Rechtsextreme in andalusischer Regierung

Vertreter von PP (Links) und Vertreter von VOX (Rechts) unterschreiben gemeinsame Koalitionsziele - Quelle: Screenshot

Vor wenigen Wochen wurde in der ehemaligen sozialdemokratischen Hochburg Andalusien gewählt. Sozialdemokraten wie auch Konservative verloren die Wahl, Sieger sind Neoliberale und Rechtsradikale, die nun gemeinsam mit den Konservativen eine Regierung bilden werden.

Das bevölkerungsreichste Bundesland an den Toren Europas hat am 2. Dezember gewählt. Bei einer Wahlbeteiligung von grade einmal 58% löste  die Wahl ein politisches Erdbeben aus: Die rechtsextreme VOX zog aus dem Stand mit fast 11% zum ersten Mal in ein Landesparlament ein und wird demnächst Teil der Landesregierung mit der nationalkonservativen Schwesterpartei der CDU Partido Popular (PP) und den neoliberalen Ciudadanos (Cs‘). Fraglich ist dabei nur ob sie die Regierung tolerieren oder ihr offiziell beitreten werden. Seit den ersten demokratischen Wahlen in Andalusien 1982, nach dem Sturz der faschistischen Diktatur unter Franco, galt jene Autonomieregion als Stammland der Sozialdemokratie (PSOE), die 36 Jahre lang den Ministerpräsidenten stellten, zuletzt die Ministerpräsidentin Susana Díaz. Allerdings verlor die PSOE bei den letzten Wahlen von 35% auf 28%, sie blieb zwar stärkste Kraft, doch hinterließ eine rechte Mehrheit im Parlament mit einer stärker nationalistisch ausgerichteten PP, welche bereit ist mit allen Mitteln zu regieren, um die Sozialdemokraten zu stürzen. Dafür ist sie sogar bereit mit der rechtsradikalen Vox zu koalieren, deren Aufstieg wir hier nachvollziehen wollen.

Ursachen für den Aufstieg der Rechtsextremen

Leider sind auch hier ähnliche Phänomene wie in Deutschland und Europa für den Aufstieg der Rechten ersichtlich. Die Krise der Volksparteien manifestiert sich in leeren Versprechen der Sozialdemokraten einer humaneren und sozialeren Politik in einer Welt des immer härter werdenden Wettbewerb und dem Abwandern stärker rassistisch eingestellten Wählerinnen und Wähler der PP (diese verlor 6% im Vergleich zur letzten Wahl) nach rechtsaußen. Auch im Hinblick der geographischen Nähe zu Marokko und der Festung Europa, schüren PP und VOX Angst gegenüber Muslime und Geflüchtete, die zur Stärkung reaktionärer Kräfte, statt zur Schwächung jener, führte. Besonders dramatisch und zynisch lässt sich dies im Stimmbezirk der Stadt El Ejido (Almería) mit ihren zahlreichen riesigen Gewächshäusern zeigen, die vor allem von Flüchtlingen und Menschen aus Afrika unter extremen Niedriglöhnen betrieben und ausgebeutet werden, wo VOX sogar die meisten Stimmen erhielt. Hier verlor die konservative PP sogar über 20% der Stimmen. Wie wir auch hier sehen: Die Rhetorik der Rechten zu adaptieren, stärkt sie nur viel mehr, als sie einzudämmen. Als letzter und spezifisch spanischer Grund für das Erstarken der Faschisten liegt in der franquistischen Vergangenheit der Verehrung des Zentralstaats als Anker der Sicherheit gegen innere und äußere Bedrohung. Eine Position die an Popularität gewann mit der Zunahme der Proteste der Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien. Von dieser profitierte nicht nur VOX sondern auch die neoliberalnationalen Cs‘ als prominente Verfechter des starken Nationalstaats. Auch die noch nicht gut aufgearbeitete Vergangenheit und das legale Verehren Francos – früher hinter der Fassade der PP – stützt die ideologische Basis von VOX.

Antifaschistische Proteste in Andalusien

Und was ist mit der Linken und den antifaschistischen Aktivitäten?

Adelante Andalucia trat erstmals bei den Wahlen als ein gemeinsames Bündnis aus den Linksparteien PODEMOS und Izquierda Unida, sowie ökosozialistischen und andalusisch-separatistischen Kräften, an und erhielt 16% der Stimmen. Im Vergleich zu 2015, als die Parteien getrennt antraten, verlor das linke Lager um 5% und profitiert also nicht aus der Unzufriedenheit und dem einheitlichen Wahlbündnis. Sie positioniert sich klar antirassistisch und internationalistisch und wird besonders auf dem Land, aber auch in der Großstadt Cadíz gewählt. Noch am Wahlabend kündigte sie an keine Zusammenarbeit mit VOX im Parlament anzustreben und den anstehenden antifaschistischen Mobilisierungen der Straße beizustehen. Am nächsten Tag strömten innerhalb von nur wenigen Stunden Bekanntmachung von Demonstrationen gegen den Rechtsruck in allen Großstädten Andalusiens mehrere Tausend Menschen auf die Straßen. Am Aufmarsch in Granada nahm ich auch Teil und bemerkte eine ganz große Vielfalt an Demonstrierenden – von Ökologistinnen über Anarchistinnen, Kommunistinnen, Queerfeministinnen hin zu andalusischen Separatisten. Die größte Gruppe  waren junge Frauen, eben jene Frauen, die in den letzten Monaten mit dazu beitrugen den medialen Diskurs nicht ausschließlich auf die Migrationskrise, sondern auf Lohnungleichheit und Gewalt gegen Frauen zu lenken. Am Ende der Demonstration, an der immer mehr Menschen spontan dazustießen, waren 6000 Leute auf der Straße, in einer Stadt mit 200.000 Einwohnern. Die Stimmung trübten teilweise die Beleidigungen und Todeswünsche aus Häuserfenstern mit Spanienfahnen. Denn auch in Granada konnte Vox mit 12% Erfolge erzielen. Trotz alledem: Die komplette Stadt wurde an jedem Tag lahmgelegt und es folgte eine mehrtätige Blockade des Rathausplatzes, welche von der Polizei letztendlich geräumt wurde.

Und was passiert heute?

Mein Eindruck war, dass die Wahlergebnisse nicht die politische Einstellung der Menschen widerspiegelt haben, in der die geringe Wahlbeteiligung, die großen Unzufriedenheit und das Misstrauen mit der herrschenden Politik und der so großen spontanen antifaschistischen Mobilisierung in Betracht gezogen werden müssen. Trotzdem stellt die aktuelle Situation eine neu dar: Die rechten Kräfte aus PP, Cs‘ und VOX einigten sich in den letzten Tagen auf eine gemeinsame Legislatur und werden nun in nächster Zeit konkreter ihre Ziele veröffentlichen. Die Autorität einer Landesregierung im stark zentralistisch ausgerichteten Spanien darf nicht überschätzt werden, doch scheint sie ein dunkles und gefährliches Zeichen auszuüben, das die bevorstehende Zeit im ganzen Staat beeinflussen wird. Besonders beängstigend äußert sich die Bereitschaft zur Zusammenarbeit von PP und Cs‘ mit Rechtsextremen, wo doch die franquistische Diktatur noch nicht einmal 40 Jahre in der Vergangenheit liegt. Hier bestätigt sich auch die These, dass eine stärkere gesamtgesellschaftliche Aufarbeitung benötigt wird und eine klare konsequente isolierende Haltung gegenüber faschistischen Kräften gezeigt werden muss. Stattdessen isolierten heute rechte Kräfte in der konstituierenden Sitzung des andalusischen Parlaments das Linksbündnis Adelante Andalucia, in dem sie ihnen als einzige Partei kein Sitz im Präsidium gewährten und konsequent ihre Koalitionsparteien an die Posten verhalfen. Handlungen wie diese führen zur Normalisierung von menschenverachtenden Positionen in Institutionen und zeigen das antidemokratische Verständnis und Praxis von Reaktionären.

Es bleibt wie es ist: Gestern, heute und auch morgen – No pasarán!

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