Die Grünen sind angetreten mit dem Ziel, die Außenpolitik humanistischer und menschenrechtsorientierter zu gestalten. Mit Blick auf Gaza zeigt sich sehr deutlich, dass dieses Ziel nicht überall die gleiche Bedeutung hat. Basem Said war Politiker der Grünen und ist vor wenigen Tagen ausgetreten, weil er die grüne Gazapolitik nicht mehr mittragen kann. Wir haben mit ihm gesprochen.
Etos.media: Du bist vor kurzem bei den Grünen ausgetreten. Wie kam es dazu?
Basem Said: Ich bin aus der Partei ausgetreten, weil ich die politische Ausrichtung, insbesondere im Umgang mit dem Nahostkonflikt, zunehmend als einseitig empfunden habe. Die jüngsten Entscheidungen und öffentlichen Aussagen einiger Parteimitglieder haben meine Perspektive nicht mehr widergespiegelt, wodurch es mir unmöglich wurde, die Parteipositionen glaubwürdig zu vertreten.
Etos.media: Die Grünen stellen aktuell die Außenministerin und haben eine feministische Außenpolitik beschworen. Inwiefern erreicht die deutsche Außenpolitik dieses Ziel?
Basem Said: Laut Baerbock sollen mehr Frauen in Verhandlungen und Entscheidungsprozesse eingebunden werden, Konflikte präventiv angegangen und die Menschenrechte unabhängig von wirtschaftlichen oder strategischen Interessen priorisiert werden.
Jedoch zeigt die Praxis, dass dieses Konzept oft in Widerspruch zu anderen politischen Prioritäten gerät. Beispielsweise wurden die massiven zivilen Verluste, darunter Frauen und Kinder, in Gaza und Libanon nicht eindeutig durch eine klare menschenrechtsorientierte Position verurteilt. Dies wirft die Frage auf, inwieweit wirtschaftliche und geopolitische Interessen feministische Prinzipien überlagern
Etos.media: Deutschland steht mit Blick auf den Gazakrieg immer isolierter da. Wieso hält die Bundesregierung trotz dessen daran fest?
Basem Said: Erstens besteht eine tiefe historische Verantwortung gegenüber Israel, die aus der Zeit des Holocausts stammt. Zusätzlich spielt die strategische Partnerschaft mit den USA eine zentrale Rolle. Die enge Beziehung zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten hat einen erheblichen Einfluss auf die deutsche Außenpolitik, insbesondere in Bezug auf Israel und den Nahostkonflikt. Deutschland folgt häufig der Linie der USA, die Israel als wichtigsten Verbündeten im Nahen Osten betrachten.
Dennoch gibt es in Deutschland immer mehr Stimmen, die eine differenzierte Sichtweise fordern, die nicht nur das Selbstverteidigungsrecht Israels, sondern auch die gravierenden humanitären Auswirkungen des Konflikts berücksichtigt.
Trotz dieser wachsenden Kritik bleibt die Bundesregierung in ihrer Haltung fest, was die Kontroversen innerhalb der politischen Landschaft weiter anheizt. Besonders in den Grünen, die eine stärker ausgewogene Außenpolitik fordern, wird diese Haltung hinterfragt.
Etos.media: Was hättest du dir von einer grünen Außenministerin gewünscht?
Basem Said: Nach Angaben des UN-Menschenrechtsbüros (OHCHR) waren im Gaza-Krieg etwa 70 Prozent der getöteten Personen Frauen und Kinder. Diese Zahlen verdeutlichen das immense Ausmaß des Leids, das vor allem Zivilist*innen trifft, und werfen Fragen nach der Wirksamkeit und Konsequenz einer feministisch orientierten Außenpolitik auf. Von einer grünen Außenministerin hätte ich eine außenpolitische Strategie erwartet, die stärker auf Diplomatie, Menschenrechte und die Förderung eines fairen Friedensprozesses setzt.
Dies hätte eine ausgewogene Haltung im Nahostkonflikt beinhalten können, die beide Seiten berücksichtigt und eine langfristige Lösung anstrebt, die auf Gerechtigkeit und Selbstbestimmung basiert. Eine feministische Außenpolitik hätte auch den Fokus auf die Rolle von Frauen und zivilgesellschaftlichen Akteuren im Friedensprozess gelegt. Ein solcher Ansatz hätte sich von der militärischen Unterstützung für eine Seite distanziert und stattdessen auf internationale Zusammenarbeit und Friedensinitiativen gesetzt. Sie hat die Prinzipien einer grünen Außenpolitik ignoriert, die sich traditionell für Menschenrechte, den Schutz der Zivilbevölkerung und die Förderung eines gerechten Friedens einsetzen.
Etos.media: Du schreibst, dass du auch gegenüber deiner Community die Politik der Grünen nicht mehr vertreten konntest. Könntest du das konkretisieren?
Basem Said: Die Politik der Grünen, insbesondere in Bezug auf den Nahostkonflikt, hat sich zunehmend als problematisch für mich und meine Community herausgestellt. Die Unterstützung der israelischen Regierung, auch in Fällen, in denen diese Menschenrechtsverletzungen begangen hat, hat dazu geführt, dass ich die Position der Grünen nicht mehr glaubwürdig vertreten konnte, insbesondere nicht innerhalb der palästinensischen Community.
Die wiederholte Unterstützung für militärische Interventionen in Gaza ohne eine gleichwertige Auseinandersetzung mit den Auswirkungen auf die palästinensische Zivilbevölkerung und ohne eine klare Haltung zu den humanitären Krisen hat mich zunehmend entfremdet. Es war schwer, die grünen Werte der Menschenrechte und der Friedenspolitik mit dieser Linie in Einklang zu bringen.
Außerdem gab es immer weniger Raum, die palästinensische Perspektive zu integrieren und für die Rechte der Menschen in Gaza und der Westbank einzutreten. Das hat dazu geführt, dass ich mich in der Partei nicht mehr vertreten fühlte. Diese Haltung hat die politische Kommunikation zwischen mir und meiner Community erheblich erschwert. Der jüngste Beschluss der Grünen Bundestagsfraktion, der eine einseitige Perspektive widerspiegelt, hat mich schließlich zu dem Entschluss geführt, aus der Partei auszutreten.
Etos.media: Danke dir für das Gespräch.