US-Kriegsschiffe blockieren Venezuelas Küsten, Bombardierungen erschüttern die Karibik – und die Eskalationsspirale wird immer gefährlicher: Der US-Imperialismus setzt auf eine direkte militärische Konfrontation mit Venezuela, um die Kontrolle über die größten Erdölreserven der Welt zu erlangen. Hinter den jüngsten Aggressionen stehen alte Machtinteressen, die weit über Venezuela hinausreichen.
Mitte August begannen die USA mit der Verlegung von Kriegsschiffen und Truppen in die Karibik. Seitdem spitzt sich die Situation mit nahezu wöchentlichen neuen Eskalationen gegen Venezuela zu. Als anfängliches Argument für die US-Aggressionen diente die angebliche Bekämpfung des Drogenhandels, die mit Bombardierungen von Booten in der Karibik und im Ostpazifik einherging. Insgesamt starben bei diesen Angriffen mehr als 90 Personen, wobei die US-Regierung keinerlei Beweise dafür vorlegte, dass die Boote tatsächlich Drogen transportiert haben sollen.
Im Verlauf der Angriffe meldeten Familien aus Venezuela, Ecuador, Kolumbien sowie aus Trinidad und Tobago, dass sie Angehörige vermissen, die zum Fischen ausgelaufen und nicht zurückgekehrt sind. Selbst wenn diese Personen tatsächlich Drogen transportiert haben sollten, hätten sie das Recht auf einen fairen Prozess vor einem Gericht.
Stattdessen tötet der US-Imperialismus diese Menschen schlichtweg. Sowohl der Menschenrechtskommissar der Vereinten Nationen als auch zahlreiche Staaten, darunter Kuba, Kolumbien, Brasilien, China, Mexiko sowie sogar Frankreich und Großbritannien, sehen in den Angriffen einen Bruch des Völkerrechts und sprechen von „außergerichtlichen Hinrichtungen“. Selbst die Bundesregierung mahnt zur Einhaltung des Völkerrechts in der Karibik, während sie beim Genozid in Gaza wegschaut, und betont, kein Interesse an einer weiteren Eskalation in der Region zu haben. Dies erklärte der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Giese, auf einer Regierungspressekonferenz.1 Venezuela hat zudem Beschwerde bei den Vereinten Nationen eingelegt und eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates beantragt.
Das US-Militär verschärft die Eskalationsspirale dennoch weiter, indem es den modernsten Flugzeugträger der Welt sowie zusätzliche Truppen vor die venezolanische Küste verlegt. Dabei kann es auch auf Verbündete in der Karibik zählen. So erlauben die Regierungen der Dominikanischen Republik und von Trinidad und Tobago – das nur rund 20 Kilometer von der venezolanischen Küste entfernt liegt – dem US-Militär die Nutzung ihrer Flughäfen für die militärische Operation „Southern Spear“ („Südlicher Speer“), wie das Bedrohungsszenario offiziell bezeichnet wird.2
Die Erfindung des „Sonnenkartells“ als Vorwand für eine Militärintervention
Dass sich die Aggressionen vor allem gegen die venezolanische Regierung und ihren Präsidenten Nicolás Maduro richten, wurde spätestens deutlich, als die US-Regierung das sogenannte „Sonnenkartell“ auf ihre Terrorliste setzte. Dabei handelt es sich keineswegs um ein mächtiges venezolanisches Drogenkartell, sondern um eine bloße Erfindung, wonach Präsident Maduro und Teile der venezolanischen Regierung ein Drogenkartell aufgebaut hätten, das in großem Stil Drogen in die USA schmuggeln würde.3
Nicht nur hat die US-Regierung keinerlei Beweise für die Existenz des Sonnenkartells vorgelegt, auch die Drug Enforcement Administration (DEA), die von der US-Regierung mit der Bekämpfung des Drogenhandels beauftragte Behörde, führt das Sonnenkartell in keinem ihrer Berichte offiziell auf. Tatsächlich spielt Venezuela im internationalen Drogenhandel im Vergleich zu Kolumbien, Mexiko und Ecuador, die die Hauptschwerpunkte darstellen, lediglich eine untergeordnete Rolle.
Das Narrativ der angeblichen Bekämpfung des Drogenhandels wurde zudem durch die Begnadigung des ehemaligen honduranischen Präsidenten Juan Orlando Hernández durch US-Präsident Trump ad absurdum geführt. Hernández war in den USA wegen Drogenhandels und Waffendelikten zu 45 Jahren Haft verurteilt worden.
Beim US-Militäreinsatz gegen Venezuela geht es folglich nicht um die Bekämpfung von Drogen, sondern um den Sturz der venezolanischen Regierung um Nicolás Maduro sowie um die Kontrolle des venezolanischen Erdöls, der größten Erdölreserven der Welt. Trump autorisierte nicht nur den Auslandsgeheimdienst CIA für verdeckte Operationen auf venezolanischem Staatsgebiet, sondern fordert auch die Rückgabe venezolanischen Erdöls an die USA. Dabei bezieht er sich mutmaßlich auf ein Dekret des damaligen venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez aus dem Jahr 2007, wonach ausländische Konzerne ihre Mehrheitsanteile an Ölfeldern an Joint Ventures mit einer Kapitalmehrheit der staatlichen Erdölgesellschaft PDVSA abtreten mussten. In der Folge wurden die US-Konzerne ExxonMobil, Chevron und ConocoPhillips sowie die französische Total, British Petroleum und das norwegische Unternehmen Statoil gezwungen, ihre Anteile abzugeben.4
Die Einnahmen aus dem Erdölgeschäft fließen seitdem nicht mehr in die Taschen ausländischer Erdölkonzerne, sondern in die venezolanischen Staatskassen. Dadurch wurden unter anderem das Gesundheits- und Bildungssystem, der Wohnungsbau sowie weitere soziale Reformen finanziert. Venezuela wurde 2005 als zweites Land des Kontinents – neben Kuba – von der UNO als frei von Analphabetismus anerkannt. Bereits 2006 hatten rund 93 Prozent der Bevölkerung Zugang zu fließendem Wasser, finanziert unter anderem durch die Einnahmen aus dem Erdölhandel. Zudem besteht eine kostenlose medizinische und ärztliche Versorgung für breite Teile der Bevölkerung.5
Die totale Blockade soll Venezuela in die Knie zwingen
Inzwischen ist das US-Militär dazu übergegangen, mit venezolanischem Erdöl beladene Tanker in internationalen Gewässern zu stürmen und diese in US-Häfen zu überführen. Dieses Vorgehen wird von der venezolanischen Regierung zu Recht als Akt moderner Piraterie und als Raub bezeichnet. Gleichzeitig rief Trump eine maritime Blockade Venezuelas aus, durch die der Erdölhandel zum Erliegen gebracht werden soll – was faktisch auch eingetreten ist. Damit soll die bereits durch einseitige Zwangsmaßnahmen der USA und der EU angeschlagene venezolanische Wirtschaft weiter unter Druck gesetzt werden. Die Folgen spürt vor allem die Bevölkerung des Landes.
Eine kürzlich veröffentlichte Studie des Gesundheitsjournals The Lancet kommt zu dem Ergebnis, dass unter den einseitigen Zwangsmaßnahmen – häufig auch als Sanktionen bezeichnet – insbesondere die ärmeren Teile der Zivilbevölkerung leiden.6 Demnach sind seit 1970 weltweit mehr als 38 Millionen Menschen infolge solcher Maßnahmen ums Leben gekommen. Es ist daher wenig überraschend, dass Solidaritätsbekundungen mit Venezuela und seiner Regierung vor allem aus Ländern kommen, die selbst unter US-Sanktionen leiden, darunter Kuba, Iran, Russland und China.
Durch die Blockade soll zudem ein Casus Belli, also ein Kriegsfall, provoziert werden. Die venezolanische Marine hat bereits angekündigt, Öltanker in internationalen Gewässern zu begleiten und zu schützen. Tatsächlich ist die Gefahr einer direkten militärischen Konfrontation größer als jemals zuvor. Trump erklärte, einen direkten Krieg nicht auszuschließen und die US-Regierung hat sich durch die Einstufung der venezolanischen Regierung als Terrororganisation rechtlich die Möglichkeit geschaffen, einen Angriff auf Venezuela durchzuführen, ohne zuvor die Zustimmung des Kongresses einholen zu müssen.
Eine lange Liste US-gestützter Umsturzversuche in Venezuela
Seit dem demokratischen Wahlsieg von Comandante Hugo Chávez im Jahr 1998 und seinem Versuch, durch eine Orientierung am Sozialismus sowie durch Reformen den Reichtum des Landes von oben nach unten umzuverteilen, ist die Bolivarische Republik Venezuela – wie sie seit Chávez heißt – den USA ein Dorn im Auge.
Im Jahr 2002 putschten Teile des venezolanischen Militärs im Anschluss an gewaltsame Antiregierungsproteste, bei denen insgesamt 19 Menschen starben, viele von ihnen durch Schüsse von Scharfschützen der rechten Opposition. Soldaten besetzten den staatlichen Rundfunksender sowie den Präsidentenpalast und verschleppten Chávez an einen unbekannten Ort, während die privaten Medien ihr reguläres Programm fortsetzten. Als die Bevölkerung von dem Putsch erfuhr, belagerte sie den Präsidentenpalast und zwang die Putschisten zur Freilassung ihres gewählten Präsidenten sowie zur Beendigung des Staatsstreichs. Ein irisches Fernsehteam dokumentierte die Tage rund um den Putschversuch in der sehenswerten Dokumentation The Revolution Will Not Be Televised.7 Im Nachhinein wurde bekannt, dass Teile der US-Regierung eng in den Putsch verwickelt waren, auch wenn dies bis heute offiziell bestritten wird.8
Die US-treuen Oligarchen des Landes unternahmen 2014 einen weiteren Versuch, ihr Ziel zu erreichen. Bei den sogenannten „Guarimba-Protesten“ wurde versucht, eine umfassende Blockade des Landes herbeizuführen. Mächtige Handelsunternehmen hielten gezielt Lebensmittel zurück, um durch einen künstlich erzeugten Mangel die Bevölkerung gegen die Regierung aufzubringen. Parallel dazu errichteten bewaffnete Gruppen Straßenblockaden, griffen Staatsbedienstete an und riefen offen dazu auf, Anhänger der Regierung zu töten. Zudem wurden Schulen und Krankenhäuser angegriffen und geplündert, um ein landesweites Chaos zu erzeugen.9 Ein Jahr später verhängte der damalige US-Präsident und Friedensnobelpreisträger Barack Obama erstmals Sanktionen gegen die venezolanische Regierung, die unter allen folgenden US-Regierungen weiter verschärft wurden. Die Europäische Union schloss sich diesen Sanktionen im Jahr 2017 an.
Einen weiteren Wendepunkt markierte die Präsidentschaftswahl von 2019, bei der sich der oppositionelle Kandidat Juan Guaidó trotz Wahlniederlage selbst zum Präsidenten erklärte und umgehend von den USA und der EU als rechtmäßiges Staatsoberhaupt Venezuelas anerkannt wurde. In diesem Zusammenhang beschlagnahmten US-Behörden auch das venezolanische Unternehmen CITGO, das mehrere Raffinerien sowie ein Netzwerk von Tankstellen in den USA besitzt. Die Tochtergesellschaft des staatlichen Ölkonzerns PDVSA, deren Wert auf rund sieben Milliarden US-Dollar geschätzt wird, wurde anschließend an die „legitime Regierung“ von Juan Guaidó übergeben. Dies verschärfte die Wirtschaftskrise in Venezuela weiter, in deren Folge mehrere Millionen Menschen das Land verließen.
Der Krieg als letztes Mittel? Venezuela bleibt weiterhin standhaft
Trotz anhaltender Destabilisierungsversuche und umfassender Sanktionen konnte Venezuela dem Druck standhalten und sich in den vergangenen Jahren wirtschaftlich zumindest teilweise erholen. Ein Indiz für die Fortführung des souveränen und unabhängigen Kurses der „bolivarischen Revolution“ ist die Tatsache, dass inzwischen 92 Prozent der Lebensmittel aus heimischer Produktion stammen.10 Venezuela ist neben Kuba und Nicaragua eines der wenigen lateinamerikanischen Länder, die den kontinuierlichen US-Aggressionen widerstehen und dies bis heute erfolgreich tun. Genau darin liegt letztlich der Grund, weshalb die USA nun offenbar zum letzten Mittel zur Durchsetzung ihrer Interessen greifen: der direkten militärischen Konfrontation. Ob diese erfolgreich sein wird, ist jedoch fraglich.
Die venezolanische Regierung und Teile der Bevölkerung bereiten sich seit Wochen auf unterschiedliche Szenarien vor. So folgten der Kampagne Yo me alisto („Ich schreibe mich ein“) Tausende, überwiegend junge Menschen, und meldeten sich beim Militär sowie bei der bolivarischen Volksmiliz, um ihre Heimat im Ernstfall auch bewaffnet zu verteidigen. Letztere ist eine noch unter Hugo Chávez gegründete Volksarmee, mit inzwischen rund vier Millionen Mitgliedern, die militärisch ausgebildet sowie regional und weitgehend selbstorganisiert ist. Hinzu kommen Massenaktionen von Basisorganisationen im ganzen Land. Venezolanische Fischer patrouillieren demonstrativ entlang der Küsten, um dem US-Imperialismus zu verdeutlichen: Dies ist unser Land, und wir haben keine Angst. Im Falle einer Bodeninvasion dürfte dem US-Militär vermutlich ein ähnliches Schicksal drohen wie einst in Vietnam.
Obwohl selbst Teile der venezolanischen Opposition die US-Aggressionen verurteilen, sind die inneren Widersprüche im Land nicht zu leugnen. So sei daran erinnert, dass Präsident Maduro im vergangenen Jahr lediglich mit einer knappen Mehrheit von 51,2 Prozent wiedergewählt wurde, während der Oppositionskandidat Edmundo González mit 44,2 Prozent nur knapp dahinter lag. Und auch wenn die amtierende Friedensnobelpreisträgerin María Corina Machado nicht zuletzt wegen ihrer Forderung nach einer ausländischen Militärintervention in Venezuela an Rückhalt verloren hat, ist die Frage der nationalen Einheit aktueller denn je. Diese stellt sich nicht nur in Venezuela, sondern ebenso in Kuba, einem wichtigen Handelspartner und politischen Verbündeten, der wirtschaftlich durch die seit mehr als 65 Jahren andauernde US-Blockade schwer getroffen ist. Zudem erhält das sozialistische Land aufgrund der militärischen Seeblockade durch die USA derzeit kein venezolanisches Erdöl mehr.
Die lateinamerikanische Linke befindet sich aktuell in einer Phase der Schwäche. In vielen Ländern, die früher von politischen Verbündeten Kubas und Venezuelas regiert wurden, sind heute US-freundliche Regime an der Macht, etwa in Bolivien, Ecuador, Argentinien, Peru oder Chile. Trump betrachtet dies offenbar als günstige politische Konstellation, um die Ära der „bolivarischen Revolution“ in Venezuela und in der Folge auch den Sozialismus in Kuba ein für alle Mal zu beenden. Ob ihm dies gelingen wird, bleibt offen. Angesichts der akuten Kriegsgefahr gegen Venezuela und Kuba ist eine internationale Protest- und Solidaritätsbewegung dringend notwendig. Während in Deutschland bereits einzelne kleinere Aktionen auf die Straße getragen wurden, begnügt sich die deutsche Linke bislang weitgehend mit solidarischen Lippenbekenntnissen gegenüber dem venezolanischen Volk. Dabei böten sich gerade hierzulande politische Aktionen gegen die zahlreichen US-Militärstützpunkte in Deutschland an.
Ein Beitrag von Yannik Mallmann
- https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/regierungspressekonferenz-vom-12-dezember-2025-2399440 (zuletzt aufgerufen am 23.11.2025) ↩︎
- https://www.washingtonpost.com/world/2025/11/29/us-venezuela-dominican-trinidad-grenada/ (zuletzt aufgerufen am 23.11.2025) ↩︎
- https://venezuelanalysis.com/analysis/us-military-siege-and-narco-state-allegations-against-venezuela-all-you-need-to-know/ (zuletzt aufgerufen am 23.11.2025) ↩︎
- https://venezuelanalysis.com/news/2245/ (zuletzt aufgerufen am 23.11.2025) ↩︎
- Ernst F. Fürntratt-Kloep:Venezuela. Der Weg zu einer Revolution. PapyRossa Verlag, Köln 2006. ↩︎
- Rodríguez, Francisco et al.: Effects of international sanctions on age-specific mortality: a cross-national panel data analysis. The Lancet Global Health, Volume 13, Issue 8, e1358 – e1366. https://doi.org/10.1016/S2214-109X(25)00189-5 ↩︎
- https://youtu.be/wF_5xZIstPw?si=CsYYkKCf2d6Gqafe (zuletzt aufgerufen am 23.12.2025) ↩︎
- https://www.theguardian.com/world/2002/apr/21/usa.venezuela (zuletzt aufgerufen am 23.12.2025) ↩︎
- https://amerika21.de/analyse/269720/venezuela-faschismus-und-andere-uebel (zuletzt aufgerufen am 23.12.2025) ↩︎
- https://www.cuspal.gob.ve/ministro-castro-soteldo-afirmo-que-no-hay-desabastecimiento-de-alimentos-en-el-pais/ (zuletzt aufgerufen am 23.12.2025) ↩︎



