Die Piraten wollten keine linke Politik – Im Gespräch mit Daniel Schwerd

Daniel Schwerd - Foto: DIE LINKE NRW Lizenz: cc-by-sa-2.0

Die Linke hat bei den Landtagswahlen 2012 den Einzug in den Landtag NRWs verpasst. Seit einigen Wochen gibt es allerdings wieder einen Linken im nordrhein-westfälischen Landtag, den ehemaligen Piratenabgeordneten, Daniel Schwerd. Wir haben mit ihm über seinen Wechsel zur Linken, seine Ziele und eine progressive Netzpolitik gesprochen.

Die Freiheitsliebe: Du bist vor wenigen Wochen in die Linke eingetreten und seitdem ihr einziger Vertreter im Landtag von NRW, was hat dich dazu bewogen?

Daniel Schwerd: Ich habe ein Umfeld gesucht, in dem die soziale und solidarische Grundhaltung nicht zur Diskussion steht, das klar antirassistisch und antifaschistisch ist, in der Teilhabe nicht nur auf dem Papier steht, sondern tatsächlich gelebt wird. Das war bei den Piraten nämlich nicht der Fall: Für antifaschistisches Engagement musste man sich anfeinden lassen, Feminismus war verpönt. Da macht es dann wenig Sinn, wenn man sich einerseits Inklusion ins Programm schreibt, und sich dann andererseits exkludierend verhält.

Die Freiheitsliebe: War linke solidarische Politik nicht mehr möglich oder war sie es noch nie?

Daniel Schwerd: Programmatisch war die Piratenpartei tatsächlich links: Die Vorstellungen vom freien demokratischen Internet, von Daten, Anwendungen und Netzen in Nutzerhand; Bildung, Wissen und Kultur ohne Schranken: Das sind linke Positionen. Doch die Einbindung in eine linke Gesellschaftspolitik gab es eben nicht. „Links“ war als Begriff verpönt, man legte sehr viel wert darauf, „nicht links, nicht rechts“ zu sein – und war damit im Grunde unpolitisch. Den Begriff „sozialliberal“, den sich die Piraten schließlich selbst verliehen haben, haben Sie meines Erachtens eigentlich gar nicht verstanden, jedenfalls nicht mit Leben gefüllt. Nur für freie Downloads zu sein ist zu wenig. Die Menschen, die eine linke Politik machen wollten, haben nach und nach die Piratenpartei verlassen.

Die Freiheitsliebe: Welche Ziele verbindest du nun mit deinem Eintritt in die Linke?

Daniel Schwerd: Ich denke, dass sich das gut ergänzt: Die Vorstellung von eine freien Netz der Nutzer, und den sozialen Positionen der LINKEN. Die Digitalisierung stellt uns vor ganz neue soziale Fragen – ich glaube, ich kann hier Fachwissen einbringen, und in dem vorhandenen, solidarischen Grundkonsens zielgerichteter arbeiten.

Die Freiheitsliebe: Du behandelst vor allem netz- und medienpolitische Themen, stimmst du da mit den Positionen der Linken überein oder ist es eine veraltete Partei, wie ihr manchmal vorgeworfen wird?

Daniel Schwerd: Hier hat quasi jede Partei noch Nachholbedarf. Man kann auch nicht ausschließlich Rückzugsgefechte führen, denn dann kann man immer nur reagieren und nicht agieren. Im Moment werden an vielen Stellen im Netz Fakten geschaffen, weil die Politik um die Brisanz der Entscheidungen nicht weiß. Das Bewusstsein, dass hier Weichen für die Zukunft gestellt werden, die im Nachhinein schwer zu ändern sein werden, muss wachsen. Ich stelle mir vor, dass die Linke hier ein Feld besetzten kann, welches vakant ist, welches auch die Piraten unbearbeitet gelassen haben.

Die Freiheitsliebe: Wie könnte eine Netzpolitik der Zukunft aussehen?

Daniel Schwerd: Den neuen sozialen Fragen muss man sich stellen: Was bedeutet es für unsere Gesellschaft, wenn Lohnarbeit in seiner Bedeutung durch Algorithmen, Roboter, künstliche Intelligenz und Digitalisierung weiter zurückgeht? Wie soll unsere Gesellschaft dann funktionieren? Das wird in immer größerem Maße auch „Geistesarbeiter“ treffen. Hier müsste meiner Meinung nach eine moderne Linke Antworten geben können.

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2 Antworten

  1. Was hat ihm denn an der Unvereinbarkeitserklärung der Piraten 2012 gestört?

    Im übrigen musste man sich nicht für antifaschistisches Engagement anfeinden lassen. Wenn sich Leute unter dem Deckmantel antifaschistischen Engagements aber sich hinstellen und sagen: „Bombt Dresden noch einmal nieder!“ (Originalwortlaut: „Bomber Harris do it again“), so müssen diese sich nicht wundern, wenn Piraten darauf hinweisen, dass Militarismus alles andere als eine piratische Forderung ist.

  2. Ich weiß nicht, in welchem Universum Herr Schwerd lebt, die Piraten Berlin sind beispielsweise ganz klar gegen rechts, wir unterstützen Aktionen gegen Rechts wie am kommenden Samstag 07.05.16 die Demo in Berlin #BerlinNazifrei, und seit 2012 steht das auch ganz vorn und unmißverständlich in unserer Satzung.

    Die Absetzbewegung Richtung LINKE hat schlicht einen Grund: innerer Streit bei den Piraten um Petitessen, man bekämpfte sich gegenseitig. Herr Schwerd war da durchaus nicht unbeteiligt, um es mal höflich auszudrücken. Da durch dieses Gezänk bedingt sich die Umfrageergebnisse in NRW Richtung 1% bewegen, sucht Herr Schwerd eine neue politische Heimat, und das sei ihm auch gegönnt. Nun aber ständig gegen die Piratenpartei nachzutreten, nun sogar in Buchform, ist kein guter Stil. Vielleicht widmen wir uns gemeinsam besser mal das Phänomen „AfD“. Demokratische Parteien, auch die kleineren, müssen zusammenstehen gegen Feinde der Demokratie, und sich nicht gegenseitig schwächen.

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