Die KPÖ unterstützt Menschen in Notlagen konkret und unbürokratisch – Im Gespräch mit Max Zirngast

Max Zirngast

Bei den vergangenen Kommunalwahlen in Graz wurde die Kommunistische Partei Österreichs stärkste Kraft, dies wurde ermöglicht durch einen jahrzehntelangen Aufbauprozess. Wir haben mit Max Zirngast, Bezirkssekretär der KPÖ Graz, freier Journalist und Gemeinderat der KPÖ in Graz, über die Ursachen des Wahlerfolgs und die Politik in Graz gesprochen.

Die Freiheitsliebe: Bei der vergangenen Wahl in Graz konnte die Kommunistische Partei einen sensationellen Erfolg erzielen, dabei ist die politische Linke in Österreich eher schwach. Was ist der Unterschied zwischen Graz und dem Rest Österreich?

Max Zirngast: Kurz gesagt ist der Unterschied, dass in Graz vor 30 Jahren eine Weichenstellung gelegt wurde – nämlich sich an den konkreten Alltagsproblemen der Menschen zu orientieren und eine nützliche Partei für die Menschen zu sein.

In der schwierigen Phase der kommunistischen Bewegung nach dem Fall der Sowjetunion entwickelten sich Graz und die Steiermark sowie die KPÖ im Rest Österreichs immer weiter auseinander. Erst in jüngster Zeit ist wieder Bewegung in die Partei gekommen, es gibt einen neuen Bundesvorstand und ein Sprecher*innenkollektiv bestehend aus sechs Personen. Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen der Bundespartei und der Steiermark funktionieren nun viel besser. Die ersten Schritte für eine positive Entwicklung wurden getan.

Die Freiheitsliebe: Betont wird immer wieder die langfristige Verankerung der KPÖ. Wie sieht diese konkret aus und wo liegt ihr Ursprung?

Max Zirngast: Bereits in den 1980ern orientierte sich die KPÖ in Graz an der Wohnungsfrage. Unter der Führung des damals einzigen Gemeinderats, Ernest Kaltenegger, hat die Partei die groben Missstände in dem Bereich, besonders im kommunalen Wohnbau, gesehen und sich sukzessive daran gemacht, Lösungen zu finden und das Thema im Gemeinderat auf die Tagesordnung zu bringen. So wurde unter anderem der Mieternotruf ins Leben gerufen – kostenlose Rechtsberatung und Unterstützung von Mieter*innen. 1998 wurde Ernest Kaltenegger Stadtrat und für das Wohnungsamt zuständig. Zum einen wurden von diesem Zeitpunkt an auch konkret in der Stadtregierung Maßnahmen zur Verbesserung der Wohnungssituation und zum Bau von Gemeindewohnungen gesetzt. Zum anderen verzichtete auch schon Ernest Kaltenegger auf den Großteil seines Gehaltes und der Rest kam in einen Sozialfonds, von dem aus Menschen in Notlagen unterstützt wurden.

Ganz entscheidend in diesem Zusammenhang ist die Praxis der Sozialsprechstunden, wo einfach der regelmäßige und stete Kontakt mit der Bevölkerung gesucht wird und möglichst Lösungen für die kleinen und großen Probleme des Alltags gefunden wurden. Politisch setzte die KPÖ in Graz immer auch auf Unterschriftenaktionen, im Zuge derer die Bevölkerung mobilisiert und Druck auf die etablierte Politik ausgeübt werden konnte. So wurde zum Beispiel die Privatisierungen der Gemeindewohnungen 2004 verhindert, weil über 10.000 Unterschriften gesammelt wurden. Daraufhin musste eine Volksbefragung durchgeführt werden und ca 95 Prozent derjenigen, die sich beteiligten, stimmten gegen die Privatisierung. Auf dieselbe Weise wurde so unter anderem der Bau einer Gondel auf den Plabutsch, ein beliebtes Ausflugsziel am Stadtrand, und die Bewerbung für die olympischen Winterspiele verhindert.

Die Freiheitsliebe: Mandatsträgerinnen und Mandatsträger der KPÖ führen einen Teil ihrer Gehälter ab, um damit Menschen in Not zu unterstützen. Wie sieht das konkret aus?

Max Zirngast: Die Funktionsträger*innen der KPÖ Steiermark halten sich an die Gehaltsobergrenze von knapp 2.000 Euro netto im Monat. Mitglieder des Stadtsenats in Graz erhalten netto um die 6.100 Euro im Monat. Das heißt, es werden pro Monat über 4.000 Euro an einen Sozialfonds abgetreten, aus dem Menschen in Notlagen konkret und unbürokratisch unterstützt werden. Die Leute kommen dafür in die Sozialsprechstunden und Elke Kahr und Robert Krotzer schauen sich die konkrete Situation an. Wenn es nicht anders geht, dann wird finanziell ausgeholfen. Der Sinn dahinter ist aber nicht, dass dieselben Leute immer wieder als Bittsteller kommen, sondern sie sich so aus einer Notlage lösen und wieder auf eigenen Beinen stehen können. Sehr oft sind es Menschen, die aus unterschiedlichen, teils schwer nachvollziehbaren Gründen durch die Raster des Sozialsystems fallen.

Die Freiheitsliebe: In vielen Debatten im deutschsprachigen Raum heißt es nun, Linke sollten nun auf Graz schauen und davon lernen. Lässt sich der Erfolg so einfach übertragen und welche Rolle spielen eure politischen Forderungen und Positionen, neben der Rolle als Kümmererpartei?

Max Zirngast: Einfach übertragen lässt sich das sicher nicht. Das ist auch nicht der Sinn der Sache, im Gegenteil. Die Grazer Methode beruht ja gerade darauf, dass die konkreten Bedingungen und die konkreten drängenden Probleme und Anliegen der Bevölkerung die Grundlage der Politik sein sollten.

Die politische Arbeit nimmt für die KPÖ Graz eine sehr zentrale Rolle ein. Wir sind eine Partei, kein Wohltätigkeitsverein. Auch wenn wir Menschen helfen, so geht es uns immer darum, die politische Dimension und die gesellschaftlichen Zusammenhänge zu erkennen und zu thematisieren. Gerade weil wir unser Ohr sehr nah am Puls der Bevölkerung haben, verstehen wir sehr schnell, wo es hakt. Und die Grundlage unserer politischen Arbeit ist natürlich der enge Kontakt mit der Bevölkerung. Nur so ist eine populäre Politik möglich. Unsere Arbeit im Gemeinderat oder auch im Landtag in den letzten Jahrzehnten spricht da für sich.

Die Freiheitsliebe: Was wollt ihr als stärkste Partei in Graz in den kommenden Jahren verändern und ist eine Überwindung von Armut auf kommunaler Ebene möglich?

Max Zirngast: Zunächst einmal muss man festhalten, dass die Erwartungen von Teilen der Bevölkerung sehr groß sind und dass wir diese Erwartungen bestenfalls zum Teil erfüllen können. Wir sind zwar die stärkste Partei, aber wir können auch nicht allein entscheiden. Darüber hinaus ist das Korsett an Vorgaben, etwa was Budgetfragen betrifft, und die rechtlichen Möglichkeiten auf kommunaler Ebene eine Art Grenze dessen, was sich machen lässt.

Dıe Koalition wird wohl an den drei Schlagwörtern Demokratie/Transparenz, Soziales und Ökologie orientiert sein. Und das war ja auch seit langem die Praxis der KPÖ. Wir werden natürlich versuchen, so schnell wie möglich im Sozialbereich Verbesserungen zu schaffen, eine Kultur der Demokratie, der Zusammenarbeit und der Transparenz schaffen und vor allem auch mehr Grünraum, weniger Betonpolitik im Interesse der Immobilienkonzerne und eine Stärkung der sanften Mobilität anstreben.

Die Freiheitsliebe: Ist es möglich, mit SPÖ und Grünen Schritte in diese Richtung zu gehen, oder werden diese sich eher mit den rechten Parteien einigen?

Max Zirngast: Es ist mittlerweile ziemlich klar, fast sicher, dass eine Koalition mit den Grünen und der SPÖ zustande kommt. Es geht jetzt eher nur noch um Details. Es ist klar, dass es Unterschiede zwischen den Parteien gibt, aber es ist auch klar, dass es Schnittmengen gibt, auf Basis derer eine gute Arbeit in der nächsten Periode möglich ist.

Wir dürfen auch nicht übersehen, dass die schwarz-blaue Koalition [Koalition aus konservativer ÖVP, blau beziehungsweise jüngst türkis, und rechtsaußen FPÖ, blau, Anm. Freiheitsliebe] insgesamt stark verloren hat. Auch die FPÖ ist abgestürzt und das hat mittlerweile auch zu innerparteilichen Verwerfungen geführt und die Parteispitze in Graz musste wegen dubioser Verwendung der Klubförderung zurücktreten. Das heißt, die Bevölkerung wünscht sich eine Veränderung, wünscht sich eine andere als die rechtskonservative Politik von schwarz-blau. Es ist auch unsere Verantwortung, dem gerecht zu werden.

Die Freiheitsliebe: Viele eurer Positionen klingen eher nach konkreten Veränderungen als nach einer Überwindung des kapitalistischen Systems. Täuscht dieser Eindruck und wenn dem so ist, welche Bedeutung hat dieses Ziel?

Max Zirngast: Unsere wesentliche Betätigungsebene als KPÖ Graz ist die kommunale Ebene. Den Kapitalismus nur in einer Stadt zu überwinden, ist wohl eher schwierig. Das heißt aber nicht, dass wir nicht Kommunistinnen und Kommunisten sind und perspektivisch sehr wohl eine Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise anstreben.

Auf der Ebene der Kommunalpolitik kann das Ziel nur sein, die Privatinteressen des Kapitals zurückzudrängen, die Stadt wieder stärker unter demokratische Kontrolle zu bekommen, den öffentlichen Raum zu vermehren und die gröbsten Verwerfungen abzufedern. Wenn wir das verbinden können mit dem Aufbau einer transparenten, demokratischen Stadtverwaltung, die mit Postengeschacher, intransparenten Vergaben von öffentlichen Aufträgen und dergleichen aufräumt und eine neue Kultur der Politik und des Zusammenlebens aller Menschen in der Stadt fördert, dann wäre das schon ein Erfolg. Das heißt aber nicht, dass es nicht noch viel mehr zu tun gibt.

Die Freiheitsliebe: Danke dir für das Gespräch.

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