Frankreich streikt wieder- Kommt ein „heißer Frühling“?

Streik in Frankreich - Bild Revolution Permanente

Am letzten Donnerstag, den 22. März kam es zu ersten Mal seit dem letzten Herbst in Frankreich wieder zu Streiks und Demonstrationen. Im Gegensatz zum Herbst des vergangenen Jahres gingen dieses Mal aber wieder über eine halben Million Menschen frankreichweit auf die Straße, während es im Oktober 2017 kaum 300.000 Menschen waren. Der Grund dürfte in erster Linie darin liegen, dass, im Gegensatz zum vergangenen Herbst, zahlreiche Gewerkschaften und Berufsverbände über politische Gräben hinweg dazu aufgerufen hatten, sich an diesem Aktionstag zu beteiligen.

Insbesondere die Beschäftigen des öffentlichen Dienstes, und der französischen Staatsbahn SNCF waren auf den Beinen, um die gegen die „Reformpolitik“ des französischen Staatschefs Emmanuel Macron zu protestieren. Allerdings beteiligten sich auch Rentner, sowie Schüler und Studierende an diesem Ausstand. Nicht wenige sprachen am Donnerstag wieder von einer „Konvergenz der Kämpfe“, wie sie einst Nuit Debout im Frühjahr 2016 erreichen wollte.Doch ob eine dauerhafte Perspektive tatsächlich besteht, bleibt fraglich.

Macron zeigt sein wahres Gesicht- Er betreibt eine wirtschaftsliberale  und autoritäre Politik

Gemeinsam war allen Beteiligten, dass sie nicht nur gegen die Politik Macrons protestierten, sondern gleichzeitig auch der Art und Weise, wie die derzeit in Frankreich Politik gemacht wird, eine Absage erteilen wollten. Dies vereinte auch die programmatisch unterschiedlich orientierten Gewerkschaftsorganisationen. Hatte man nach der Wahl Macrons zum Präsidenten im Mai letzten Jahres noch wenigstens gehofft, dass somit das demokratischen Institutionensystem gerettet worden wäre vor dem Zugriff der rechtsradikalen Kandidatin Marine Le Pen vom Front National, zeigt sich heute, das Macron ebenso auf autoritäre Weise versucht, die Fünfte Republik grundlegend umzugestalten, wie es Le Pen ebenfalls versucht hätte. Nicht umsonst, bekommt der „republikanische Monarch“ inzwischen, wie man in der Presse lesen, auch von der der radikalen Rechten Applaus für seine Politik. Seine Autoritäre Verachtung der Demokratie, sein Kampf gegen sozialen Ausgleich und eine Politik, die Klassenschranken festigt, begeistert dort jenen Flügel, dem die Ausrichtung des FN in der Vergangenheit zu „linkslastig“ war.

Zwar gibt Macron gerne vor seine politischen Vorhaben im Dialog durchsetzen zu wollen, allerdings sind Gespräche mit den Vertreter von zivilgesellschaftlichen Akteuren und Gewerkschaften nicht mehr als eine schöne Fassade. Sobald es sich um unmittelbar wichtige Reformen handelt, greift der von Macron ernannte Premierminister Eduard Philippe zur verfassungsrechtlich möglichen Waffe der Verordnung um möglichst zügig und ohne Beteiligung des Parlaments Gesetzesvorhaben auf schnellem Wege durchzusetzen. Zwar muss die Regierung erst vom Parlament dazu bevollmächtigt werden, ohne dessen Beteiligung Gesetze erlassen zu dürften. Die übergroße parlamentarische Mehrheit, über die Macron und seine Partei „En marche pour la republique (LREM)“ samt Büdnispartner verfügt, macht eine solche Selbstausschaltung der französischen „Nationalversammlung“ aber relativ problemlos möglich.

Kein Freifahrtschein für Kapital  – Die Bahnreform trifft auf den Widerstand der „cheminots“

Das aktuellste „Reformvorhaben“, welches in aller Eile durchgewunken werden, soll ist eine Bahnreform, die nicht weniger als die schrittweise Privatisierung der Staatsbahn vorsieht. Nur der Markt, so heißt aus den Reihen der „Marschierer“ von Macron, könne den trägen Staatskonzern wieder auf Vordermann bringen. Deshalb müssten die Privilegien der Beschäftigten fallen. Auf den ersten Blick scheinen die „cheminots“, (zu deutsch: „Bahner“) sich tatsächlich paradiesischer Arbeitsbedingungen zu erfreuen. So dürften die Mitarbeiter der Bahn schon ab einem Lebensalter von 52 Jahren in Rente gehen und würden traumhaft hohe Löhne kassieren und hätten. Bewusst setzte die Macron- Administration darauf, dass diese Halbwahrheiten in der Öffentlichkeit diskutiert wurden und nicht die wirkliche Intension der Regierung. So geht es in erster Linie darum, eine nach wie vor  „gemeinwohlorientierte“ Bahn, die auch dünn besiedelte Regionen des Landes anbindet, in ein rein profitorientiertes Unternehmen zu ersetzten, welches sich ab 2020 der Konkurrenz durch anderen Bahnunternehmen stellen soll. Die regionalen Verbindungen sollen in Zukunft von den Regionalregierungen ausgeschrieben werden. Mit der Folge, das unprofitable Verbindungen eingestellt werden. Eine massive Verschlechterung der Qualität wäre die Folge. Dies verschweigen Macron und Philippe und versuchen den Neid der von immer unsicheren Beschäftigungsverhältnissen betroffenen Menschen zu schüren, indem sie auf die angeblich auf „Lebenszeit sicheren Jobs“ verweisen. Ein Unding in Zeiten, wo Teilzeitjobs und Kurzzeitverträge als Ausdruck notwendiger Flexibilität der Beschäftigten verkauft werden, um die französischen Unternehmen wettwerbsfähig zu machen.

Tatsächlich ist die Realität für die französischen „Bahner“ eine ganz andere. Seit Jahren werden bei der SNCF kräftig Unternehmensteile ausgegliedert oder sogar an Subunternehmen delegiert. Für deren Beschäftigte gilt das sogenannte „Statut“ ohnehin nicht. Und selbst die Lokführer, die als einzige das Privileg einer frühen Verrentung besitzen, müssen mindestens 37 Jahre ohne Unterbrechung gearbeitet haben, um in de Genuss dieser Regelung zu kommen. Dies ist vor dem 60. Lebensjahr nicht denkbar, wenn man dazu noch bedenkt, dass bei Gehältern von deutlich unter 3000 Euro netto die Abschläge derart hoch wären, dass Altersarmut vorprogrammiert wäre.

Auch das Recht auf einen unbefristeten Arbeitsvertrag besteht erst nach einer gewissen Zeit der Zugehörigkeit zum Unternehmen Anspruch. Und trotzdem überschreitet die Lohnhöhe kaum 1.500 Euro netto.

Die Angst, ähnliche löchrigen Arbeitsgesetzen unterworfen zu sein, wie jenen in der Privatwirtschaft trieb die „cheminots“ am Donnerstag ein erstes Mal auf die Straße. Ab dem 3. April soll, so haben sich alle Gewerkschaften geeinigt, in jeder Woche zwei Tage gestreikt werden.

Die Ablehnung austeritärer Politik führt die Mensche auf die Straße

Die „Bahner“ waren allerdings nicht Auslöser der Aktionen am 22. März. Ursprünglich hatten die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes dazu aufgerufen ihrem Unmut über die herrschende Politik Ausdruck zu verleihen. So soll auch hier der gesetzliche besonders geregelte Beschäftigungsstatus, der für die Angestellten sowohl in den Gemeinden als auch auch für die territorialen Gebietskörperschaften gilt, ausgehebelt werden. Diese Beschäftigungsverhältnis sollen durch solche auf Basis privatrechtlicher Arbeitsverträge ersetzt werden. Zusätzlich sollen 120.000 Stellen im Öffentlichen Dienst abgebaut werden und die Löhne eingefroren werden. Schon jetzt werden Krankenhäuser geschlossen, und Schulklassen gerade im ländlichen Raum gestrichen.

Doch die Beschäftigten der Altenpflegeheime, die schon seit mehreren Monaten immer wieder demonstrieren und streiken, waren auf auf der Straße, obwohl sie schon  vor kurzem einen eigenen Aktionstag durchgeführt hatten. Ziel ist es, die Regierung zu zwingen, mehr Mittel zur Schaffung neuer Stellen freizugeben, um das überforderte Pflegepersonal zu entlasten. Doch auf die Rentner selber waren am Donnerstag in den Demos mit dabei. Sie protestierten gegen die Erhöhung der Sozialsteuer CSG. Diese wurde erhöht, um den Wegfall der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung zu kompensieren. Allerdings mussten Rentner diese Beiträge nicht entrichten, weshalb es man mit Fug und Recht von einer Rentenkürzung sprechen kann. Die Wut der Rentner wischte das Macron Lager mit den Worten weg, dass doch durchaus einmal Solidarität mit den jüngeren Generationen einzufordern sei, denn die Rentner von heute seien doch eine „goldene Generation“, wie es der LREM-Abgeordnete Eric Alauzet ausdrückte, um zu unterstellen, das „die Alten“ auf Kosten „der Jungen“.

Auch hier versuchen die „Macron-Anhänger“ Menschen gegeneinander auszuspielen, die gemeinsame Interesse haben und keine gegensätzlichen. Tatsächlich geht es darum, die großen Löcher, die Macrons Steuergeschenke für die reichsten Franzosen, wieder aufzufangen. So  gehen Berechnungen des Finanzausschusses des französischen Senats davon aus, das die hundert reichsten Franzosen durch die aktuellen Steuerreformen von LREM jährlich je 1,5 Millionen an Steuern einsparen werden.

Keine soziale Selektion beim Hochschulzugang. Auch Studierende und Schüler zeigten Flagge

junge Menschen waren allerdings auch auf der Straße und zeigten ihrer Solidarität mit den Forderungen der Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes.  Allerdings kämpfen die Studierende und Oberschüler gerade gegen eine Neuordnung des Hochschulzugangs. War es bisher so, dass ein bestandenes Abitur, in Frankreich „Baccalauréat, mit dem Anrecht auf einen Studienplatz verbunden war.  Dieses Recht wurde schlicht und ergreifend abgeschafft. An dessen Stelle wurde ein aufwendiges und bürokratisches Verfahren geschaffen, dass die Universitäten in die Lage versetzt, sich ihre Studierenden selbst auszuwählen anhand von Fähigkeiten und Fertigkeiten, deren Beherrschung die Studierenden vorweisen müssen. Diese Aufgabe soll den ohnehin schon überlasteten Doktorand übertragen werden.

Formal müssen in Zukunft zusätzlich Motivationsschreiben und Lebensläufe eingereicht werden. Es müssen also richtige Dossiers eingereicht werden. Und das in vielfacher Form, da sich die Abiturienten nicht nur an einer Uni oder einem Fachbereich bewerben. Wenn die Absolventen der Fachoberschulen, die häufig aus den sozialen Unterklassen stammen und wenig Hilfe haben, wenn es darum geht diese hohen administrativen Hürden zu überspringen, nicht gleich darauf verzichten sich für eine universitäre Ausbildung zu entscheiden und Fachhochschulen besuchen, werden sie spätestens bei den fachbereichsinternen Auswahlverfahren durchs Raster fallen, da in den Fachoberschulen die benötigen Fähigkeiten nicht auf dem Lehrplan stehen.

Die Intension der „Marschierer“ ist also klar. Während sich bildungsaffine und ökonomisch besser gestellte Millieus, mit unter durch den Rückgriff auf teure,professionelle Agenturen, die den Papierkram erledigen, ihren Kindern den Zugang zu Universität weiter ermöglichen können werden, soll den Unterklassen, die heutzutage auch oftmals den Weg zum Abitur schaffen, weiterhin nur die Möglichkeit offen bleiben, sich nur für die Kapitalseite nutzbare, „praktische“ Fähigkeiten anzueignen. Die gesellschaftliche Klassenstruktur soll durch verschärfte Selektion bewahrt werden. Anstelle dessen müssten neue Studienplätze an den Universitäten geschaffen werden, so die berechtigte Forderung der Demonstrantenen. Doch das Ende Der Demos ist kein Ende des Protestes. Zahlreiche Universitäten und Fachbereiche sind besetzt und die Studierenden mobilisiert. Insbesondere nachdem es in Montpellier zu einem brutalen Überfall auf einen besetzen Hörsaal in der juristischen Fakultät kam, bei der rechtsradikale Jurastudierenden und Universitätsprofessoren offenbar zur Selbstjustiz griffen, um die verhassten Linken zu jagen

Trotz aller Euphorie – Eine Verstetigung der Proteste scheint unwarscheinlich

Wie sich zeigt, ist es gelungen zahlreiche Akteure, die direkt oder indirekt mit dem Öffentlichen Sektor verbunden sind, dazu zu bewegen, lautstark ihren Protest gegen das wirtschaftsliberale und teilweise sogar reaktionäre Politikmodell Macrons LREM auf die Straße zu tragen. Dies ist vor allen Dingen das Ergebnis des gemeinsamen Willens der Gewerkschaften. Es wird allerdings fraglich sein, ob es den gewerkschaftlichen Gegnern Macrons gelingt, diesen zur Umkehr zu bewegen. Dazu sind ein halbe Million Demonstrierende einfach zu wenig. Auch wenn manche in der Linken gerne den Vergleich zu 1968 ziehen. Damals begann an einem 22. März mit der Besetzung des Verwaltungsgebäudes der Universität und er Gründung der „Bewegung des 22.März“, die unter der Führung Daniel Cohn-Bendits eine zentrale Rolle während des folgenden „Pariser Mai“ spielte.

Dieser Vergleich ist aber weit hergeholt. Erfahrungsgemäß nimmt die Zahl der Teilnehmern an solche Aktionstagen, die laut der, den Kommunisten nahestehenden, CGT-Gewerkschaft am 3. und 19. April stattfinden sollen, mit der Zeit deutlich ab, wenn sich keine sichtbare Verschiebung der Kräfteverhältnisse ergibt. Viele Menschen können sich es sich einfach nicht leisten, daeruhaft auf Einkommen zu verzichten und streiken deshalb nur kurz oder gar nicht. Die linken Gewerkschaften sind aber inzwischen zu schwach, diese finanziellen Verluste durch Streikgelder aufzufangen. Deshalb scheint die Idee von Jean-Luc Mélenchon interessant, die aufkommende, sichtbare Ablehnung der Politik Macrons in Form einer politischen Kundgebung an einem Maiwochenende, Macron wurde an einem Maitag ins Amt gewählt, in Form einer „überparteilichen“ und auch „übergewerkschaflichen“ Großkundgebung zusammenzuführen. Dies hätte den Vorteil, dass viele Menschen nicht streiken müssten, um ihre Ablehnung der Politik Macrons zu zeigen.

Es ist allerdings fraglich, ob eine derartige Veranstaltung in dieser Form jemals stattfinden wird. Zu groß sind einerseits die Eifersüchteleien innerhalb der Linken, die befürchten nur Mélenchon und France insoumise würden profitieren. Anderseits beharren die Gewerkschaften, besonders die CGT, darauf das Monopol für soziale Kämpfe zu besitzen und lehnen es deshalb ab, unmittelbar mit politischen Parteien Mobilisierungen durchzuführen. Unter diesen Umständen muss man also eher befürchten, dass die jetzigen Proteste keine langfristige Dauer haben werden und Macron, trotz seiner großen Unpopularität,gestärkt aus diesem Kräfteringen hervorgehen könnte.

Ein Beitrag von Sebastian Chwala, Politikwissenschaftler aus Marburg und Geschäftsführer der Stadtfraktion der“Marburger Linken“. Wir führten im vergangenen Jahr ein Interview mit ihm zur Situation in Frankreich.

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Eine Antwort

  1. Ja, ich weiß, es ist viel Text. Aber ist es von dem Autor echt zu viel verlangt, eine ordentliche Grammatik und Interpunktion bei einem solchen Beitrag anzuwenden? In etwa jedem dritten Satz würden Kommata falsch gesetzt, Wörter vergessen oder gar hinzugedichtet, falsche Artikel verwendet oder Wörter falsch dekliniert. Bitte beim nächsten mal korrekturlesen! Das ist ja peinlich.

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