Von Zwangsmäusen und Angsthäs*innen

Die Sendung mit der Maus hat eine wunderbare, einfühlsame Sendung gemacht über Katja, die nach einem harten Leben als obdachloser Mann Wohnung und Stelle findet und endlich, nach langen und entwürdigenden Begutachtungen, auch die sein darf, die sie immer sein wollte: eine Frau. In einfachen und verständlichen Worten wird Kindern vermittelt, dass es das eben gibt: Frauen, die sich als Männer und Männer, die sich als Frauen fühlen.

Dass daran nichts komisch ist, es aber für alle Beteiligten nicht ganz einfach ist, damit umzugehen. Katja berichtet, wie sie sich schon als Kind versteckt und geschämt hat und nicht über ihre Bedürfnisse sprechen konnte. Man sieht in dem Film, wie ihre Transition ihr Selbstbewusstsein gesteigert hat. Anerkennung der Kollegen im Job, eine eigene kleine Wohnung (sogar mit Badewanne!) und eine Geburtsurkunde auf ihren richtigen Namen – so einfach kann es sein.

Es geschah nun das Erwartbare: Unmittelbar nach der Sendung brach ein Empörungssturm über die Mausredaktion und den WDR herein: „Die Zwangsmaus und die Öffentlich-Rechtlichen wollen, dass wir uns nicht mehr trauen, Dinge zu sagen, von denen wir wissen, dass sie wahr sind. Sie wollen uns einschüchtern und erziehen, bis wir aus Furcht Fakten verleugnen: Jungs sind Jungs, Mädchen sind Mädchen.“ so etwa Ex-BILD-Chefredakteur Julian Reichelt, sofort sekundiert von allen einschlägig Verdächtigen von Tichys Einblick über die „Junge Freiheit“ bis zu Beatrix von Storch. Alle heiligen Mächte der Heteronormativität haben sich vereinigt, um die ebenso falsche wie menschenverachtende Wahrheit zu verkünden: Es gibt nur zwei Geschlechter, die sind biologisch bei der Geburt festgelegt und alles, was daneben, darüber oder drumherum ist, ist des Teufels.

Ich frage mich allmählich, warum sich die politische und mediale Rechte in diesem Land ihrer eigenen Männlichkeit (und leider oft auch ihrer eigenen Weiblichkeit) so unsicher ist, dass sie alles, was nicht ins eigene starre Geschlechtsraster passt, zum Feindbild erklären müssen. OK, auf der rechten Seite des Spektrums ist es halt irgendwie immer schon hip gewesen, unterdrückte Minderheiten zum Hassobjekt und zu „Verderbern der Jugend“ zu erklären und sich in ihrer eigenen, eingebildeten Überlegenheit zu suhlen.

Aber Leute, wir leben im 21. Jahrhundert, nicht mehr im 19. !

Trans – nichts neues

Und Transgeschlechtlichkeit gab es, nach allen vorliegenden Erkenntnissen, zu allen Zeiten und in allen Gesellschaften. Es gibt eben Kinder und Jugendliche (oder auch Erwachsene), die sich im zugewiesenen Geschlecht nicht zuhause fühlen. Sie leiden unter dem Zwang, sich anpassen zu sollen an eine geschlechtliche Norm, die ihrem eigenen Selbstbild widerspricht. Wem soll es nützen, diese Realität zu verleugnen oder sie Kindern vorzuenthalten? Warum bitte sollte bei der Sachgeschichte über die obdachlose Person, die das Maus-Team schon länger begleitete, vor dem Happyend ausgeblendet werden?

Welche Ängste verbergen sich hinter dem Bedürfnis, anderen vorzuschreiben, welchem Geschlecht sie sich zuordnen dürfen oder ob sie sich einer traditionellen Geschlechtszuordnung gar ganz entziehen wollen? Welche Ängste sollen geschürt werden, um die Gesellschaft weiter zu spalten?

Ich glaube, im Wesentlichen ist der Kampf gegen Menschenrechte für Trans* Teil des verzweifelten Abwehrkampfs, den das Patriarchat um den Erhalt seiner Privilegien führt. Es geht darum, nicht nur über den Körper von Frauen und ihre Arbeitskraft weiter verfügen zu können, sondern auch über die Definition dessen, wer eine Frau ist und wer ein Mann. Mann erträgt den Gedanken nicht, dass Mannsein abgelegt werden kann wie ein fadenscheinig gewordenes Kleidungsstück. Er wird verunsichert, wenn er damit konfrontiert wird, dass das, was seine Privilegien sichert, flüchtig und veränderbar ist. Auch deswegen tun Feminist*innen gut daran, den Kampf von Trans*personen um Respekt und Selbstbestimmung zu unterstützen.

Der Trans Day of Visibility (Tag der Transsichtbarkeit) ist eine gute Gelegenheit, diese Solidarität zu zeigen. Danke Maus!

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