Kritik an der israelischen Regierung ist nicht mit Antisemitismus gleichzusetzen

Gaza - Bild Motaz Azaiza

Als am 7. Oktober 2023 die Hamas den barbarischen Terrorangriff auf Israel verübte und auf israelischer Seite 1139 Menschen ermordete, darunter Frauen und Kinder, gab es zurecht in Deutschland kaum jemand, der die Hamas nicht verurteilte. Die Entführung von 240 Geiseln stieß genauso auf Unverständnis, wie die Brutalität der Hamas.

Als die israelische Regierung zum Gegenschlag, mit dem Ziel der vollständigen Vernichtung der Hamas ausholte, erhielt sie von Deutschland, der EU und den USA uneingeschränkte Unterstützung. Zwischenzeitlich kostete der Krieg der israelischen Armee über 32000 Palästinensern das Leben, darunter vermutlich mehr als 12000 Kindern.

Die UN-Menschrechtsexpertin Francesca Albanese sieht in einem von der UN in Auftrag gegebenen Bericht Hinweise auf Völkermord Israels. Unabhängig von der Auseinandersetzung über die juristische Bewertung des Vorgehens von Israel, kann es keinen Zweifel geben, dass die humanitäre Lage in Gaza katastrophal ist. 70 Prozent der Häuser im Gazastreifen sind zerstört. 1,5 Millionen Menschen drängen sich inzwischen im Süden von Gaza. Die UN warnt vor einer dramatischen Hungerkatastrophe. Die medizinische Versorgung ist praktisch ausgefallen, es fehlt an allem, Strom, sauberem Wasser, Lebensmitteln, Unterkünften. Die Spiegel Kolumnistin Muriel Kalisch schreibt am 25.3.2024 im Spiegel: „Israels Regierung weist die Verantwortung von sich. Doch es gibt keinen Zweifel, dass der Hunger auch eine Folge davon ist, dass Israel zu wenig Hilfsgüter in den Gazastreifen lässt“. Dass engste Verbündete von Israel den verzweifelten Menschen Hilfsgüter aus der Luft zukommen lassen, obwohl das gefährlich, teuer und völlig unzureichend ist und die US-Regierung eine Versorgungsstation auf dem Meer aufbauen will, ist Ausdruck politischer Hilflosigkeit, vor allem aber von Inkonsequenz gegenüber der israelischen Regierung. Israel ist nicht gewillt genügend Hilfskonvois auf den Landwegen durchzulassen, damit die Menschen mit dem Allernötigsten versorgt werden können.

Trotz vielfacher Mahnungen durch die USA und der immer lauter werdenden Forderungen nach einem Waffenstillstand, will die Regierung Netanyahu an ihrem Plan festhalten, die Stadt Rafah anzugreifen. In dieser einzig noch nicht zerstörten Stadt leben auf engstem Raum 1,5 Millionen Palästinenser, die großteils aus ihren zerstörten Städten geflohen sind.

Auch das erstmalige Votum des Weltsicherheitsrates nach einer sofortigen Waffenruhe und zur Freilassung aller Geiseln kann sie nicht umstimmen. Dass die USA erstmals auf ein Veto verzichtete und sich der Stimme enthielt, führte zur Reaktion Netanyahus, eine geplante Delegation in die USA zu stoppen. Netanyahu kämpft um sein politisches Überleben und ist bereit dafür Tausende oder gar Zehntausende Palästinenser zu opfern. Auch Außenministerin Annalena Baerbock fordert inzwischen eine Waffenruhe und kritisiert den geplanten Angriff auf Rafah. 69 Prozent der Bevölkerung in Deutschland kritisieren nach einer Umfrage im März das Vorgehen Israels und nur noch 18 Prozent halten es für gerechtfertigt.

Der furchtbare und in der Geschichte beispiellose Terror des deutschen Faschismus gegenüber der jüdischen Bevölkerung, der Holocaust mit millionenfachem Massenmord, verpflichtet uns zur Solidarität mit der israelischen Bevölkerung und dem Staat Israel, aber keinesfalls gegenüber der israelischen Regierung, der fanatische Nationalisten und Rechtsradikale angehören. Der berechtigten Kritik an dem Unrecht, das die israelische Regierung dem palästinensischen Volk zufügt, wird immer noch häufig mit dem Vorwurf des Antisemitismus begegnet. Gegenüber hier lebenden Palästinensern wird dieser Vorwurf besonders vorschnell erhoben, vor allem wenn sie gegen die Politik Israels protestieren. Wagen Künstler auf der Berlinale den Vorwurf des Genozids zu erheben oder ihre Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung zum Ausdruck zu bringen, ist Schluss mit der vielbeschworenen Freiheit der Kunst. Die mediale Kritik ist heftig und heftig einseitig.

Dass die Regierung Netanyahu mit allen Mitteln versucht, eine grundlegende Lösung des Konfliktes in Palästina durch eine Zweistaatenlösung zu verhindern, kann kaum im langfristigen Sicherheitsinteresse der israelischen Bevölkerung liegen. Die weitere illegale Landnahme israelischer Siedler im Westjordanland, das von der Palästinensischen Autonomiebehörde verwaltet wird, schränkt die Lebensgrundlage der dort wohnenden Palästinenser mehr und mehr ein. Auch das soll die Gründung eines Palästinenserstaates verhindern.

Obwohl Netanyahu die Kritik der US-Regierung, der EU und Deutschlands kaum anficht, folgen den inzwischen deutlicheren Worten und Warnungen kaum Taten. Israels Armee ist auf die militärische Unterstützung der USA angewiesen. Es ist zynisch, dass die Menschen in Gaza vor den Bomben und Flugzeugen aus den USA fliehen müssen, um dann mit Hilfsgütern aus amerikanischen Flugzeugen versorgt zu werden. Auch Deutschland liefert ungebremst Waffen und militärische Ausrüstung an Israel, obwohl die israelische Regierung permanent das Völkerrecht in Gaza verletzt. Gerade die USA und eingeschränkt die EU haben es in der Hand von der Regierung Netanyahu eine andere Politik einzufordern, eine dauerhafte Waffenruhe zu erreichen und den Konflikt langfristig zu befrieden. Wer dafür in Deutschland auf die Straße geht ist deshalb nicht antisemitisch, sondern tritt zurecht dafür ein, dass das Völkerrecht überall eingehalten und die Menschenrechte überall angewendet werden müssen.

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