Weihnachten in Bethlehem: zwischen Stille und Trauer

Sogar die illegalen Kontrollpunkte Bethlehems stehen diese Weihnachten vergleichsweise leer. Palästinenserinnen und Palästinenser aus dem Westjordanland können mit einer Genehmigung der israelischen Behörden an den dort platzierten Scannern ihren Code einlesen lassen. Dieser dokumentiert ihre Durch- und Ausreise in den von Israel besetzten Gebieten. Ich als Tourist hingegen muss dieses Prozedere nicht durchlaufen. Obwohl dies nicht meine Heimat ist, habe ich mehr Bewegungsfreiheit als die meisten Palästinenserinnen und Palästinenser in ihrer eigenen besetzten Heimat.

Wenige Schritte, nachdem wir den Checkpoint verlassen haben, sind die prachtvollen Graffitis auf der Separationswand – jener Mauer, die laut internationalem Recht illegal ist und das Westjordanland unter anderem von Jerusalem trennt – schwer zu ignorieren. Doch die Straßen der Stadt sind ebenfalls leer. Weder Beleuchtung noch Musik sind zu sehen. Bethlehem trauert weiterhin aufgrund des andauernden Leids in Gaza. Die sonst stets belebten Märkte haben heute geschlossen, ebenso viele Kirchen. Lediglich die Geburtskirche Bethlehems ist geöffnet. Laut christlicher Tradition ist dies der Ort, an dem Jesus geboren wurde. Doch der Eintritt in die Kirche erscheint mir und meiner Begleitung unangemessen. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt verzichten in diesem Jahr auf öffentliche Weihnachtsfeiern. Es wäre gewiss fehl am Platz, wenn ich mich als Muslim nun in die Kirche „breitmachen“ würde – auch wenn die christliche Bevölkerung muslimische Gäste und Mitbewohnerinnen und Mibtewohner stets offen empfängt.

Nur wenige Meter entfernt von der Kirche sehen wir eines der wenigen Geschäfte, die geöffnet haben. Dort werden wunderschöne Holzfiguren handgefertigt. Jede Figur scheint ein Unikat zu sein. Der Besitzer, Jack Giacaman, gehört ebenfalls der christlichen Minderheit der Stadt an und lädt uns ein, seine Werkstatt genauer zu betrachten. Diese befindet sich gleich neben dem Geschäft, in dem er die Figuren verkauft. Wir sind jedoch die einzigen Besucher. Der Tourismus ist seit Beginn des Krieges drastisch zurückgegangen und viele Menschen hier sind wirtschaftlich gerade vom Weihnachtstourismus abhängig.

Über das Leid Jesu und das Leid in Gaza

Jack erzählt, dass diese Weihnachten für ihn sogar schlimmer seien als im vergangenen Jahr. Über ein Jahr des Kriegsleids staut sich an, und kein Ende der Gräuel ist in Sicht. Deshalb sieht die Stadt auch keinen Grund, zu feiern. „In Zeiten wie diesen ist es wichtig, dass wir uns an das Leid Jesu erinnern, der seinen Schmerz am Kreuz für uns aufnahm“, sagt der gläubige Christ. „Das Leid in Gaza vergegenwärtigt uns wie das Leid, das Jesus erfahren hat, dass wir gegenüber jeder Tyrannei aufstehen müssen!“, fügt er hinzu.

Gefangen in der eigenen Heimat

Jack kann wie viele andere Palästinenserinnen und Palästinenser nicht wie ich einfach nach Jerusalem reisen, um die heiligen Stätten der monotheistischen Religionen zu besuchen. Auch er benötigt eine Genehmigung von den israelischen Behörden, doch seit dem Krieg ist es praktisch unmöglich geworden, eine solche zu erhalten. Jack ist wie so viele Palästinenserinnen und Palästinenser gefangen in seiner eigenen Heimat.

Bethlehem mag diese Weihnachten still sein, die Bevölkerung schweigt jedoch nicht. Die Bewohnerinnen und Bewohner erinnern die Welt vielmehr daran, dass wahre Weihnachtsfreude ohne Gerechtigkeit und Frieden nicht möglich ist. 

Ein Beitrag von Elias Feroz

Dir gefällt der Artikel? Dann unterstütze doch unsere Arbeit, indem Du unseren unabhängigen Journalismus mit einer kleinen Spende per Überweisung oder Paypal stärkst. Oder indem Du Freunden, Familie, Feinden von diesem Artikel erzählst und der Freiheitsliebe auf Facebook oder Twitter folgst.

Zahlungsmethode auswählen
Persönliche Informationen

Spendensumme: 3,00€

Teilen:

Facebook
Twitter
Pinterest
LinkedIn

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Freiheitsliebe Newsletter

Artikel und News direkt ins Postfach

Kein Spam, aktuell und informativ. Hinterlasse uns deine E-Mail, um regelmäßig Post von Freiheitsliebe zu erhalten.

Neuste Artikel

Abstimmung

Sollte Deutschland die Waffenlieferungen an Israel stoppen?

Ergebnis

Wird geladen ... Wird geladen ...

Dossiers

Weiterelesen

Ähnliche Artikel