Obwohl die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung von einer menschengemachten Erderwärmung ausgeht, gelingt es sogenannten Klimaskeptikern, einzelne dem widersprechende Behauptungen zu etablieren. Dieser Widerspruch hat seinen Ursprung in der Berichterstattung der Massenmedien.
von Eric Zbinden
[Hinweis des Editors: Erics Text beschreibt in Teilen die Situation in der Schweiz. Die zugrundeliegende Kritik ist jedoch allgemeingültig und im Grunde 1 zu 1 auf Deutschland übertragbar.]
Was sind die Standpunkte jener Leute, die den menschengemachten Klimawandel bestreiten? Diese Frage stellte sich mir, als die Erderwärmung Anfang dieses Jahrs in den Fokus des öffentlichen Diskurses rückte. Denn in der Schweizer Bevölkerung besteht zwar eine breite Einigkeit darüber, dass es eine menschengemachte Erderwärmung gibt und diese Entwicklung gestoppt werden muss – doch in der Politik wird dies von Teilen der SVP in Frage gestellt, so in einem Positionspapier von 2009. Einige ihrer prominenten Politiker vertreten diese Ansicht noch immer, auch wenn es in der Partei diesbezüglich keinen Konsens gibt.
Mediale Netzwerke
Im deutschsprachigen Raum wird die Erderwärmung teilweise in alternativen Medien, insbesondere aber von klimawandelskeptischen Organisationen angezweifelt. Die bekannteste ist das Europäische Institut für Klima und Energie (EIKE), ein Verein aus Jena mit internationalen Verbindungen, für den nach eigener Angabe ehrenamtliche Privatleute tätig sind. Es betreibt einen Blog und organisiert Tagungen, häufig mit fragwürdigen Inhalten. So publizierte es im Juni auf seiner Website einen Artikel des Gastautoren Heinz Schütte, der aufgrund offensichtlich falscher Berechnungen zum Schluss kommt, dass CO2 einen vernachlässigbaren Einfluss auf die Erdtemperatur hätte.[1]
Andere Referenten des EIKE wie der Meteorologe Klaus-Eckart Puls argumentieren dagegen teilweise sachlich: In einem Vortrag von 2016 legte Puls den aktuellen Forschungsstand so aus, dass die Klimasensitivität im tiefsten Bereich der wissenschaftlichen Schätzungen liege. Die Klimasensitivität gibt an, wie stark sich die Erde bei einer Verdopplung des CO2-Gehalts der Atmosphäre erwärmen würde, nachdem sich wieder ein mittelfristig stabiler Zustand eingestellt hätte.[2] Tatsächlich gibt es eine beträchtliche Unsicherheit über ihren Wert (1.5°C-4.5°C), weil es schwierig ist vorherzusagen, wie stark sich eine Zunahme von Wasserdampf in der Atmosphäre – eine mögliche Folge der Erwärmung – auf die Bildung verschiedener Wolkentypen auswirkt. Wasserdampf selber ist ein Treibhausgas und bewirkt eine weitere Erwärmung, die Wirkung von Wolken hängt dagegen sehr stark von ihrem Aufbau und ihrer Lage ab.[3] Selbst wenn die Klimasensitivität unterhalb des heute wissenschaftlich akzeptierten Bereichs liegen würde, hätte das Verbrennen aller fossilen Energieträger dennoch eine starke Erderwärmung zur Folge, da die Förderung von Erdgas und Kohle potenziell noch stark ausgebaut werden könnte, weil noch große Ressourcen vorhanden sind.
Neben solchen wissenschaftlich begründbaren Einwänden macht Puls jedoch auch eindeutig irreführende Aussagen: So sagte er in einem Vortrag 2013 auf dem Hamburger Klima- und Energiegespräch, dass 7 Milliarden Menschen durch das Atmen CO2-Emissionen von 2,5 Milliarden Tonnen pro Jahr verursachen würden, während der Automobilverkehr nur für 1,5 Milliarden Tonnen verantwortlich wäre. Dieser Vergleich ist unzulässig, weil für den Betrieb von Motoren immer neues Erdöl aus natürlichen Speichern gepumpt werden muss, so dass sich der CO2-Gehalt der Atmosphäre ständig erhöht, während das CO2, das bei der Atmung freigesetzt wird, bei der Verwertung von Lebensmitteln im Stoffwechsel entsteht und von nachwachsenden Nahrungsmitteln wieder aufgenommen wird – ein Kreislaufprozess also, kein akkumulativer. Ein Mensch erhöht den CO2-Gehalt der Atmosphäre durch seine Atmung also für den Zeitraum seines Lebens um einen geringen konstanten Betrag, während ein Kraftfahrzeug den CO2-Gehalt mit jedem zurückgelegten Kilometer weiter ansteigen lässt.[4]
Inwiefern beeinflusst das EIKE nun die Debatte in der Schweiz? Dazu gibt es einen aufschlussreichen Hinweis: Seit spätestens 2014 veröffentlicht es auf seiner Website regelmäßig Artikel der Weltwoche zur Erderwärmung, jeweils mit Genehmigung des Journals und der Autor*innen.[5] Wie auch die eigenen Artikel des EIKE enthalten diese viele Fehldarstellungen. Beispielsweise schreibt Roger Köppel in einem Artikel: „Die Menschen blasen weltweit rund 3 Prozent des Gesamt-CO2 in die Atmosphäre, die restlichen 97 Prozent kommen direkt aus der Natur, vor allem aus den Ozeanen”. Diese Zahl ist zwar korrekt, aber nicht aussagekräftig. Sie kommt folgendermaßen zustande: Jedes Jahr gelangen natürlicherweise 120 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in Form von CO2 in die Atmosphäre, weil Pflanzen verrotten oder Energie verbrauchen – dieselbe Menge wird durch das permanente Pflanzenwachstum wieder gebunden. Gleichzeitig gelangen 90 Milliarden Tonnen Kohlenstoff aus den Meeren in die Atmosphäre – dieselbe Menge wird aber auch wieder aufgenommen. Die menschlichen CO2-Emissionen entsprechen etwas mehr als 9 Milliarden Tonnen Kohlenstoff pro Jahr. Sie machen also tatsächlich nur circa 4% der 219 Milliarden Tonnen Gesamtemissionen aus, mit anderen Basisdaten möglicherweise auch die von Köppel genannten 3%. Während die 210 Milliarden Tonnen an natürlichen Emissionen aber wieder vollständig gebunden werden, bleiben von den 9 Milliarden Tonnen menschlichen Emissionen jedes Jahr 4 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in Form von CO2 in der Atmosphäre. Deshalb hat die CO2-Konzentration in den letzten 150 Jahren um über 40% zugenommen.
Unter Verweis auf diese Unstimmigkeit wendete ich mich an Michael Limburg, den Vize-Präsident des EIKE. Er antwortete mir darauf: „Wer frei von Fehlern ist, der werfe den ersten Stein”. Auf weitere Nachfrage ergänzte er, dass Köppel ein Laie sei und dass man nicht alle Inhalte der Website zuverlässig überprüfen könne. Er sagte zudem, dass das EIKE grundsätzlich mit den Positionen der Weltwoche übereinstimme.
Dies zeigt sich auch in einem Artikel, der im September in der Weltwoche erschienen ist. Dort wird das EIKE als kämpferisches Institut beschrieben, das sich gegen dogmatische Institute wie das PIK wehren würde.[6]
Das EIKE wird von der Weltwoche in der Regel aber nicht als Quelle angeführt. Roger Köppel bezieht sich in seinen Äusserungen vorwiegend auf den amerikanischen Atmosphärenphysiker Richard Lindzen, einen emeritierten MIT-Professor mit Kontakten zum EIKE,[7] der Forschungsgelder von der Kohleindustrie erhielt. Ein Interessenkonflikt, bei dem Köppel darauf verweist, dass die „Klimaapokalyptiker” vom Staat finanziert seien.
Lindzen vertritt die Meinung, dass die Klimasensitivität zu hoch eingeschätzt würde. In seiner Publikation «On the Observational Determination of Climate Sensitivity and Its Implications» präsentiert er eine alternative Methode, die tiefere Werte liefert. Die Untersuchung ist eine verbesserte Fassung eines Papers von 2009, in welchem nach seiner Veröffentlichung methodische Fehler nachgewiesen worden waren. Lindzen reichte deswegen 2010 eine Korrektur beim US–amerikanischen Journal PNAS ein. Dieses lehnte sie jedoch aufgrund methodischer Unklarheiten im Januar 2011 ab. Schließlich reichte er im Februar desselben Jahres eine wiederum überarbeitete Version im Asia–Pacific Journal of Atmospheric Sciences ein, bei der er einige Kritikpunkte des später im Internet veröffentlichten Peer-Review berücksichtigte; diese Version des Papers wurde im August publiziert.
Seine Untersuchung basiert auf der Gegenüberstellung kurzfristiger Schwankungen der Erdabstrahlung mit damit einhergehenden Veränderungen der Temperatur der Meeresoberfläche in den Tropen. Problematisch ist dabei, dass die Ursachen der Strahlungsschwankungen nicht Gegenstand der Untersuchung sind und dass diese sicherlich keine derartig tiefgreifenden Rückkopplungseffekte ausgelöst haben, wie es eine langfristige Veränderung des CO2-Gehalts der Atmosphäre täte. So wird beispielsweise der Effekt der Abnahme der stark reflektierenden Meereisflächen nur bei einer Betrachtung längerfristiger Temperaturveränderungen messbar. Deswegen kann man davon ausgehen, dass die Klimasensitivität von weniger als einem Grad Celsius, die sich nach der Methode von Lindzen ergibt, unter dem realen Wert liegt.
Eine Anfrage von mir an die Weltwoche, dies in einem Artikel mit anderen Autoren der Klimabewegung zu korrigieren, wurde abgelehnt. Auch eine Replik des Redaktionskollektivs des Klimastreik Schweiz publizierte die Weltwoche nicht, obwohl sie diese ursprünglich selber angefragt hatte. Indes veröffentlichte die Weltwoche im Juni eine Gegenrede von Reto Knutti, die Widersprüche in der Argumentation der Weltwoche aufzeigte.
Denn es ist keinesfalls so, dass die Klimaskeptiker eine kohärente Argumentationslinie verfolgen würden. Beispielsweise schreibt Roger Köppel in seinem Artikel „Müssen wir das Klima retten?”: „Ich bin überzeugt, dass das Verbrennen von fossilen Energien zu mehr CO2 in der Atmosphäre geführt hat und immer noch führt”. Wie bereits erwähnt, schreibt er jedoch in einem anderen Artikel, dass die Menschheit nur für 3% der CO2-Emissionen verantwortlich sei, also dass der Mensch nur einen geringen Einfluss auf die Zusammensetzung der Atmosphäre habe. In einem anderen Artikel schreibt er sogar: „Nur etwa 3 Prozent des gesamten CO2 in der Luft sind menschengemacht. Der Rest ist natürlichen Ursprungs”. Der Anteil, für den die Menschheit wirklich verantwortlich ist, ist im Übrigen mehr als zehn Mal so hoch.[8]
Auswirkungen auf die Gesellschaft
Wie sich eine Aussage auf die öffentliche Meinung auswirkt, ist häufig unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt, weil es den Bürgerinnen und Bürgern nicht möglich ist, alle politisch relevanten Themen in ihren Zusammenhängen vollumfassend zu verstehen. Dies führt insbesondere in wissenschaftlich komplexen Gebieten wie der globalen Erwärmung dazu, dass Zahlen oder Diagramme in Diskussionen unabhängig von ihrer eigentlichen Bedeutung zitiert werden. So entsteht eine Scheindebatte, bei der nicht die Klärung der eigentlichen Hintergründe, sondern die populistische Wiederholung eindrucksvoller Aussagen im Vordergrund steht.
Bislang war die Klimabewegung in einem weitgehend faktenunabhängigen Diskurs zwar erfolgreich. Trotzdem gehe ich aufgrund von Beobachtungen in persönlichen Gesprächen davon aus, dass es den Klimaskeptikern gelungen ist, verzerrende Darstellungen, wie den bereits mehrfach erwähnten Anteil der Menschheit an den CO2-Emissionen oder dass nur Wasserdampf ein relevantes Treibhausgas sei, in der Bevölkerung zu etablieren. Es ist also durchaus denkbar, dass die öffentliche Meinung ohne tatsächliche Argumente zum Kippen gebracht werden kann.
Die einzige Möglichkeit, dies zu verhindern, liegt in der Stärkung einer faktenbasierten Debatte, wie sie bei einem derart wichtigen Thema unumgänglich ist. Dabei reicht es aus, wenn ein ausreichend großer Teil der Bevölkerung die Problematiken systematisch versteht.
Der Grund, warum dies noch nicht ausreichend gelungen ist, liegt im Aufbau der verbreiteten Erklärungen, wie sie in Schulbüchern oder Medien zu finden sind: Diese lassen oft naturwissenschaftliche Grundlagen aus,[9] kaschieren das aber durch Formulierungen, so dass aus der Erklärung nicht hervorgeht, was sie auslässt. Deshalb ist es Politiker*innen beispielsweise möglich, in Diskussionen die Behauptung zu etablieren, dass es ungeklärt sei, ob eine CO2-Zunahme zu einer Erwärmung führt.[10]
Wenn sich in der Bevölkerung die Meinung durchsetzen würde, dass der menschengemachte Klimawandel unbewiesen sei, würde es schwierig, das Stimmungsbild wieder zu ändern. Deshalb ist es wichtig, schon jetzt den faktenbasierten Diskurs zu stärken.
Eric Zbinden ist Gymnasiast und wohnt in der Nähe von Basel. Eric ist in der Arbeitsgruppe Bildung des Klima-Aktionsplans aktiv.
Anmerkungen:
[1] Schütte geht u.a. davon aus, dass der „Energieinhalt von 1,325*10-20 J für ein Strahlungsquant eines CO2-Moleküls” multipliziert mit der Anzahl CO2-Moleküle in einem Mol Luft der Energiezunahme dieses Mols entspricht. Diese 1.325*10-20 J sind aber nur die Energie eines Photons bei der Wellenlänge, bei der ein Körper der Temperatur 15°C am intensivsten strahlt.
[2] Der Begriff wird hier nur im Sinne dieser equilibrium climate sensitivity verwendet. In anderen Zusammenhängen wird die Klimasensitivität auch für den kurzfristigen Effekt einer Veränderung angegeben.
[3] Johann Grolle: Warum Wolken der Fluch aller Klimaforscher sind. Spiegel, 22. März 2019.
[4] Puls merkt auf der Präsentation zwar an: „Vorsicht! Glosse!!”. Das bezieht sich aber nur auf die Schlussfolgerung, dass man die Menschheit abschaffen müsse, um die Menschheit zu retten. „Ich habe da mal runter geschrieben ‚Vorsicht! Glosse!!’, damit niemand sagt: ‚Der Puls hat da in Hamburg ein neues Euthanasieprogramm aufgelegt’”.
[5] Das erste Mal geschah dies wohl schon 2009, damals sprach das EIKE aber noch nicht von einer Genehmigung der Weltwoche:
- Allen Dedic: Zur künstlich herbeigeführten Klimapsychose: Cui Bono? Weltwoche, 2009.
Seit 2014 geschieht dies regelmässig. Im Folgenden sind einige Beispiele aufgeführt:
- Axel Reichmuth: Klimakiller Solarstrom. Weltwoche, 2014.
- Axel Reichmuth: Parfümwolke für die Energiewende. Weltwoche, 2015.
- Markus Schär: Allein im Gegenwind. Weltwoche, 2016.
- Axel Reichmuth: Aufstieg und Fall des Ozonlochs. Weltwoche, 2017.
- Alex Baur: Ehrenrettung eines Moleküls. Weltwoche, 2018.
- Roger Köppel: Klimawandel für die Schule. Weltwoche, 2019.
[6] Wolfgang Koydl: Deutschlands Klima-Gallier. Weltwoche, 25. September 2019.
[7] Zum Beispiel durfte das EIKE Auszüge aus einer seiner Studien schon im Voraus veröffentlichen: Anthony Watts: Neue Studie von Lindzen und Choi zeigt, dass die Modelle die Klimasensitivität übertreiben. In: eike-klima-energie.eu, 23. August 2011, abgerufen am 27. Oktober 2019.
[8] (415ppm-280ppm)÷(415ppm)=32.53%
[9] Ein Beispiel aus einem Artikel von Axel Bojanowski bei Spiegel Online: Treibhausgase „lassen zwar Sonnenstrahlung durch, aber weniger Wärmestrahlung, die von der Erde zurück gestrahlt wird.” Um das tatsächlich zu erklären, müsste man zuerst die elektromagnetische Strahlung, Absorptionsspektren und das Wiensche Verschiebungsgesetz qualitativ einführen.
[10] Ein interessantes Beispiel ist eine Diskussion von Frauke Petry, die vom YouTube-Nutzer „NoIslamisation” unter dem Titel „GENIAL! Frauke Petry (AfD) zerlegt linke Gegendemonstranten!” veröffentlicht wurde.
3 Antworten
https://www.anderweltonline.com/klartext/klartext-20192/klima-greta-und-das-ende-von-lithium-in-30-jahren/
Was zum nachdenken… ????
https://youtu.be/Sx4qwUMo284