Männlichkeit und Konkurrenz: Pumpen, Boxen, Weinen

Bild von vasallo auf Pixabay

Im Folgenden veröffentlichen wir, mit freundlicher Genehmigung der Autorin, einen Beitrag von Bafta Sarbo, welcher ursprünglich am 3. März 2021 im Lower Class Magazine erschien.

Vor ein paar Monaten erzeugte ein deutscher Rapper namens Cashmo mit seinem Lied „Alman“ viel Erregung. In dem Song beklagt der Künstler, wie schwer er es als Deutscher in einem migrantisch dominierten Viertel hatte. Das Lied wurde vor allem unter dem Thema „rechtsoffener Diskurse“ verhandelt und die Kritik an dem Song kam eher aus dem Hip-Hop-Journalismus, der trotz des Selbstverständnisses von Hip-Hop als einer Subkultur von unten, in Deutschland häufig aus Martins und Laras mit Eigenheim besteht. Also verfehlte sie auch die eigentliche Pointe: Auf der Straße zählen anderen Werte, nämlich Härte. Während Cashmo sich in seinem Musikvideo zweifelsohne rechter Bildsprache bedient, ist etwas anderes präsenter: Über die nationale Identität wird Männlichkeitskonkurrenz verhandelt.

Cashmo sagt, während migrantische Jungs sich vielleicht einmal hauen müssen, um sich zu beweisen, habe er zehnmal ran müssen. Er hat sich so bewiesen, deshalb bekommt er von den meisten migrantischen Rappern in der Hip-Hop Szene auch die Anerkennung als “ein Mann, der sich grade macht”, unabhängig von seinen nationalistischen Anspielungen.

Jede Person, die in einem migrantisch-proletarischen Viertel aufgewachsen ist, weiß, dass das, was er beschreibt, real ist: Deutsche Männer gelten als Lauchs, über die man sich lustig macht und diejenigen, die sich bewiesen haben, mussten das durch übermäßige Zurschaustellung von Gewalt und Körperlichkeit tun. Diese Stereotype über deutsche Männer werden nicht besser dadurch, dass es in der Regel gestimmt hat: die Deutschen haben sich weniger für Pumpen oder Kampfsport interessiert und migrantische Männer können sich trotz einer strukturell rassistischen Gesellschaft zumindest hierin überlegen fühlen. Die Ethnisierung von Männlichkeit lässt sich nur in diesem Zusammenhang verstehen.

Das ist bei alternativem Rap oft nicht anders. Wenn man sich die Videos von Rappern wie Taktikka anschaut, kommen da rechtsoffene deutsche Kampfsportler zusammen mit deutschen Linken, sowie Kurden und Arabern aus den entsprechenden Vierteln vor. Was verbindet diese Jungs? Das gleiche Männlichkeitsideal, nämlich ein soldatisches. Ein arbeitsloser migrantischer Mann sagte mal in einem Interview, indem er so viel trainiert, möchte er nach außen repräsentieren, dass er diszipliniert ist und ausgleichen, dass er dies eben nicht durch Lohnarbeit beweisen kann. Die Diskriminierung und den gesellschaftlichen Ausschluss gleicht er aus, indem er über seinen Körper transportiert, was ihm sonst verwehrt wird, und zwar Macht, nicht nur (obwohl sicher auch) im Sinne von Dominanz, sondern auch im Sinne von gesellschaftlicher Teilhabe. Männlichkeitskonkurrenz hat dabei unterschiedliche Ausprägungen und die vermischen sich gelegentlich mit nationalen oder ethnischen Unterscheidungen.

Der Rapper B-Lash, der nicht müde wird, zu betonen, dass er ein „heterosexueller Kanacke“ ist und Donald Trump verehrt, fiel schon 2013 auf, als er sich über die Geflüchteten am O-Platz beschwerte: die Afghanen seien ja noch ok, die seien kulturell nah an einem dran, aber die Afrikaner die sind fremd, außerdem kommen die ja, um sich die Frauen zu nehmen.

Ein anderer Hip-Hop-Skandal letztes Jahr trifft ein ähnliches Thema. Der „Rapper“ Jamule ist auf einem Konzert des nigerianischen Künstlers Burna Boy und beschwert sich darüber, dass „nur Schwarze“ da sind. In geleakten DMs an seine Ex-Verlobte, die nun einen Schwarzen datet, sieht man, wie er seinen Penisneid nicht zurückhalten kann. (Antischwarzer) Rassismus und Männlichkeitskonkurrenz hängen zusammen.

Das kolonial-rassistische Bild des Wilden, der sich die weiße Frau nehmen will, kennt man und es wird nicht besser dadurch, dass es quasi willkürlich ideologisch einsetzbar ist. Mal trifft es die Juden, mal die Türken, mal die Geflüchteten. Die berühmte Silvesternacht in Köln belebte dieses Bild, durch das weit verbreitete Narrativ der “Nafris”, die Frauen angrabschen. Verstärkt wurde die Debatte vor allem durch einen bürgerlichen Feminismus, der sich in den Dienst der deutschen Männlichkeit stellt und diese als unproblematisch markiert. Ähnliches fand sich bis hin zum linken Szeneclub Conne Island in Leipzig, der nach Fällen von sexueller Übergriffigkeit – die bei Geflüchteten und “jungen Männern mit Migratioshintergrund” ausgemacht worden war – den vorher ermäßigten Eintritt für Geflüchtete nur noch nach vorheriger Anmeldung ermöglichte.

Auch die in linken Kreisen verbreitete sogenannte „kritische Männlichkeit“ ist kein Ausweg aus auf Männlichkeitsbildern basierenden Konkurrenzverhältnissen. Vielmehr bezieht hier eine „weichere“ kleinbürgerliche Männlichkeit Stellung gegen die vermeintlich oder tatsächlich proletarische. Der „kritisch-männliche“ Mann findet „Macker“ selbst sehr belastend. Er leidet auch unterm Patriarchat und braucht deinen Zuspruch und deinen Support, um in der harten Welt der anderen Männer zu überleben. Der „kritisch-männliche“ Mann setzt auf Softness und nicht auf die Hantelbank und wenn er dich betrügt, dann nur, weil Monogamie ohnehin ein patriarchales Ding ist. Wenn du ihm die Wäsche waschen, sein Zimmer putzen oder Essen kochen sollst, dann nicht, weil so die Ordnung der Dinge ist, sondern weil es ihm grade emotional nicht so gut geht und er es einfach nicht schafft gerade.

„Kritisch-männliche“ Männer haben sehr gut gelernt, wie sie ihre Männlichkeit als feministisches Verhalten umerklären können. Das kalkuliert-lauchige Auftreten des „kritischen“ Mannes mag anders erscheinen als das Muskelflexen des proletarisch-migrantischen, aber der Zweck bleibt.

Eine spanische Feministin sagte mal, sie mag diesen neuen Feminismus nicht, bei dem Männer immer noch ständig über sich selbst reden, aber jetzt weinen sie dabei. Ich kann dem nichts hinzufügen, außer, dass das Problem natürlich nicht ist, dass Männer weinen oder Gefühle zeigen, sondern dass sie sich nicht gezwungen sehen, sich mit irgendetwas auseinanderzusetzen, das unbequem sein könnte, sondern ihr (weibliches) Umfeld mit ihrem verantwortungslosen Verhalten belasten.

Ich kann aus dieser Männlichkeitskonkurrenz nichts gewinnen. Alle Männlichkeiten, egal wie sie zueinander stehen, funktionieren letztlich über die Abwertung von Frauen und Queers. Es gibt keine „coole Männlichkeit“ und die schlimmsten Männer sind für mich tatsächlich diejenigen, die behaupten ~anders~ als andere Männer zu sein und genau dasselbe missbräuchliche Verhalten, was wir von anderen Männern kennen verschleiern können. Sie kommen mit ihrem missbräuchlichen Verhalten davon, weil wir in unserer liberalen Gesellschaft nicht gelernt haben, Männlichkeit zu problematisieren, die nicht proletarisch oder migrantisch auftritt. Aber eine Männlichkeitskritik, die ohne Machtkritik auskommt, ist nichts anderes als Sozialchauvinismus.

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