In Österreich demonstrierten vergangene Woche 70.000 gegen die Flüchtlingspolitik der Regierung. Das sorgte in den bürgerlichen Redaktionsstuben und Sitzungen der Regierungen für Unbehagen. Bundeskanzler Werner Faymann will „Zurück zur Normalität“ und betonte immer wieder, man sei nicht Griechenland. Jetzt kommt alles anders.
Die Regierenden sind zerstritten und versuchen verzweifelt, eine gemeinsame Antwort auf den massenhaften zivilen Ungehorsam zu finden. Die bayrische Regierung drohte, Flüchtlinge direkt nach Österreich zurückzuweisen, wenn man sich hier nicht an die Gesetze halte. Da brechen tausende Menschen die Anti-Schlepperei-Gesetze und schleusen massenhaft Flüchtlinge nach Österreich. Da setzen sich Tausende über Paragraf 120 des Fremdenpolizeigesetzes, der „wissentlichen Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Durchreise“ hinweg und riskieren bis zu vier Wochen Gefängnis (oder bis zu 7.500 Euro Geldstrafe). Da etablieren sich völlig selbstorganisierte Basisinitiativen wie Train of Hope auf den österreichischen Bahnhöfen und die Polizei muss daneben stehen uns sie gewähren lassen, teilweise sogar mithelfen.
Da lassen sich Flüchtlinge zu Tausenden nicht mehr durch Zäune, Tränengas und Schlagstöcke an den Grenzen aufhalten und verbrüdern sich auf den Bahnhöfen unter Jubelszenen mit solidarischen „Einheimischen“. Da gelingt es der radikalen Linken – trotz Totschweigen in den Medien mit Ausnahme weniger engagierter Journalist_innen – in wenigen Wochen eine beeindruckende Plattform mit allen großen Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften, SPÖ, Grüne und vielen mehr aufzustellen und am 3. Oktober mit 70.000 Menschen die größte antirassistischen Demo seit dem Lichtermeer 1993 aufzustellen. Über 150.000 nahmen am Konzert Voices for Refugees am Heldenplatz teil.
Herrschende Unrechtsordnung untergraben
Die bürgerliche Tageszeitung Presse jammerte über die Rolle der „sozialistischen“ Neuen Linkswende in den Protesten, man hätte viele Bürgerliche „vergrault“: „Dieser Verein, einer der Initiatoren, stellte klar: Wer mitmarschiert, muss drei Forderungen mittragen: Rücktritt von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, Dach über den Kopf für alle Flüchtlinge, Bleiberecht für alle.“ Man hätte es gerne weniger scharf gehabt. Interne Dokumente des Innenministeriums an die bayrische Polizei fürchteten eine „Gefahr für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit“ und die „Außerkraftsetzung gesetzlicher Strukturen“. Tausende erlebten, wie eine Gesellschaft ohne Konkurrenz und Ausbeutung, sondern mittels echter Demokratie und Selbstbestimmung funktionieren könnte.
Der massenhafte Missachten der Gesetze und Ordnung zwang die Innenministerin Mikl-Leitner sogar vorrübergehend völlig in die Defensive, als sie meinte, wenn „Gewalteskalationen drohen“ und sich Flüchtlinge „nicht im Rahmen der Verhältnismäßigkeit registrieren lassen“, dann werde sich die Polizei „nicht mit Gewalt entgegenstellen“. Das Dublin-Abkommen, wonach Flüchtlinge in Österreich kontrolliert und gegebenenfalls zurückgeschoben werden müssten, wurde praktisch ausgesetzt. Die Befehlskette in der Polizei ist selbst angeschlagen. Polizisten spielten mit Flüchtlingskindern auf den Bahnhöfen. Auf die Ankündigung der Innenministerin, nun wieder Gewalt gegen Flüchtlinge an den Grenzen einzusetzen, ließ ihr die Polizeigewerkschaft ausrichten, die Polizist_innen würden sich für das politische Versagen der Regierung nicht „missbrauchen“ lassen und keine Gewalt anwenden – vorsätzliche Befehlsverweigerung.
Bewegung kann sich weiter radikalisieren
Die Regierungen müssen fürchten, dass die Bewegung mit der antifaschistischen und anderen Bewegungen zusammentrifft und sich weiter radikalisiert. Der Schock der bisher größten Anti-Burschenschafter-Proteste sitzt ihnen noch in den Knochen. Das neue Staatsschutzgesetz ist eine maßgeschneiderte Anlassgesetzgebung um die diese Bewegung zu kriminalisieren. Die Plattform zum 3. Oktober unterstützt die Demonstration gegen den Wahlkampfabschluss der FPÖ, organisiert von der Offensive gegen Rechts. Im Zuge einer Sonderdebatte im Wiener Landtag zum Flüchtlingsthema attackierte der grüne Abgeordnete Martin Margulies die FPÖ so scharf, dass die Freiheitlichen den Sitzungssaal verließen und Margulies ihnen nachrief: „Raus mit euch, ihr habt in einem demokratischen Parlament alle miteinander nichts zu suchen.“
Der ÖGB verteidigte alle Arbeiter_innen, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren und „unbürokratisch ihrer Arbeit nachgehen, Hilfestellung leisten und Zivilcourage zeigen“, gegen jegliche Kriminalisierungsversuche. Die Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafter_innen (FSG) beteiligten sich mit einem beeindruckenden Block an der Demonstration am 3. Oktober, während die Metaller_innen bei den Kollektivvertragsverhandlungen in Betriebsversammlungen über erste Kampfmaßnahmen beraten. Spätestens seit dem Referendum in Griechenland ist klar, dass der Kampf gegen die Diktate der Europäischen Union (EU) aus Brüssel eine zähe und harte Auseinandersetzung wird – egal ob Bewegung gegen den harten Sparkurs oder die „Festung Europa“.
Die Regierung versucht wieder aus der Defensive zu kommen und mit der Unterscheidung in gute und böse Flüchtlinge, christliche und muslimische, Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlinge Zustimmung zur Verschärfung des Asylrechts zu bekommen. Die Bewegung hat schon einmal die Grenzen eingerissen und zehntausende Menschen auf die Straßen gebracht. Durchkreuzen wir jetzt die Pläne der herrschenden Eliten nach „Asyl auf Zeit“ und „Hot Spots“ an den EU-Außengrenzen. Bauen wir die Bewegung zu einer mächtigen Waffe aus, die Regierungen zu Fall bringen kann.
Eine Antwort
Die Politik in Österreich ist nur noch eine sinnlose Kostenstelle, Politik und Medien haben sich gegen die Bevölkerung entschieden. Möchtest du etwas über die politische Entwicklung in Österreich erfahren, dann frag in Brüssel oder besser noch in Washington nach.
Ich bewundere das Volk,das seinen Zorn in Grenzen hält,die Frage ist nur wie lange noch.
Wenn sich Bürger anfangen zu bewaffnen ist das mehr als beunruhigend, aber auch verständlich wenn seitens der Politik und Exekutive der Schutz eines Landes nicht mehr gegeben ist.