Im Jahr 2010 wurde das Menschenrecht auf Wasser und Sanitätsversorgung von den Vereinten Nationen anerkannt. Da Wasser zu den wichtigsten Rohstoffen der Erde zählt, soll es allen Menschen flächendeckend in ausreichender Menge frei zugänglich und frei von Schadstoffen zur Verfügung stehen. Die Bundesregierung hat der entsprechenden UN-Vollversammlungsresolution damals zugestimmt – wie Südafrika, Uruguay und Nicaragua im Grundgesetz verankert hat sie das Menschenrecht auf Wasser aber nicht.
Trotz des anerkannten Menschenrechts auf Wasser und Sanitätsversorgung leben weltweit laut aktuellem UN-Weltwasserbericht über 2,2 Milliarden Menschen ohne sicheres Trinkwasser. 3,6 Milliarden haben keinen Zugang zu sicheren Sanitäranlagen. Die Klimakatastrophe und damit einhergehende zunehmende Dürreperioden, Hitze, Naturkatastrophen, das Abschmelzen von Gletschern als langfristige Wasserspeicher, die wachsende Weltbevölkerung und der seit 1980 um jährlich ein Prozent steigende weltweite Wasserverbrauch lassen erahnen, dass Wasserknappheit in Zukunft für immer mehr Menschen zum Problem wird.
Die Landwirtschaft verbraucht weltweit 70 Prozent der Trinkwasservorräte. Für die Agrarproduktion ist Wasser unerlässlich und Bewässerung erhöht die Ernten. Die Möglichkeit, Felder zu bewässern, ist allerdings ungleich verteilt. Bauernfamilien im globalen Süden sind vom Regenfeldanbau abhängig. Die Agrarindustrie hingegen kann Grund- und Oberflächenwasser für die Bewässerung ihrer Felder abpumpen. Die häufige (Über-)Düngung der Pflanzen und die Verwendung von Pestiziden führen zusätzlich zu Wasserverschmutzungen. Dadurch geraten die Menschenrechte auf Wasser und Nahrung miteinander in Konflikt.
Derzeit leidet insbesondere die Bevölkerung im globalen Süden unter Wassermangel, was etwa in den Ländern südlich der Sahara vor allem an mangelhafter Infrastruktur liegt. Wie der letzte UNESCO-Weltwasserbericht darstellt, gibt es dort zwar riesige Grundwasserreserven, jedoch sind nur drei Prozent der Ackerflächen mit Bewässerungssystemen ausgestattet und davon nutzten nur fünf Prozent Grundwasser. Mit Investitionen in grundwassernutzende Bewässerungssysteme in dieser Region könnten landwirtschaftliche Erträge und die Vielfalt der Anbaukulturen deutlich erhöht werden.
Trinkwasserknappheit auch in Deutschland eine Gefahr
Doch auch hierzulande ist der Zugang zu sauberem und trinkbarem Wasser nicht so selbstverständlich wie mancher denken mag. Nach den drei heißen und trockenen Sommern von 2018 bis 2020 warnte im letzten Jahr das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe vor zunehmender Trinkwasserknappheit in Deutschland. Deutschland ist im internationalen Vergleich zwar ein wasserreiches Land mit einer guten Infrastruktur. Aufgrund der Klimaveränderungen kann aber zukünftig auch hier Wasser knapp werden. Ursachen sind vor allem Übernutzung und Verschmutzung durch Unternehmen.
In Deutschland sind die Energieversorger für die Hälfte des nationalen Wasserverbrauchs verantwortlich, da sie Wasser zur Kühlung benutzen und dabei große Mengen verdunsten. Neben anderen Industriezweigen gefährdet in Deutschland vor allem die Landwirtschaft durch hohen Verbrauch und die Verschmutzung mit Pestiziden und Nitrat den Zugriff auf sauberes Grundwasser.
Insbesondere Wohnungslose werden beim Zugang zu Trinkwasser diskriminiert. Denn in den deutschen Kommunen stehen zu wenige ganzjährig frei zugängliche Trinkbrunnen zur Verfügung, die für Wohnungslose oft die einzige Möglichkeit darstellen, sich selbst ausreichend mit Trinkwasser zu versorgen. Dies führte speziell in den drei besagten sehr heißen Sommern öfter zu Dehydrierungen von Wohnungslosen. In meiner Heimatstadt Hamburg gibt es aktuell nur vier Trinkwassersäulen, in anderen Städten überhaupt keine. Während der Corona-Pandemie hat sich die Lage noch weiter verschärft, weil die Kommunen Brunnen gezielt abstellten, um Ansteckungen zu vermeiden. Gleichzeitig wurde Wohnungslosen aber keine alternative Versorgung angeboten. Die Stadt Wien ist uns hier meilenweit voraus: Bei etwa gleicher Einwohnerzahl wie Hamburg stehen den Menschen 1.000 Trinkbrunnen zur Verfügung.
Nach der EU-Trinkwasserrichtlinie (erlassen in Reaktion auf die Europäische Bürgerinitiative „Right2Water – Wasser ist Menschenrecht“ ) sind alle Mitgliedsstaaten nicht nur verpflichtet, für jederzeit sauberes und gesundes Trinkwasser in den Leitungen zu sorgen, sondern auch, den öffentlichen Zugang zu Trinkwasser zu verbessern und sicherzustellen, dass an öffentlichen Plätzen ausreichend Trinkwasserbrunnen bereitgestellt sind. Bis zum 21. Januar 2023 muss die Richtlinie von den Nationalstaaten umgesetzt werden, was in Deutschland bislang nicht geschehen ist. In meiner jüngst gestellten Kleinen Anfrage zu Wasserknappheit frage ich die Bundesregierung, wann die Umsetzung geplant ist und wie genau sie für den öffentlichen Zugang zu Trinkwasser sorgen will. Die Antwort steht noch aus.
Konzerninteressen im Konflikt mit Daseinsvorsorge
Der Kauf einer Flasche Wasser im Supermarkt ist für viele Wohnungslose nicht möglich. Zumal diese von Konzernen wie Nestlé oder Coca-Cola für das Neuntausendfache dessen verkauft werden, was die Konzerne selbst dafür bezahlen. Das zeigt nicht nur, dass Wasser das neue flüssige Gold ist, es ist auch deshalb nicht hinnehmbar, weil Coca Cola etwa im Landkreis Lüneburg mit zwei Brunnen direkt Grundwasser für sein „Vio“ abpumpt, um es dann entsprechend zu verkaufen. Ein dritter Brunnen wurde bereits geplant, doch die Bürgerinitiative „Unser Wasser“ organisierte starken Widerstand und verhalf dazu, dass Coca Cola von seinem Vorhaben Abstand genommen hat. Der Plan war, jährlich bis zu 350 Millionen Liter Wasser aus 195 Metern Tiefe zu fördern. Das entspräche einer Verdopplung der bisherigen Menge. Und das in einer Region, die in den vergangenen 20 Jahren ohnehin 2,25 Milliarden Liter Wasser verloren hat.
Das „Global Institute for Water Security“ diagnostiziert für ganz Deutschland einen Wasserverlust von jährlich 2,5 Gigatonnen. Das entspricht über die letzten 20 Jahre ungefähr der Menge des Bodensees.
Der Trinkwasserschutz gelang auch durch die im März eröffnete Gigafactory von Tesla im brandenburgischen Kreis Strausberg-Erkner in die Schlagzeilen. Das Werk durfte in einem Trinkwasserschutzgebiet gebaut werden und die Produktion verbraucht so viel Wasser, dass die Wasserförderung im Kreis um 52 Prozent erhöht werden musste, während die Bevölkerung in den vergangenen Jahren regelmäßig aufgefordert wurde, Wasser zu sparen. Mitte April wurde dann bekannt, dass der Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) damit begonnen hat, das Wasser für Privathaushalte in seinem Verbandsgebiet zu rationieren.
Der Verein für Natur und Landschaft in Brandenburg kritisiert den Bau der Fabrik darüber hinaus, weil das Trinkwasserschutzgesetz missachtet werde und befürchtet, dass ein Unfall, bei dem Chemikalien austreten, verheerende Folgen haben könnte. So verlaufe unter der Fabrik ein Grundwasserleiter, aus dem auch Berlin versorgt wird. Die zu Beginn des Jahres geäußerten Bedenken scheinen mehr als berechtigt: Bereits 20 Tage nach der Eröffnung der Fabrik sind etwa 15.000 Liter Chemikalien aus der Lackiererei ausgelaufen. Tesla und das Umweltministerium Brandenburg spielen den Fall herunter. Ob und ein wie großer Teil der Chemikalien in den Boden gelangt ist, scheint unklar.
Doch selbst wenn es diesen Vorfall nicht gegeben hätte und in der Region das Trinkwasser nicht knapp würde, muss man auf die scheinbar emissionsfreien Elektroautos, die das Werk produziert, einen kritischen Blick werfen. Denn für die Gewinnung des Lithiums, welches zur Herstellung von Akkus für Elektromobilität benötigt wird, wird unter anderem in der Atacama-Wüste im Länderdreieck Bolivien, Chile, Argentinien unterirdisches salzhaltiges Wasser abgepumpt, wodurch wiederum das über dem Boden vorhandene Süßwasser in die entstandenen unterirdischen Hohlräume absinkt und Pflanzen und Tiere verenden. Durch die Produktion und Nutzung von Elektroautos externalisieren wir die Umweltkosten und sorgen in anderen Teilen der Welt für Wassermangel.
Die ehemalige Bundesumweltministerin Svenja Schulze hatte erfreulicherweise die Zeichen der Zeit erkannt und im Juni 2021 eine „Nationale Wasserstrategie“ vorgestellt, die für sauberes und bezahlbares Trinkwasser bis 2050 sorgen soll. Ihre Nachfolgerin, die Grüne Steffi Lemke, muss jetzt dafür sorgen, dass diese Wasserstrategie zum Wohle der Menschen in Deutschland und weltweit in Abstimmung mit den Kommunen und den anderen Ressorts vorangetrieben wird. Das kann nur bedeuten, dass die Rekommunalisierung der Wasserversorgung angestrebt wird und Privatisierungen von Wasser strikt und ohne Schlupflöcher verboten werden. Sonst ist die Nationale Wasserstrategie nichts anderes als Symbolpolitik und wird weder das Ziel der Bezahlbarkeit, noch den dauerhaft sicheren Zugang erreichen können.