of people have been wounded since October 7, many of whom are in critical condition and will require complex surgeries and sustained treatment for weeks, if not months. This can only be done with a total ceasefire and the unconditional supply of humanitarian aid, including access to food, fuel, and water. The survival of people in Gaza depends on this.“
5. Amnesty International: Demand a ceasefire by all parties to end civilian suffering
7. Physicians for human rights
8. Human rights watch: Einsatz von verbotenen weißen Phosphorbomben
9. Der Verein „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ setzt sich für Freiheit, Menschenrechte und ein Leben in Würde für alle Menschen zwischen Mittelmeer und Jordan ein
10. Dokumentation der Vertreibung von Palästinensern seit 1948
11. Übereinkommen zur Verhütung & Bestrafung von Völkermord
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